Wien-Wahl 2015: Eine Braut, zwei Bräutigame

Wenn es keine dramatischen Überraschungen gibt, wird bei der Wien-Wahl 2015 die SPÖ vor der FPÖ ins Ziel gehen.
Nach internen Konflikten ist eine Neuauflage von Rot-Grün alles andere als ausgemacht. Die ÖVP wittert Morgenluft und setzt auf ihre Wirtschaftskompetenz.

Die beiden ersten Plätze sind so gut wie fix vergeben. Sollte es keine dramatischen Überraschungen geben, wird bei der Wien-Wahl 2015 die SPÖ vor der FPÖ ins Ziel gehen. Spannend wird aber das Rennen um den dritten Stockerlplatz zwischen ÖVP und Grünen. Gerade einmal 1,3 Prozent lagen die beiden Parteien bei der Wahl 2010 auseinander, aktuelle Umfragen sagen ein ähnlich knappes Ergebnis voraus.

Wien-Wahl 2015: Eine Braut, zwei Bräutigame
Noch spannender ist allerdings die Frage, wer der beiden künftig den Juniorpartner der SPÖ spielen darf. Denn eine Neuauflage von Rot-Grün ist alles andere als eine ausgemachte Sache. Während die Grünen auf die Umsetzung fast aller ihrer Prestigeprojekte verweisen können, hat der SPÖ die Koalition ganz offensichtlich nicht gutgetan: In Umfragen ist sie längst auf unter 40 Prozent abgerutscht. Vor allem die roten Funktionäre in den großen Flächenbezirken murren über die grüne Verkehrspolitik, die der Basis zuwiderläuft. Und seit zuletzt Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die SPÖ öffentlich in Sachen Wahlrechtsreform unter Druck gesetzt hat, hängt der Haussegen endgültig schief.

Eine Chance für die ÖVP, die für die SPÖ wohl einen wesentlich bequemeren Regierungspartner abgeben würde. "Die ÖVP will unbedingt in eine Regierungsbeteiligung", analysiert der Politologe Peter Filzmaier. Sie sei die einzige Chance auf einen nachhaltigen Veränderungsprozess innerhalb der Schwarzen, die in Wien angesichts der neuen Konkurrenz durch die Neos zu einer Kleinpartei zu schrumpfen drohen. In Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit und -verschuldung wird sie versuchen, ihre Wirtschaftskompetenz hervorzustreichen.

Opposition ist keine Option

Doch auch der Spielraum der Grünen ist in den anstehenden Regierungsverhandlungen nicht allzu groß. Nach einer Serie von Wahlerfolgen und Regierungsbeteiligungen in anderen Bundesländern würde es ihnen sehr schwerfallen, ausgerechnet in Wien von der Regierungs- auf die Oppositionsbank wechseln zu müssen. Ihnen wäre es lieber, gleich die nächsten 15 Jahre mit der SPÖ weiterzuregieren, wie es Klubchef David Ellensohn im Herbst formulierte.

Einen Vorteil haben die Grünen: Selbst auf Bezirksebene präsentieren sie sich geeinter als je zuvor. Unmittelbar vor der Wahl 2010 mussten sie noch Parteispaltungen in Mariahilf und in der Josefstadt hinnehmen, wodurch sie die Chancen verspielten, in diesen Bezirken den ersten Platz zu erobern.

Vor einer ähnlichen Situation steht jetzt die ÖVP: Gegen ihren Willen hat der Bezirksparteivorstand im November beschlossen, Ursula Stenzel nicht als Spitzenkandidation für die Wahl 2015 aufzustellen. Möglicherweise tritt sie jetzt mit einer eigenen Liste an, womit es für die ÖVP schwer werden würde, den Sieg in der City zu erringen.

KURIER: Herr Juraczka, warum sollte man bei der kommenden Wahl die Wiener ÖVP wählen?
Manfred Juraczka:
Wer in Wien eine starke bürgerliche Kraft und keine weiteren fünf Jahre Rot-Grün will, kann seine Stimme nur der ÖVP geben.

