Wien-Wahl: Was die Parteien für Schule und Kindergarten fordern

Schulschluss
Von mangelnden Deutschkenntnissen bis zum Personalnotstand – Wiens Bildungseinrichtungen sind vielen Herausforderungen ausgesetzt. Ein Überblick, wie die Parteien sie lösen wollen.

Anfang des Jahres sorgten die Taferlklasslerinnen und Taferklassler Wiens für Aufregung. Rund die Hälfte (44,6 Prozent) von ihnen wurden als außerordentliche Schüler eingestuft. Das heißt, sie verfügten beim Schuleintritt nicht über ausreichende Deutschkenntnisse, um dem Unterricht problemlos folgen zu können.

Die Gründe dafür sind vielerlei, immerhin waren doch gerade die letzten Jahre geprägt von Herausforderungen: Pandemie, Familienzuzug und Lehrermangel. So würden sich beispielsweise zeitverzögert das Aussetzen der Schulpflicht, des verpflichtenden Kindergartenjahres und der Sprachförderung während der Pandemie bemerkbar machen, sagte der bisherige Bildungsstadtrat und neue Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) erst vor Kurzem.

Zusätzlich sei die sprachliche Entwicklung auch auf Fluchtbewegungen, etwa aus der Ukraine oder Syrien, zurückzuführen. Auch eine Veränderung der Kommunikation durch die Digitalisierung wirke sich laut Wiederkehr auf den Spracherwerb aus.

Viele Baustellen im Wiener Schulsystem

Das Sprachdilemma ist zudem nicht das einzige, das es zu lösen gilt: Auch der Lehrermangel beschäftigt. Die meisten offenen Stellen konnten beim Schulanfang 2024/’25 zwar besetzt werden, der Fachkräftemangel ist aber noch nicht vom Tisch. „Die Zahlen allein sagen nichts über den Personalnotstand. Wir sind notorisch unterbesetzt“, sagte Lehrergewerkschafter Thomas Krebs dem KURIER.

Lehrkräfte lassen sich in andere Bundesländer versetzen oder hängen den Job gar an den Nagel, weil sie den aktuellen Herausforderungen im Klassenzimmer nicht mehr gewachsen sind, so Krebs. „Das Leistungsniveau an den Schulen wird zunehmend nach unten nivelliert, auch weil klassischer Unterricht kaum möglich ist“, erklärte er erst Ende des vergangenen Jahres.

Wien-Wahl: Welche Lösungsansätze stehen in den Parteiprogrammen?

Nicht zu leugnen ist, dass sowohl das Wiener Schulsystem als auch die Kindergärten Belastungsproben ausgesetzt sind. Die Probleme, allen voran die Deutschförderung in Kindergärten und Schulen, müssen in den Angriff genommen werden, sind sich die Parteien einig. Doch so vielfältig die Herausforderungen sind, sind auch die Lösungsansätze. Was die Parteien im Bildungsbereich fordern, wo sie sich einig sind – und wo nicht – hat sich deshalb der KURIER angesehen.

Was die SPÖ in ihrem Wahlprogramm zur Wien-Wahl fordert

  • Sprachstandsfeststellungen im Kindergarten
    über einen längeren Zeitraum sollen bleiben. Außerdem soll die Zahl der Sprachförderkräfte erhöht werden, um den Spracherwerb der Kinder zu unterstützen
  • Sprachförderung in den Ferien
    Jedes Kind soll im Sommer die Möglichkeit haben, eine Sprachförderung zu erhalten. Die Stadt stellt u. a.  mit den Summer City Camps rund 35.000 Plätze für die  Feriengestaltung bereit. Auch Sommerlernstationen sind vorhanden
  • Für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
    spricht sich die SPÖ aus. Eine Verpflichtung ab dem dritten Lebensjahr ist langfristig denkbar. Auch eine Anwesenheitserhöhung auf 30 Wochenstunden wird befürwortet
  • Chancenindex und gemeinsame Schule   

