Wählen in Wien: Von der Dekorationsstätte zur Weinschenke
Wiens exotischste Wahllokale
Die Wahllokale öffneten am Sonntag gegen 7 Uhr. Um diese Zeit war Wien noch relativ leer. Vereinzelt waren Pensionisten auf den Straßen unterwegs. Wenige spazierten mit ihren Hunden durch die Gassen. Mit den 382.214 Wahlkarten ist dieses Jahr eine neue Höchstmarke bei Wiener Wahlen aufgestellt worden.
Und bis 9 Uhr konnte man seine Wahlkarte noch in einen der 1.100 Briefkasten werfen. Die Post hat dafür zusätzliches Personal abgestellt und mehr als 40 zusätzliche Briefkästen an stark frequentierten Stellen – wie etwa am Naschmarkt – aufgestellt. Dort sah man am frühen Morgen nur mehr einzelne Personen, die noch schnell und anonym, die Wahlkarte einwarfen. Die Briefkästen wurden mit Aufklebern ausgestattet, auf denen der letzte Entleerungszeitpunkt für die fristgerechte Briefwahl zu finden ist.
Außergewöhnliches Wahllokal
Viele gingen also doch noch zur Urne in den insgesamt 1.494 Wiener Wahllokalen. So manches dieser Wahllokale findet man an außergewöhnlichen Orten. Der KURIER besuchte vier davon: eine Theaterwerkstätte, eine Bücherei, eine Baumschule und zu guter Letzt, eine Weinschenke.
Wählen beim größten Künstleratelier Europas
Mitten im historischen Grüngebiet Arsenal, im ehemals militärischen Gebäudekomplex im 3. Wiener Gemeindebezirk, befindet sich nicht nur ein Park und das in Backstein gehaltene Heeresgeschichtliche Museum, sondern auch die Theaterwerkstätte von Art vor Art (3., Dekorationswerkstätten, Arsenal Objekt 19).
Die Dekorationswerkstätten zählen mit einer Fläche von 15.000m² zu den größten Europas. Hier entstehen normalerweise die Bühnen und Requisiten für die Wiener Staatsoper, die Volksoper, das Burgtheater und andere International bedeutende Theater.
Am Eingang ist an diesem Sonntag aber eine hohe Fluktuation an Menschen, die kommen und gehen. Sie sind hier zum Wählen. "Hier im Arsenal ist es immer schön zu wählen", weiß Johanna Reim.
"Wählen als Pflicht"
Die 81-jährige ist mit einem kleinen Koffer ausgestattet: "Ich habe extra den Zug so gebucht, dass ich noch wählen konnte", für sie geht es direkt von der Wahlkabine mit dem Zug nach Rom.
Florian Kreuzer, der Student für Logistik und Transportmanagement, kommt eigentlich aus Zwettl und wählt das erste Mal in Wien: "Für mich ist es eine Pflicht, aber die Location hier ist super."
Baumschule in Mauerbach: Zwischen Bäumen die Zukunft wählen
Am anderen Ende von Wien - weit nach der U-Bahn Station Ober St. Veit - kommt man in Mauerbach an. Hier kommt es zu regem Ein- und Ausparken mitten im Wienerwald, aber noch vor der Stadtgrenze.
Auf rund 180.000 Quadratmeter (14., Mauerbachstraße 66) werden auf dem Terrain Bäume gezüchtet. Hier soll es für die Pflanzen klimatisch besonders geeignet sein. Die Wähler dürfen in dem kleinen Forsthaus am Eingang der Baumschule, die zur Stadt Wien gehört, zur Wahlurne schreiten.
Für die Demokratie
"Normalerweise fahre ich hier immer vorbei, es ist schön die Baumschule auch von innen zu sehen", sagt Walter Mayrhofer. Der 53-jährige Professor für "Digitalisierung" würde sich für diese Wahl wünschen, dass es zu einem Wechsel im Machtgefüge komme, denn das sei wichtig für die Demokratie.
Dass es eines der schönsten Wahllokale sei, meint auch Stephanie Friedreich. Die 28-jährige Produktmanagerin hat so gewählt wie immer, denn das sei "sicher das Beste für die Stadt". Für wen sie das Kreuz gemacht hat, wollte sie jedoch nicht verraten.
Bücherei Sandleiten: Kein Buch sondern eine Partei auswählen
Mitten in Ottakring, umringt von Gemeindebauten findet man die Bücherei Sandleiten (16., Rosa-Luxemburg-Gasse 4). Dieses Jahr wurde auch erstmals die Bücherei Sandleiten in ein Wahllokal umfunktioniert. Auf dem idyllischen Vorplatz in Ottakring steht ein Brunnen. Eine Statue eines kleinen Jungen, in Bronze gehalten, steht dort mit zahlreichen Büchern in den Händen.
Nur ohne Hund in die Wahlkabine
Eine Frau spaziert mit ihrem Hund vorbei. "Ich gehe nicht wählen, das sind doch alles Selbstdarsteller", erklärt sie. Sie verzichtet lieber gleich auf ihre Stimmenabgabe, aber sie möchte dennoch den Wahlausgang im Fernsehen verfolgen.
Vor der Bücherei reinigt ein Mann die Türklinke, er ist Teil der Sprengelwahlbehörde. Ein anderer Mitarbeiter hält einen Husky an einer Leine. "Das ist nicht meiner", sagt er. Er gehört einer Wählerin, denn mit einem Hund darf man nicht wählen, ergänzt er.
"Normalerweise wählen wir woanders, aber sie haben uns wohl wegen Corona hierher versetzt", erklärt die Hundebesitzerin Jasmin Vögele. Dei 39-jährige EDV-Technikerin findet die Bücherei interessant: "Man geht ja eher selten in eine Bücherei heutzutage. Ich bin dafür, dass die kleinen Parteien gewinnen und hoffe sie werden dieses Jahr besser aussteigen.“
Wählen in der Weinschenke "Zur blauen Nosn"
Unweit von der Bücherei entfernt - auch in Ottakring - findet man ein weiteres spannendes Wahllokal.
Neben dem Friedhof in der Johann-Staudgasse 9 A, befindet sich inmitten der Schrebergärten ein kleiner Heurigen. "Zur blauen Nosn" steht am grünen Zaun geschrieben. Normalerweise gibt es hier ein kaltes und warmes Heurigenbuffet, sowie warmen Kümmelbraten. Diesmal wählt man auch hier zwischen den bekannten Parteien.
"Wir dachten das sei ein Scherz, als wir die Wahlkarte erhielten", sagt das Karin Siegert. Die 51-Jährige kommt ursprünglich aus Deutschland. "Ich lebe seit 20 Jahren hier und durfte nur für den Bezirk wählen, es wäre natürlich schön auch für die Stadt wählen zu können, nach so vielen Jahren hier", sagt sie.
Ein Schluck Sturm nach der Wahl
Den Heurigen empfindet sie als "urigen Ort" zum Wählen. Sogar Sturm wird einem nach der Wahl angeboten, das war ihr jedoch zu Früh. Für den 81-jährigen Roland Schmutzenhofer kommt der Sturm gerade rechtzeitig. Nach der Wahl trinkt er den Sturm mit Freude. Mit etwas Wehmut sagt er: "Die Stimme der Älteren zählt nicht mehr so, sonder eher die der jungen Menschen. Aber es ist dennoch wichtig wählen zu gehen."
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