Das waren zuletzt nicht gerade viele. Bei der letzten Wahl holten Sie 13,99 Prozent. Mit welchen Wahlkampfthema wollen Sie heuer Stimmen gewinnen?
Vor allem der wirtschaftliche Hausverstand muss wieder Einzug in Wien halten. Rot und Grün beschäftigen sich mit der Mariahilfer Straße und Radwegen, vergessen aber auf die großen Themen. Einige Beispiele: Wir haben 135.000 Arbeitslose in Wien, 150.000 Mindestsicherungsbezieher. Dazu hat sich die Gesamtverschuldung in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht.

Was wäre bei einer schwarzen Regierungsbeteiligung anders?
Ich will eine hohe Lebensqualität und Arbeitsplätze. Im Verkehr die Wahlfreiheit statt Bevormundung. In der Bildungspolitik müssen wir uns an die Bedürfnisse unserer Kinder ausrichten. Beim Wohnen soll es für junge Familien auch möglich sein, Eigentum zu erwerben.

Experten sagen, eines der größten Mankos der ÖVP ist Ihre derzeit noch mangelnde Bekanntheit.
Mit jedem Interview steigt meine Bekanntheit. Es kann nicht jeder so lange in der Politik sein wie Häupl oder Strache.

Die Performance der Wiener ÖVP hängt stark vom Bund ab. Werden sich auch Bundespolitiker in Wien engagieren?
Wir haben zwei großartige Politiker im Bund, Gernot Blümel und Sebastian Kurz, die aus dem Herzen der Wiener ÖVP kommen. Ich bin froh, wenn sie für das bürgerliche Wien werben. Auch der Bundesparteichef Mitterlehner und alle Minister sind herzlich eingeladen. Letztendlich bin natürlich ich der Spitzenkandidat, aber mit Unterstützung geht alles im Leben leichter.

KURIER: Zuletzt wurden in der SPÖ die Stimmen gegen eine Fortsetzung der Koalition mit den Grünen lauter. Wie wollen Sie die ÖVP im Wettlauf um die Regierungsbeteiligung ausbremsen?
Maria Vassilakou:
Rot-Grün hat in den vergangenen Jahren sehr viel erreicht. Als Grüne haben wir gezeigt, dass wir halten, was wir versprechen – siehe 365-Euro-Jahreskarte oder Fußgängerzone Mariahilfer Straße. Die Grünen stehen für Veränderung. Die ÖVP und Rot-Schwarz hingegen für althergebrachte Packelei, Proporz und Postenschacher.

Was sind die grünen Themen-Schwerpunkte im Wahlkampf?
Neben Verkehr und Bildung wird es das Thema leistbares Wohnen sein. Man muss sich vor Augen halten, dass in den letzten zehn Jahren die Altbau-Mieten (Kategorie A) um über 60 Prozent gestiegen sind. Bei diesem Thema trennt sich die Spreu vom Weizen: Die FPÖ, die selbst ernannte Partei des kleinen Mannes, will am ungerechten Mietrecht festhalten, ÖVP und Neos wollen den Verkauf von Gemeindewohnungen.

Wien leidet unter Rekord-Arbeitslosigkeit und -verschuldung. Warum ist dazu von den Grünen so wenig zu hören?
Vom Reden über Arbeitslosigkeit entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Wien hat viel investiert, um welche zu schaffen. Es wurden neue Straßen, Wohnungen, Schulen und Spitäler gebaut, Wien setzt auch auf Wachstumsbranchen wie alternative Energien. Gerade in der Krise muss die Stadt investieren. Wiens Bevölkerung wächst jährlich um jene der Stadt Krems. Wer vor diesem Hintergrund Sparkurse einfordert, gefährdet Arbeitsplätze.

Wie sehen die grünen Wahlziele aus?
Wir wollen zulegen und so stark werden, dass wir einen zweiten Stadtrat stellen können. Dazu wollen wir auch noch einige weitere Bezirke ergrünen lassen.

Werden die Grünen die Koalition auflösen, wenn man sich mit der SPÖ nicht über eine Wahlrechtsreform einigt?
Wir werden die Wahlrechtsreform im Jänner abschließen. Die Grünen sind mit ihrem Angebot der SPÖ schon einen großen Schritt entgegengekommen. Jetzt muss die SPÖ, die bisher säumig war, noch ihren Teil beitragen.

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