Judith Pühringer leitet gemeinsam mit Peter Kraus als Doppelspitze die Wiener Grünen – bei der Wien-Wahl ist aber sie das Gesicht nach außen. Der KURIER hat Pühringer auf Eismarillenknödel im Eissalon Tichy in Favoriten getroffen – auch die Gespräche mit den anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien werden dort stattfinden.
Mit Pühringer drehte sich das Interview um Wohnen, das Klima, den Lobautunnel, was ihre politischen Schwerpunkte sind und um die Frage, ob sie privat Bäume gendert.
KURIER:Laut einer OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER sind 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler nicht sicher, ob Sie gute Arbeit leisten oder nicht, weil Sie sie nicht kennen. Beunruhigt Sie dieser Wert?
Judith Pühringer: Nein, gar nicht. Wir waren einfach fünf Jahre in Opposition. Es ist eine ganz andere Rolle als Regierungsarbeit. Ich merke jetzt im Wahlkampf, dass meine Bekanntheit steigt, dass viele Menschen mich auf der Straße erkennen, dass ich sehr viele, sehr gute Gespräche führe – und insofern bin ich sehr zuversichtlich.
ÖVP-Chef Karl Mahrer ist auch in der Opposition, ähnlich lang im Amt wie Sie, er ist aber nur 18 Prozent unbekannt. Macht er etwas besser als Sie?
Nein, das glaube ich nicht. Ich bin vor fünf Jahren in die Politik quer eingestiegen. Ich bin noch nicht so lange in der Politik oder in der Öffentlichkeit, aber ich versuche, durch meine Arbeit zu überzeugen und durch das, was ich repräsentiere.
Für alle Personen, die Sie noch nicht kennen, in einem Satz: Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Politikerin Judith Pühringer?
Ich bin klimasoziale Politikerin, die Verknüpfung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit liegt in meiner DNA, und ich bin auch eine Brückenbauerin, bekannt für Handschlagqualität und auch für große Kompromissfähigkeit.
Wenn Sachen nicht ganz so geplant verlaufen oder auch Hoppalas passieren, steigt die Bekanntheit. Bei Ihnen: In einem ZiB2-Interview hat ein Verhaspler so geklungen, als würden Sie BäumInnen sagen, was für Aufregung gesorgt hat. Gendern Sie privat Bäume?
Nein, ich habe das auch während des ZiB2-Interviews nicht gemacht. Ich war aber sehr froh darüber, dass es sich wirklich viele Menschen angeschaut haben und ich auch Gelegenheit hatte, unsere Vorschläge einem breiten Publikum vorzustellen. Insofern habe ich das total mit Humor genommen.
Im Wahlkampf ist auffallend, dass viele Parteien ähnliche Themen ansprechen: Sicherheit, Bildung, Gesundheit. Gibt es zwischen den Parteien noch Unterschiede?
Es sind die Themen, die drängend sind und auch viele Wienerinnen und Wiener beschäftigen. Wie auch das Thema Wohnen. Da spüren die Menschen die Teuerung am allermeisten.
Wohnen ist traditionell von der SPÖ besetzt, auch die FPÖ ist da ganz stark. Wie wollen Sie hier Meter machen?
Das Thema Wohnen gehört keiner Partei, es gehört den Wienerinnen und Wienern. Wir sehen gerade, dass die SPÖ gerade ihr Erbe verspielt. Die Gewissheit, dass leistbares Wohnen möglich ist, geht für viele Wienerinnen und Wiener gerade verloren. Und da haben wir viele Vorschläge gemacht.
Zum Beispiel?
Niemand in Wien soll mehr als ein Viertel seines Monatseinkommens fürs Wohnen ausgeben müssen. Davon sind wir gerade weit entfernt. Wie schaffen wir das? Rascher Einstieg in erneuerbare Energien, das ist günstiger, klimafreundlich, aber auch gut fürs Geldbörsel. Ein anderer wesentlicher Punkt: Wir haben in Wien bis zu 80.000 Wohnungen, die leer stehen. Das sind Wohnungen die nicht für leistbares Wohnen zur Verfügung stehen. Wenn Wohnraum leer stehen gelassen wird, weil damit spekuliert wird, dann soll es auch eine Abgabe geben. Ich bin überzeugt davon, dass Leerstand die Mieten in die Höhe treibt, und wir müssen ihn bekämpfen. Die Grünen sind die Einzigen, die das in einer Koalition mit der SPÖ umsetzen können, weil ÖVP und Neos strikt dagegen sind.
Judith Pühringer (Grüne) im Gespräch mit Chronik-Ressortleiterin Agnes Preusser.
Die vorher schon angesprochene OGM-Umfrage besagt, dass sich 42 Prozent der Wienerinnen und Wiener weniger sicher in der Stadt fühlen als früher und 17 Prozent sogar unsicher. Hat man dieses Thema zu wenig ernst genommen?
Wenn Wienerinnen und Wienern sagen, sie fühlen sich unsicher, ist das zu hundert Prozent ernst zu nehmen. Ich will, dass sich alle Menschen in Wien, vor allem auch Frauen und Mädchen, sicher fühlen können, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch in jedem Bezirk. Dafür braucht man mehr Polizisten, aber auch mehr Grätzelpolizisten, die ihre Umgebung gut kennen und begleitende Sozialarbeit und Streetwork im öffentlichen Raum.
In den vergangenen Tagen wurde die autofreie Innenstadt diskutiert. Das wollen bis auf die FPÖ alle, insbesondere auch die Grünen. Trotzdem steht jetzt der Vorwurf im Raum, dass ausgerechnet die Grünen, nämlich in Form von der ehemaligen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, das Projekt verhindert haben.
