Wien beschließt brisante Sparmaßnahme: Kritik an fehlender Widmung

Die Erhöhung des Wiener Wohnbauförderbeitrags wirkt sich direkt auf die Geldbörsen der Wienerinnen und Wiener aus.
Das Sparpaket von SPÖ und Neos sorgt in Wien weiterhin für Aufregung. Aktuell ist es die Erhöhung des Wohnbauförderungsbeitrags. Die Abgabe wird von den Bruttolöhnen einbehalten und von bisher 0,5 Prozent auf 0,75 Prozent erhöht.
Einnehmen will die Stadt damit zusätzlich 190 Mio. Euro. Beschlossen wurde die Erhöhung am Donnerstag im Wiener Landtag - für welche Zwecke die Erträge verwendet werden könnten, sorgt jedoch für harte Kritik.
Laut Opposition ist die Widmung der Gelder nämlich viel zu breit gefasst: Laut Beschluss können die Beiträge nicht nur für den Wohnbau und dessen Sanierung, sondern auch "zur Errichtung, Sanierung, Instandhaltung und Verbesserung der sozialen Infrastruktur (bspw. Schulen und Spitäler), einschließlich der Beschaffung von dafür erforderlichen Grundstücken" verwendet werden.
"Allgemeine Steuer" und "Widmung für eh alles"
Laut dem grünen Wohnbausprecher Georg Prack werde die Abgabe damit zu einer "allgemeinen Steuer". Für FPÖ-Chef Dominik Nepp ist es "eine Zweckwidmung für eh alles und damit eine Widmung für nichts".
Bei einem Bruttolohn von 2.000 Euro pro Monat werden künftig 15 Euro abgezogen. Bisher waren es 10 Euro. Pro Jahr sind es also 180 Euro. Sprich: Man hat 60 Euro weniger zur Verfügung.
Der Wert erhöht sich mit der Höhe des Gehalts. Würde man 6.000 Euro Brutto verdienen, muss man pro Jahr 540 Euro – und damit 180 Euro mehr als bisher bezahlen.
Auf Arbeitgeberseite bedeutet das: Ein Betrieb mit 100 Personen, bei dem die Angestellten ein Durchschnittsgehalt von 3.000 Euro brutto haben, musste bisher 1.500 Euro im Monat zahlen. Künftig werden es 2.250 Euro sein. Auf das Jahr gerechnet ist das eine Erhöhung von 9.000 Euro.
Gefordert wird von den Grünen daher eine "echte Zweckwidmung" der Einnahmen für den sozialen Wohnbau. Denn: "Die Einnahmen sind unter Rot-Pink massiv zweckentfremdet worden", wirft Prack der Stadt vor.
Seit 2008 könnten die Bundesländer selbst bestimmen, wofür die Gelder aus der Wohnbauförderung eingesetzt werden können - mit dem Ergebnis, dass weniger in Wohnbauförderung investiert wurde. In Wien habe sich die Zahl der Förderzusagen für gemeinnützige Wohnbauträger in den letzten Jahren halbiert. Von 2020 bis 2022 seien von 600 Mio. Euro an eingenommenen Beiträgen 210 Mio. Euro ins Budget geflossen und eben nicht für Förderung investiert worden.
"Es darf nicht passieren, dass die Stadt Einnahmen aus Wohnbauförderbeiträgen einstreift, um ihre Budgetlöcher zu stopfen", warnt Judith Pühringer, Parteivorsitzende der Grünen. Stattdessen müsse die Stadt endlich eine Leerstandsabgabe einführen.
Großer Sanierungsrückstau in Gemeindebauten
Nepp betont, dass es durch die von der Stadt beschlossenen Erhöhung zu einer direkten Lohnkürzung komme: "Sie betreiben Lohnraub. Jeder, der arbeitet oder Arbeit gibt, wird bestraft."
Das Geld würden von der Stadt zweckentfremdet, anstatt in den Gemeindebauten zu landen, wo es sie für Sanierungen dringend benötigt werde. Verwiesen wurde von Nepp dabei auf den enormen Sanierungsrückstau bei Wiener Wohnen.
Laut Rechnungshofbericht erreichte Wiener Wohnen zwischen 2013 bis 2023 lediglich 45 Prozent der angestrebten Sanierungsrate. Dadurch werden Wohnungen statt alle 30 Jahre, so das gesteckte Ziel, erst nach 67 Jahren saniert.
Von der ÖVP kritisiert Gemeinderat Hannes Taborsky die zusätzlich Belastung für Unternehmer und Arbeitnehmer. Andere Bundesländer würden keine derartigen Erhöhungen umsetzen. Tatsächlich ist Wien das erste Bundesland, das den Beitrag angesichts der budgetären Lage erhöht.
Die Stadt verteidigte die Maßnahme, SPÖ-Gemeinderat Georg Niedermühlbichler bat die Bevölkerung um Verständnis und betonte: "Wir beschließen diese Erhöhung nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie notwendig ist.“
"Müssen Stadt handlungsfähig halten"
Erinnert wurde an die zahlreichen Krisen (Pandemie, Energiekrise, steigende Preise), die auch die Gemeinden treffen und das Budgets stark belaste. „Wir haben weniger Einnahmen und mehr Ausgaben. Wir stehen vor der Aufgabe, unsere Stadt trotz schwieriger Rahmenbedingungen handlungsfähig zu halten", erklärte er.
Wohnen bedeute außerdem mehr als die eigenen vier Wände und schließe auch die Umgebung ein.
Neos-Klubobfrau Selma Arapovic erklärte, dass ihre Partei grundsätzlich gegen Steuererhöhungen sei. Im Rahmen der Koalition habe man sich jedoch darauf verständigt, das Budget zu sanieren.
Neos lehnen Leerstandsabgabe weiter ab
Leistbarer Wohnraum sei eine „absolute Notwendigkeit“, dafür müsse die Finanzierung langfristig abgesichert werden. Arapovic betonte, dass die zusätzlichen Mittel weiterhin für Sanierungen als auch für den Ausbau sozialer Infrastrukturen verwendet werden.
Wien investiere bereits jetzt erhebliche Summen in den leistbaren Wohnbau. Eine zusätzliche Leerstandsabgabe halte sie hingegen nicht für ein sinnvolles Instrument.
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