Schwule und Lesben stehen auf Wiener Kultur

Wien gilt als weltoffen und tolerant – ein Umstand, den auch Touristiker für sich nutzen.

Es ist das schillerndste Ereignis des Jahres: Am 31. Mai findet im Wiener Rathaus wieder der Life Ball statt. Statt in grauer Bürokratie strahlt das Rathaus an diesem Abend farbenfroh. Ein buntes Zeichen im Kampf gegen Aids und gleichzeitig für Toleranz.

Kaum ein Event wird in der internationalen Schwulen- und Lesbenszene derart gefeiert. Ein Ereignis, das Wien weltoffen präsentiert. Was auch die Touristiker freut. Seit Jahren wirbt der Wien Tourismus ganz gezielt um homosexuelle Gäste. Mit Erfolg. Und seit Kurzem mit einer neuen Online-Kampagne.

Imperial

„Das ist eine interessante Zielgruppe. Homosexuelle Paare sind oft finanzstark. Zwei Einkommen, keine Kinder“, erklärt Touristiker Walter Straßer. Und das Wiener Flair spricht sie an. Viel Imperiales, Kunst, Kultur und Theater. „Dazu gutes Essen und guter Wein“, sagt Straßer, „das schätzen solche Paare. Das hat auch eine Befragung gezeigt.“ Das „einschlägige Angebot“, also etwa „schwulenfreundliche“ Hotels oder Lokale, werde zwar gut bewertet, sei aber nicht ausschlaggebend für einen Aufenthalt in Wien. „Da geht’s nur darum, dass man nicht komisch angeschaut wird, wenn man Händchen hält.“

Wie groß der Anteil an homosexuellen Wien-Besuchern ist, ist unbekannt. „Wir fragen unsere Gäste nicht nach ihrer sexuellen Orientierung. Die geht uns nichts an“, sagt Straßer.

Verliebt im Museum

In internationalen Szene-Foren kommt Wien gut weg. Und das verstärken die Touristiker mit entsprechender Werbung. Zuletzt auf der ITB in Berlin, bei der die aktuelle Kampagne „We Are“ vorgestellt wurde. Sechs homosexuelle Paare zeigen ihren Lieblingsplatz in Wien und erzählen dazu ihre Geschichte. Caspar und Kris etwa umarmen sich vor einem T-Rex im Naturhistorischen Museum und erzählen: „Hinter uns der gefährlichste Räuber aller Zeiten. In uns der schönste Zeitvertreib: Liebe. Manchmal schmuggeln wir auch unser eigenes Essen mit hinein, um uns noch heimischer zu fühlen.“

Der Wien Tourismus hat die Zielgruppe relativ früh entdeckt. Seit 1997 ist er Mitglied in der International Gay & Lesbian Association. „Damit waren wir, verglichen mit anderen großen Städten, schon sehr früh dran“, sagt Straßer. „Diese Vorreiterrolle wird auch wahrgenommen.“

Blake Sclanders ist schwul. Dazu steht er. Und das war, beruflich gesehen, auch nie ein Problem. Doch dann verlor er seinen Manager-Job. „Weil ein russischer Geschäftspartner nicht mit einem Homosexuellen zusammenarbeiten wollte“, sagt er.

Dieser Fall liegt nun beim Arbeitsgericht in Wien. „Wir wollen keine Wiedereinstellung. Wir wollen eine Klarstellung, dass das eine Diskriminierung ist“, sagt Rechtsanwältin Sieglinde Gahleitner.

Sclanders, ein gebürtiger Südafrikaner, arbeitete 13 Jahre lang bei Swissport, einem internationalen Flughafen-Logistik-Unternehmen mit 50.000 Mitarbeitern. Erst war Sclanders in Südafrika eingesetzt, später in Deutschland. Private Gründe brachten ihn nach Österreich.

