Wählen in Corona-Zeiten: Kommt Erleichterung für die Kleinen?

Wählen in Corona-Zeiten: Kommt Erleichterung für die Kleinen?
Parteien reagieren abwartend bis ablehnend auf Neos-Vorstoß. Aus demokratiepolitischer Sicht wäre der Schritt geboten.

Am 11. Oktober soll die Wiener Gemeinderatswahl über die Bühne gehen, das kündigte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vorvergangene Woche an. Bis dahin sind aber noch einige Fragen zu klären. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass bis dahin die Prä-Corona-Normalität wieder hergestellt sein wird, was Konsequenzen von Wahlkampf bis Stimmabgabe mit sich bringt.

Manche dieser Fragen können noch etwas warten, andere bedürfen aber bereits früher einer Klärung – allen voran jene nach der Sammlung der für einen Wahlantritt erforderlichen Unterstützungserklärungen. Jede derzeit nicht im Gemeinderat vertretene Liste muss auf Landesebene 100 Unterschriften in jedem der 18 Wahlkreise sammeln, für die Bezirksvertretungswahlen sind noch einmal 50 Unterschriften pro Bezirk fällig.

Macht in Summe 2.950 Unterschriften für einen Antritt auf allen Ebenen, die voraussichtlich im August gesammelt werden müssen – übrigens auch von der neuen Strache-Liste Die Allianz für Österreich (DAÖ). Eine schnelle Unterschrift reicht aber nicht; die Unterstützung muss auf dem Gemeinde- bzw. magistratischen Bezirksamt beurkundet werden.

Neos springen Kleinen bei

Erste Listen wie „Links“, die Bierpartei oder die "Migrantenliste" SÖZ (Soziales Österreich der Zukunft) forderten in den vergangenen Wochen bereits die Möglichkeit, die Unterstützungserklärungen digital abgeben zu können, um auch in Zeiten des Corona-bedingten Social Distancing eine Chance zu haben.

Unterstützung bekommen sie nun von den Neos: Die Liberalen werden in der Landtagssitzung am heutigen Mittwoch einen Antrag auf Änderung der Gemeindewahlordnung einbringen, durch die „eine Regelung der Abgabe von unterstützungserklärungen in digitaler Form mittels Handysignatur ermöglicht werden“ soll, wie es in dem dem KURIER vorliegenden Text heißt.

Es sei „eine Frage der Fairness, kleineren Gruppen und Parteien den Zugang zur Gemeinderatswahl gerade in diesen Zeiten so gering wie möglich zu machen“, begründet Klubobmann Christoph Wiederkehr die Initiative.

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Die Begründung des Neos-Antrags

Eine Mehrheit für den pinken Antrag wird sich jedoch nicht finden, geben sich die anderen Klubs doch abwartend bis ablehnend.

Breite Basis

Einzig die Grünen stehen dem Anliegen positiv gegenüber, doch auch sie sehen noch keinen zeitlichen Druck und wollen die Corona-Situation vorerst weiter beobachten. Eine Beschlussfassung in der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause am 25. Juni wäre ausreichend, heißt es aus dem Grünen Rathausklub – und bis dahin könnte auch noch breites Einverständnis hergestellt werden, denn der Wunsch wäre, dass alle Parteien eine solche Reform mittragen.

Grundsätzlich gelte aber: Was bei Volksbegehren möglich sei, also die Online-Unterstützung, müsse auch bei Wahlen möglich sein.

Beim Koalitionspartner SPÖ ist man da schon deutlich zurückhaltender und verweist auf Anfrage lediglich darauf, dass es momentan in keiner heimischen Wahlordnung möglich ist, digitale Unterstützungserkärungen abzugeben und es daher einen „breiten Diskurs aller Parteien“ brauche.

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Bei Volksbegehren möglich, bei Wahlen nicht: Unterstützungserklärungen via App

Aus dem ÖVP-Klub heißt es wage, für die Vorbereitung der Wahl seien noch zahlreiche Fragen zu beantworten, so müsse auch die Sicherheit der Beisitzer gewährleistet sein. Die rot-grüne Stadtregierung sei aufgefordert, diese Fragen zu klären.

Und die FPÖ vertritt überhaupt die Ansicht, dass sich „das gängige Prozedere für die Sammlung und Einreichung von Unterstützungserklärungen in der Praxis bewährt hat“ und sieht daher „keinen Grund am bestehenden System etwas zu ändern“. Sollte Social Distancing eine Rolle spielen, „müsste man dieser Logik folgend viel eher in Betracht ziehen, die Wahlen nach hinten zu verlegen“.

Einschränkung des Wahlrechts

Aus demokratiepolitischer Sicht sei eine Änderung der Wahlordnung hingegen zu befürworten, sagt die Demokratieforscherin Tamara Ehs. Durch die Abstandsgebote im öffentlichen Raum falle es Kleinparteien dieses Jahr noch schwerer, mit potenziellen Sympathisantinnen in Kontakt zu treten, wodurch letztlich auch der Wahlantritt erschwert werde.

Damit würden „die etablierten Parteien in Kauf nehmen, dass aufgrund der CoVid19-Maßnahmengesetze das passive Wahlrecht unverhältnismäßig einschränkt wird“.

Wobei Ehs auch ohne die aktuellen Corona-Maßnahmen die Möglichkeit digitaler Unterstützungserklärungen befürwortet. So könnten durch die geltenden Regeln Auslandsösterreicherinnen, aber auch bettlägerige Menschen dieses demokratische Recht nicht wahrnehmen.

Zusätzlich sei es am Land vielen Menschen unangenehm, sich am Gemeindeamt eines Dorfes, wo jeder jeden kennt, deklarieren zu müssen, dass man einer anderen Partei als der Bürgermeisterpartei auf den Stimmzettel helfen will - obwohl dies ja noch nichts darüber aussage, wen man schließlich am Wahltag wählt.

Same procedure as every year

Die Diskussion darüber, Parteien per Mausklick zum Wahlantritt zu verhelfen, ist freilich keine neue. Zuletzt legte "Der Wandel" im Vorfeld der Nationalratswahl 2019 einen fertigen Gesetzestext vor und versandte ihn an alle Parlamentsfraktionen bzw. deren Klubobleute.

Doch obwohl sich im Vorfeld alle Fraktionen aufgeschlossen gegenüber der Idee gezeigt hatten, passierte nichts. Ein Jahr später könnte es Corona-bedingt so weit sein - und Wien zum Vorreiter werden.

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