"Gibt es das Kent noch?" Mit Andreas Babler auf Wahlkampf-Tour in Ottakring

Die U3-Endstation Ottakring in der abendlichen Rush Hour: Alle paar Minuten eilt ein Schwall von Menschen durch den Ausgang, der auf den kleinen Vorplatz samt Gemüsemarkt führt. Der ideale Ort für den klassischen Straßenwahlkampf. Und so haben an diesem Mittwochabend gleich drei Parteien hier ihre Stände aufgebaut. Die SPÖ, daneben die KPÖ und mit nur wenigen Metern Respektabstand die FPÖ, die ihre blauen Ostereier verteilt.
Wobei blau und dunkelrot rasch ins Hintertreffen geraten angesichts der Wahlkampf-Armada, die die SPÖ ins Rennen geschickt hat. Die roten Flyer-Verteiler rund um Bezirksvorsteherin Stefanie Lamp erhalten mit Kathrin Gaal und Ulli Sima Verstärkung durch gleich zwei Stadträtinnen.
Dann, mit einer halben Stunde Verspätung, taucht ein noch prominenterer Wahlhelfer auf. Stunden zuvor hatte Andreas Babler im Bundeskanzleramt den Medien noch das Arbeitsmarktpaket der Regierung erklärt, jetzt gibt er in Jeans und Freizeitkleidung den legeren Kommunal-Wahlkämpfer, der für die „Steffi“ die Werbetrommel rührt.
Entspannt auf vertrautem Terrain
Was bei manch anderem Politikern ungelenk wirken würde, scheint beim ehemaligen Traiskirchner Bürgermeister und nunmehrigen Vizekanzler durchaus zu funktionieren. Er wirkt wesentlich entspannter als bei seinen offiziellen bundespolitischen Terminen. Was damit zu tun haben könnte, dass Ottakring für Babler gewissermaßen ein Heimspiel ist. Zwischen den Genossen im 16. Bezirk und in Traiskirchen bestehen seit jeher enge Kontakte, der politische Kurs des Parteichefs kommt im rot-grün dominierten, von Migranten, Studenten und Jungfamilien geprägten Bezirk ohnehin gut an. Was man nicht von allen Wiener Bezirken behaupten kann. Geschweige denn von manch anderem Bundesland.
Hier ist Babler jedenfalls unter seinesgleichen. Er begrüßt die Genossen mit Umarmungen und High fives, ehe er selbst zu den zu den Flyern und SPÖ-Sackerln greift, um sie an die Passanten zu verteilen. Etliche bleiben stehen und machen ein Selfie mit dem SPÖ-Chef. „Ich folge Ihnen auf TikTok, es ist so cool was Sie machen“, ist eine Studentin begeistert. Andere schildern Babler ihre Alltagsprobleme.

Nach etlichen Wahlkampf-Touren durch die Bezirke scheint er sich inhaltliche Grundkenntnisse angeeignet zu haben, etwa wenn es um den Wiener Dauerbrenner Verkehrsberuhigung geht: „Die Gumpendorfer Straße wird zur nächsten Reinprechtsdorfer Straße“, verspricht er einem Jugendlichen, der mit ihm über die Umgestaltung der Hauptstraße durch den 6. Bezirk reden will.
"Spürbare Politik"
„Das hier ist spürbare Politik“, erklärt Babler während einer kurzen Pause dem KURIER. Spürbar würden aber auch bald die Schritte der neuen Bundesregierung werden, etwa der Eingriff in die Mietpreise, den der SPÖ-Chef „historisch“ nennt.
Nach einer halben Stunde Smalltalk mit Genossen und Passanten geht es mit dem 46er über die Thaliastraße zum Brunnenmarkt. Es mag am Outfit und am lockeren Auftreten des SPÖ-Chefs liegen, dass unterwegs viele von ihm keine Notiz nehmen, so als ob sie ihn gar nicht erkennen würden.

Das ändert sich dann am Markt selbst. Gerne lassen die Standler sich mit Babler ablichten und reichen ihm Kostproben ihrer orientalischen Spezialitäten wie Fladenbrote und Falafel. „Gibt es das Kent noch?“, beweist der SPÖ-Chef auch kulinarische Ortskenntnisse.
Für Babler ist Wien jedenfalls als Stadt ein Vorbild, wie er unterwegs gegenüber dem KURIER betont. „Sei es bei den Mietpreisen, der Infrastruktur oder der Gesundheitsversorgung.“ Bürgermeister Michael Ludwig stehe ganz in der Tradition all dieser kommunalpolitischen Errungenschaften. „Man denke nur an den Gratis-Eintritt für das Wien Museum.“

Freilich: Vor wenigen Wochen stritten die Bundes- und die Wiener Landespartei noch um die Besetzung des Finanzministeriums. Heute spielt Babler den Konflikt herunter: „Ich habe ein Vorschlag gemacht und der wurde parteiintern angenommen.“ Obendrein sei Ex-Stadtrat Peter Hanke eine Top-Besetzung im Infrastrukturministerium.
Und so soll es im Laufe des Wahlkampfs noch den einen oder anderen gemeinsamen Auftritt mit dem Bürgermeister geben, verspricht Babler. Bei so viel Harmonie sollte dem nichts entgegenstehen.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot.
In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.
Der SPÖ-Politiker Michael Ludwig (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Wiener Bürgermeister. Aufgewachsen ist Ludwig in einem Gemeindebau in Floridsdorf. Der 21. Bezirk hat seine politische Laufbahn geprägt: Der studierte Historiker startete dort 1994 als Bezirksrat. Später war er Wohnbaustadtrat unter seinem Vorgänger Michael Häupl. Ludwig gilt als scharfer Kritiker des Rechtskurses der FPÖ, insbesondere deren Bundeschef Herbert Kickl. In seiner ersten Regierungszeit koalierte er mit den Wiener Neos.
Ottakring ist seit 1892 der 16. Wiener Gemeindebezirk. Er wurde aus den Gemeinden Ottakring und Neulerchenfeld gebildet. Auf der Bezirksfläche von 8,7 km² leben 102.700 Menschen und über 2.000 Hunde. Der Brunnenmarkt im Yppenviertel ist der längste Straßenmarkt der Stadt. Neben dem Brunnenmarkt und Wilhelminenberg kennt man Ottakring außerdem für das gleichnamige Bier. Das Ottakringer-Bier wird immer noch in der Großbrauerrei im 16. Bezirk hergestellt. Bezirksvorsteherin ist Stefanie Lamp (SPÖ).
Ulli Sima(Jahrgang 1968) ist Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität. Seit 2004 ist sie für die SPÖ in der Wiener Landesregierung. Davor war sie Nationalratsabgeordnete sowie Mitarbeiterin bei Global 2000.
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