Was die FPÖ in den Schulen und Kindergärten umsetzen möchte

  • Verpflichtende Deutschkurse bei Förderbedarf
    sind ein Muss, so die FPÖ. Sie sollen aber nicht nur in
    den Sommerferien stattfinden
  • Kein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
    Dafür eine Anhebung der Anwesenheitspflicht im
    verpflichtenden Kindergartenjahr
  • Verpflichtende Sprach-Screenings von Dreijährigen
    sollen sicherstellen, dass Kinder vor Schuleintritt
    ausreichend Deutsch sprechen, um dem Regelunterricht problemlos folgen zu können
  • Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen
    und höhere Gehälter sollen zur Attraktivierung des Lehrerberufs beitragen. Als Anreiz auch ein gratis Parkpickerl   

Was den Grünen im Bildungssystem ein Anliegen ist

  • Regelmäßige Sprachtestungen ab drei Jahren
    sollen dafür sorgen, dass jene Kinder, die mehr Unterstützung brauchen, diese   auch bekommen – aber nur im Kindergarten
  • Sie sind für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
    Die Sprachförderung dort soll auch neu aufgestellt werden
  • Durchmischung der Schulstandorte
    Die Grünen möchten das Anmeldesystem für die Volksschulen verbessern. Das Ziel: weniger Stress für Eltern und Schulen sowie eine bessere Durchmischung. Neben Wohnortnähe soll
    z. B. der sozioökonomische Hintergrund berücksichtigt werden. Eltern steht aber weiterhin die freie Schulwahl zu
  • Sonderzahlungen für Lehrkräfte
    sollen das Unterrichten an Standorten mit Herausforderungen attraktiver machen. Mehr Sozialarbeiter werden gefordert 

Was die ÖVP in ihrem Parteiprogramm zur Wien-Wahl fordert

  • Verpflichtende Sprach-Screenings für alle Dreijährigen 
    werden von der Wiener ÖVP seit 2023 gefordert. Außerdem will die Volkspartei drei Jahre Kindergartenpflicht für alle, die nicht ausreichend Deutsch können
  • Anwesenheitspflicht im Kindergarten 
    Für alle mit Deutschproblemen (erhöhen auf 30 Stunden)
  • Jede Pflichtschule braucht einen Sozialarbeiter
    Derzeit gibt es nur rund 80 Personen. Die ÖVP fordert einen Ausbau
  • Der türkise Deutschförderplan  
    sieht eine Erhöhung des Fachkraft-Kind-Schlüssels und eine Sprachförderausbildung für die  Pädagogen vor 

Das wollen die Neos laut Parteiprogramm im Schulwesen ändern

  • Sprachstandserhebungen im vorletzten Kindergartenjahr
    Eine erneute Testung soll es bei Schuleintritt geben
  • Verpflichtende Deutschkurse im Sommer
    Für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf
  • Quereinstieg der Lehrkräfte fördern
    Dabei sollen Vordienstzeiten angerechnet werden, um den Lehrermangel zu verringern. Auch psychosoziales Unterstützungspersonal an Schulen soll weiter ausgebaut werden
  • Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
    soll als Teil der „Mission Deutsch“ eingeführt werden. Zusätzlich soll die Besuchspflicht im Kindergarten im letzten Jahr vor Schuleintritt von 20 auf 30 Stunden erhöht werden
  • Wahlfreiheit der Eltern und Kinder bei der Schulplatzwahl  

Das fordern KPÖ & Links vor der Wien-Wahl

  • Drei verpflichtende Kindergartenjahre
    Die Parteien sind gegen verpflichtende Sprach-Screenings für Dreijährige. Stattdessen soll es drei verpflichtende Kindergartenjahre ab drei Jahren geben, um bereits im Kindergartenalter förderbedürftige Kinder gezielt unterstützen zu können
  • Kostenlose Förderkurse
    Sprache ist laut KPÖ-Links der Schlüssel zur Integration. Sie sprechen sich für kostenlose Förderangebote aus. Verpflichtende Kurse im Sommer werden abgelehnt
  • Personalfragen
    Begleitet werden müsse die Ausweitung der Kindergartenpflicht mit einer Personaloffensive. Auch Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte sowie Bezahlung müsse man anpassen. Gestärkt werden soll das Personal durch multiprofessionelle Teams (u. a. Schul- und Sozialpädagogen, Psychologen und  mehr Verwaltungspersonal)   

Was das Team HC Strache in Kindergärten und Schulen vor hat

  • Verpflichtende Sprachtests für Dreijährige
    So könne man im Kindergarten sicherstellen, dass alle dieselben Chancen beim Schulstart haben. Zudem schlägt die Partei Vorschulklassen für Kinder mit Sprachproblemen vor
  • Sanktionen für Eltern
    soll es geben, wenn Kinder mit Sprachförderbedarf nicht an verpflichtenden Deutschkursen in den Sommerferien teilnehmen
  • Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr
    soll es für nur Kinder geben, die es nach einer 
    Überprüfung der Sprachkenntnisse benötigen
  • Sprachtests und Sozialleistungen
    Bei Nichtteilnahme soll die Kinderbeihilfe gekürzt werden  

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot. 