Das ist ein absurder Vorwurf, weil wir die verkehrsberuhigte Innere Stadt immer wollten. In Wirklichkeit haben wir den ersten Vorstoß dafür gemacht. Das war aber ein Modell ohne Kameras. SPÖ-Stadträtin Ulli Sima hat einen Vorschlag mit Kameralösung gemacht, für die eine Novelle der Straßenverkehrsordnung nötig ist. Da gibt es datenschutzrechtliche Bedenken. Und genau das war auch Gegenstand der Prüfungen. Vor 2028 ist mit der Kameralösung nicht zur rechnen, aber in der Zwischenzeit hätte man schon sehr, sehr viel machen können. Denken Sie an den 7. Bezirk, da gibt es einen grünen Bezirksvorsteher, der jetzt ohne irgendein Kamerasystem dafür gesorgt hat, dass viele Stellen verkehrsberuhigt sind.
Die Grünen sind seit je her Gegner des Lobautunnels. Sie führen als Alternativen auch eine bessere Straßenbahn-Anbindung ins Treffen. Verstehen Sie, dass die Leute, die in der Donaustadt sehnsüchtig auf eine Entlastung warten, sich über solche Vorschläge ärgern?
Ich verstehe sehr gut, dass sich die Leute in der Donnerstadt eine Lösung wünschen. Der Lobautunnel wird seit 20 Jahren diskutiert, seit 20 Jahren werden Gutachten vorgelegt. Expertinnen und Experten sind sich alle einig: Der Lobautunnel ist die schlechteste aller Varianten. Eine Alternative ist aber ein wirklich guter Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, sodass man wirklich gut umsteigen kann. Da haben wir einen konkreten Plan gemacht, nicht nur mit einer Straßenbahn, sondern mit 17 Straßenbahnlinien, auch über die Stadtgrenzen hinaus, und auch die Schnellbahn S10 (vom Hauptbahnhof bis Stadlau-Gänserndorf, Anmerkung) soll gebaut werden. Man kann sagen, das ist die Parallele zur Südost-Tangente auf Schienen.
Viele Parteien haben trotz aller Kritik die Wien-Liebe in den Fokus gestellt. Darum zum Abschluss: Was lieben Sie in Wien am meisten?
Ich bin eine Wienerin und ich liebe Wien wirklich als Ganzes, aber am Allermeisten liebe ich, dass Wien ein Gebiet ist, wo Wein angebaut wird. Ich glaube, das ist weltweit wirklich einzigartig. Also in den Wiener Weinbergen zu sitzen, bei den Wein-Wandertagen auf Wien zu schauen, das sind so totale Glücksmomente. Ich liebe den Wiener Schmäh, ich liebe auch die Grantigkeit. Aber ich liebe auch die große Solidarität, die es bei den Wienerinnen und Wienern gibt.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Judith Pühringer (Jahrgang 1976) leitet seit 2021 gemeinsam mit Peter Kraus als Doppelspitze die Wiener Grünen. Für die Wienwahl tritt sie auf Listenplatz 1 an und ist darum die Spitzenkandidatin. Pühringer ist selbst in Währing aufgewachsen. Bei den Grünen engagiert sie sich seit 2020 als Quereinsteigerin. Zuvor arbeitete sie als Geschäftsführerin von „arbeit plus“, einem Netzwerk von sozialen Unternehmen. Im Wienwahlkampf 2025 bezeichnete sie sich als Klimasozialdemokratin.
Die Grünen stehen für die Grüne Alternative. Gegründet wurde die Partei 1986 als Zusammenschluss der konservativen Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) und der progressiveren Alternativen Liste Österreichs (ALÖ). Parteifarbe ist Grün. Ihre Wurzeln hat die Partei in der Widerstandsbewegung der 1980er-Jahre gegen das Kraftwerk in Hainburg und das Atomkraftwerk in Zwentendorf. Politisch stehen die Grünen links außen. Sie treten für Ökologie, den Schutz von Minderheiten und für Migration ein. In Wien waren die Grünen von 2010 bis 2020 Koalitionspartner der SPÖ, Spitzenkandidatin bei der Wahl ist Judith Pühringer.
Die Daten der aktuellesten Modal Split Erhebung zeigen: Das mit 34 Prozent meist genutzte Verkehrsmittel der Wiener und Wienerinnen sind die Öffis, sie bilden das Rückgrat des Wiener Mobilitätssystem.
Im „Trend“ ist weiterhin das Zu-Fuß-Gehen: 30 Prozent aller Wege werden zu Fuß zurückgelegt, noch immer liegt dieser Wert über dem Anteil aus Zeiten vor Corona und damit auf einem hohen Niveau. Noch nie seit der ersten Erhebung des Modal Split im Jahr 1993 wurde ein so geringer Anteil an PKW-Nutzung in Wien gemessen. Nur mehr 25 Prozent aller täglichen Wege werden mit dem PKW zurückgelegt.
Im ehemaligen Arbeiterbezirk Favoriten wohnen annähernd so viele Menschen wie in Linz, der drittgrößten Stadt des Landes. Das sind aktuell über 220.300 Menschen, die 11 Prozent der gesamten Wiener Bevölkerung ausmachen. Im Norden des Bezirks befindet sich der Wiener Hauptbahnhof. Im Süden gibt es viele Grünflächen, die rund die Hälfte der Bezirksflächen ausmachen. 85 Parks gibt es insgesamt in Favoriten und über 5.000 Hunde leben im Bezirk. Der Bezirksvorsteher ist Marcus Franz (SPÖ).
Kommentare