Absicht oder Hoppala? Die umstrittene Wahlkampagne der Wiener ÖVP

Absicht oder Hoppala? Die umstrittene Wahlkampagne der Wiener ÖVP
Das Team rund um Parteichef Karl Mahrer sorgt für Gesprächsstoff. Die ÖVP Wien stolpert von einem Aufreger zum nächsten.

Manches wirkt wie ein Unfall, manches konzertiert: Die Wiener ÖVP stolpert mit ihrer mehrteiligen Kampagne von einem Aufreger zum nächsten. Die Wahlplakate wurden von den eigenen Funktionären vor der Präsentation an Medien weitergegeben, um eine Veröffentlichung noch zu verhindern. Sprüche wie „Karl statt Kalifat“ (gemeint ist Parteichef Karl Mahrer) oder „Marchetti statt Machete“ (eine Referenz auf Generalsekretär Nico Marchetti) sind darum nur noch auf den geleakten Fotos zu sehen, nicht aber im Stadtbild. Wobei, zum Macheten-Spruch heißt es von der ÖVP, dass dieser "nie zur Debatte" gestanden sei und Marchetti ja auch gar nicht kandidiere.  

Zu finden sind dafür „Bitte pssst“-Plakate, auf denen nicht klar ersichtlich ist, von wem diese stammen. Darauf unter anderem zu lesen „Bitte denken sie nicht daran, eine andere Partei als die SPÖ zu wählen“. 

Als klar wird, dass sie von der ÖVP stammen, postet Landesgeschäftsführer Peter Sverak über die eigene Kampagne auf der Social-Media-Plattform X: „Wann hört die ÖVP Wien endlich auf mit dem Bitte, pssst“ – später wird er das als „paradoxe Intervention“ bezeichnen. Kurz danach landet Sverak in einem Beitrag der Satire-Sendung Willkommen Österreich, nach einem leicht skurrilen Auftritt auf einer Pressekonferenz, bei der er eine Weltneuheit ankündigte: einen Folder mit Spitzenkandidat Mahrer am Cover.

Absicht oder Hoppala? Die umstrittene Wahlkampagne der Wiener ÖVP

Ein Foto von Karl Mahrer mit dem Bildausschnitt „Bald nicht mehr da“ ging viral, die ÖVP konterte später mit einem „Mahrer bleibt“-Foto (siehe oben).

Guerilla-Taktik

„Als Oppositionspartei seit 25 Jahren ist es schwer, mit Themen durchzukommen“, sagt Sverak zum KURIER, es sei darum von Anfang an eine Guerilla-Taktik geplant gewesen. Der vorgezogene Wahlkampftermin – ursprünglich war dieser für Herbst geplant – habe aber einige Änderungen mit sich gebracht. Wer hinter den „Bitte pssst“-Plakaten steckt, hätte monatelang nicht aufgelöst werden sollen, damit sie zum Stadtgespräch werden. Dass Sverak besagtes Posting absetzte, war ein Versuch, erhoffte Aufmerksamkeit anders zu erzeugen.

Auch ein anderes Konzept musste verworfen werden: Die erste Phase wäre unter dem Motto „Wien bleibt Wien“ gestanden – zentral wäre dabei gewesen, sich als Wiener ÖVP von der Bundespartei abzugrenzen. Mahrer hat nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegen FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl gemacht. Nachdem es doch zu keiner blau-türkisen Regierung gekommen ist, sei diese „Distanzierung nicht mehr notwendig gewesen“, so Sverak.

Die Willkommen-Österreich-Parodie war natürlich ebenfalls nicht eingeplant, nimmt Sverak aber mit Humor. „Es ist ein Ritterschlag, wenn du als Politiker persifliert wirst“.

Verärgerung

Wirklich geärgert habe sich Sverak bisher nur über die Sache mit den Wahlplakaten, weil die von intern torpediert wurden. Man habe sich schon vor dem Leak selbst eingestanden, dass einige der Sprüche eigentlich keinen Sinn ergeben“.

Andere sind trotzdem geblieben und sind nicht minder umstritten. „Deutsch ist Pflicht, Habibi“ zum Beispiel.

Auffallen um jeden Preis ist aber nicht überall der Fall, denn auch die aufmerksamkeitsheischendste Kampagne hat Grenzen. Während die „Habibi“-Plakate etwa sehr wohl in Favoriten hängen, sucht man sie in der Inneren Stadt vergebens. Die bürgerliche Klientel will man mit der „paradoxen Intervention“ also nicht verschrecken.

 

Hinweis: Die Stellungnahme der ÖVP zur Aussage „Marchetti statt Machete“ wurde nachträglich ergänzt.

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

Karl Mahrer (Jahrgang 1955) ist Wiens ÖVP-Chef - er übernahm die Stadttürkisen nach dem Rücktritt von Gernot Blümel im Jahr 2021. Mahrer hat seine Wurzeln bei der Polizei, er war unter anderem Vizepräsident der Landespolizeidirektion Wien. Von 2019 bis 2021 war er Sicherheitssprecher des ÖVP-Parlamentsklub. In dieser Funktion folgte ihm Christian Stocker, derzeitiger Bundeskanzler, nach. Mitten im Wienwahhlkampf 2025 erhob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Untreue in der Causa Wienwert Anklage gegen Mahrer. Dieser beteuert seine Unschuld.

ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.

Die Innere Stadt ist das historische Zentrum Wiens und gehört zur gleichnamigen UNESCO-Welterbestätte. Sie war schon im Jahr 97 als römisches Legionslager besiedelt. Mit 16.538 Einwohnern ist sie der bevölkerungsärmste Bezirk der Stadt - im Jahr 1880 lebten auf ihrem Gebiet 73.000 Menschen. Gleichzeitig pendeln täglich über 114.000 Menschen zum Arbeiten in den Bezirk. Die PKW-Dichte ist im Wien-Schnitt sehr hoch: Pro 100 Menschen gibt es in der Inneren Stadt 98 Autos. Bezirksvorsteher ist Markus Figl (ÖVP).

Im ehemaligen Arbeiterbezirk Favoriten wohnen annähernd so viele Menschen wie in Linz, der drittgrößten Stadt des Landes. Das sind aktuell über 220.300 Menschen, die 11 Prozent der gesamten Wiener Bevölkerung ausmachen. Im Norden des Bezirks befindet sich der Wiener Hauptbahnhof. Im Süden gibt es viele Grünflächen, die rund die Hälfte der Bezirksflächen ausmachen. 85 Parks gibt es insgesamt in Favoriten und über 5.000 Hunde leben im Bezirk. Der Bezirksvorsteher ist Marcus Franz (SPÖ).

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