In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.

FPÖ steht für Freiheitliche Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1955 in Wien als Nachfolgepartei des Verbands der Unabhängigen (VdU), in dem sich damals auch viele ehemaligen Nationalsozialisten befanden. Die Parteifarbe ist Blau. Die FPÖ ist heute eine rechtspopulistische und EU-skeptische Partei, die seit Jahrzehnten die Migration nach Österreich bekämpft. Die Wiener FPÖ war in der Bundeshauptstadt bisher noch nicht in Regierungsverantwortung, Parteichef ist derzeit Dominik Nepp.

Die Grünen stehen für die Grüne Alternative. Gegründet wurde die Partei 1986 als Zusammenschluss der konservativen Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) und der progressiveren Alternativen Liste Österreichs (ALÖ). Parteifarbe ist Grün. Ihre Wurzeln hat die Partei in der Widerstandsbewegung der 1980er-Jahre gegen das Kraftwerk in Hainburg und das Atomkraftwerk in Zwentendorf. Politisch stehen die Grünen links außen. Sie treten für Ökologie, den Schutz von Minderheiten und für Migration ein. In Wien waren die Grünen von 2010 bis 2020 Koalitionspartner der SPÖ, Spitzenkandidatin bei der Wahl ist Judith Pühringer.

ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.

Die Partei NEOS steht für das Neue Österreich. Gegründet wurde sie 2012, die Parteifarbe ist Pink. NEOS gilt als eher (links-)liberale Partei der Mitte, sie vertritt hauptsächlich ein modernes, urbanes, unabhängiges Bürgertum. Wichtige Themen der NEOS sind Bildung und Transparenz. In Wien schaffte die Partei nach der Wahl 2020 den Sprung in die Stadtregierung, NEOS-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr wechselte vor Kurzem allerdings als Bildungsminister in die Bundesregierung. Spitzenkandidatin am 27. April ist daher Selma Arapovic.

KPÖ steht für Kommunistische Partei Österreichs. Sie wurde 1918 gegründet, die Parteifarbe ist Rot. Im politischen Spektrum ist die Partei links außen angesiedelt, da sie nach dem Vorbild des Kommunismus eine „klassenlosen Gesellschaft“ anstrebt. Eines der Hauptthemen ist leistbares Wohnen. Die KPÖ wird von Historikern immer wieder kritisiert, weil sie die dunkle Vergangenheit der kommunistischen Regime in Osteuropa mit Millionen Toten nicht aufgearbeitet habe. Bei der Wien-Wahl tritt die KPÖ gemeinsam mit der Partei LINKS an, Spitzenkandidatin ist Barbara Urbanic.

Die Partei LINKS ist eine Wiener Kleinpartei, die im Jänner 2020 gegründet wurde. Bei der Wien-Wahl 2020 erreichte LINKS insgesamt 23 Mandate in 15 Wiener Bezirksvertretungen. Parteifarbe ist Violett. LINKS verfolgt eine dezidiert linke Politik, die Partei versteht sich als antikapitalistische, antirassistische, queerfeministische und solidarische politische Kraft. In Wien tritt LINKS gemeinsam mit der KPÖ an, Spitzenkandidatin ist Barbara Urbanic.

Das Team HC Strache – Allianz für Österreich ist eine rechtspopulistische Kleinstpartei, benannt nach Heinz-Christian Strache. Strache war langjähriger Chef der FPÖ, ehe er 2019 als Vizekanzler wegen des sogenannten Ibiza-Videos zurücktreten musste. Im selben Jahr wurde er von der FPÖ ausgeschlossen, trat im Jahr darauf aber bei der Wiener Gemeinderatswahl mit dem Team HC an. Dort scheiterte Strache zwar am Einzug ins Rathaus, schaffte es aber mit insgesamt 17 Mandataren in verschiedene Bezirksvertretungen. Die Parteifarben sind Blau und Rot.

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