„Ich bekam das Angebot, bei Swissport Österreich zu arbeiten“, erklärt Sclanders. Die Zusage soll vom obersten internationalen Personalchef persönlich gekommen sein. Schriftlichen Vertrag hatte der Manager noch keinen. „Aber das war auch bei den anderen Wechseln so üblich – den bekam ich immer erst ein paar Wochen später.“

Homophob

Doch diesmal sollte es kein „später“ geben. Sclanders sollte den Einstieg von Swissport an einem Moskauer Flughafen organisieren. Doch die Russen durchleuchteten Sclanders, erfuhren von der Homosexualität des Geschäftspartners und erklärten: Mit dem machen wir keine Geschäfte.

Konsequenz: „Es sind keine 18 Stunden vergangen und ich war weg. Die Firma hat nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, mir eine andere Position zu geben“, ist Sclanders fassungslos.

Markus Rumelhart,39, ist der neue Chef von Mariahilf. Im Interview spricht er darüber, wie es ist, erster schwuler Bezirksvorsteher Wiens zu sein, über politische Vorbilder und wie es auf der Mariahilfer Straße weitergehen soll.

KURIER: Mariahilf gilt als Wiens schwulster Bezirk. Sie sind nun Wiens erster schwuler Bezirksvorsteher. Ein Zufall?
Markus Rumelhart: Ja, weil das kein Grund war, dass mir das Vertrauen als Nachfolger von Renate Kaufmann ausgesprochen wurde. Zufall ist es aber insofern keiner, weil ich wie viele andere auch bewusst in diesen Bezirk gezogen bin. Natürlich engagiert man sich dort politisch, wo man wohnt.

Warum liegt Mariahilf gerade bei Homosexuellen im Trend?
Der Bezirk hat eine dichte Urbanität zwischen Mariahilfer Straße und Naschmarkt mit toller Gastronomie. Es sind auch viele Nachtlokale in der Gegend. Und seit vielen Jahren wird hier eine Politik gemacht, die Akzeptanz und Vielfalt zum Thema hat.

Wien Tourismus wirbt derzeit im Ausland gezielt unter Schwulen und Lesben für einen Wien-Besuch. Ist Wien so weltoffen?
Ich denke schon, dass wir dieses Image haben. Wir haben aber auch sehr viel Kunst, Kultur und Kulinarik zu bieten. Das ist für jeden Urlauber interessant.

Ist Wien in den letzten Jahren toleranter geworden?
Persönlich habe ich Wien nie intolerant erlebt. Aber wir entwickeln uns weiter. Bei meiner Nominierung als Bezirksvorsteher war die Frage, ob ich schwul bin, überhaupt kein Thema. Das ist ein Erfolg.

Sie sind relativ jung in der Politik. Wer sind Ihre Vorbilder?
Ich finde den Bürgermeister großartig. Aber auch die Stadträtinnen Brauner, Frauenberger, Wehsely oder eben Renate Kaufmann. Diese Powerfrauen inspirieren auch mich als Mann.

Als Bezirksvorsteher haben Sie die Mariahilfer Straße geerbt. Viele haben gegen die Fußgängerzone gestimmt. Wie wollen Sie die überzeugen?
Die Frage ist, wogegen sie gestimmt haben. Wenn die Ablehnung vor allem durch die bisherige Umsetzung und die Kommunikation entstanden ist, kann jetzt noch viel verbessert werden.

Ihre Vorgängerin Renate Kaufmann hat sich gegen Querungen ausgesprochen. Wie stehen Sie zur Öffnung der Querungen?
Ich habe von ihr nie gehört, dass sie gegen alle Querungen ist. Wir haben die Anrainer dazu befragt, die wollten weniger Verkehrslärm. Jetzt ist die Frage, wo und wie Querungen geöffnet werden. Jemand, der in Mariahilf arbeitet oder lebt, muss ohne große Umwege queren können. Was wir aber auch gesehen haben: Die Anrainer wollen keinen Durchzugsverkehr.

Für viele Anrainer hat der Naschmarkt in den letzten Jahren vom Angebot her verloren. Wie wollen Sie das ändern?
Wir versuchen, mehr Kultur reinzubringen, um mehr Wiener hinzulocken, die dort einkaufen und so durch die Nachfrage den Angebotsmix positiv verändern.

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