Gemeinsam mit seiner Frau wollte Thomas Schweihofer endlich seinen Gutschein von 150 Euro für das Fine Dining Restaurant Konstantin Filippou einlösen. Um einen Tisch für 20. September zu reservieren, spazierte er zu dem Lokal in der Wiener Innenstadt.
"Dort hab ich dann wie üblich meine Personaldaten angegeben. Und am Schluss sagt die Angestellte, eher so nebenbei, dass bei Absagen unter 48 Stunden pro Person Gebühren von 200 Euro berechnet werden", schildert der gebürtige Deutsche.
Wie die Lokalbetreiber die hohe Stornogebühr rechtfertigen
Was ein Jurist dazu sagt
In welchen Lokalen die Gebühr noch höher ist
Wie andere Gastwirte mit der Problematik umgehen
Per Email werde noch eine Termin-Bestätigung verschickt, die Reservierung werde aber erst gültig, wenn der Gast seine Kreditkartennummer hinterlegt. "Also so etwas Dreistes hab' ich in meinem Leben überhaupt noch nie erlebt. Auch in Großstädten wie Berlin, Dublin oder London werden in Nobelrestaurants nie so hohe Stornierungsgebühren verrechnet", ärgert sich Schweihofer.
Die 200 Euro von Filippou ist aber gar nicht die höchste Stornierungsgebühr in Wien, wie Recherchen ergaben.
Das Konstantin Filippou gibt es seit elf Jahren, ausgezeichnet wurde es mit zwei Michelin Sternen. "Wir bereiten alle Gerichte am selben Tag frisch zu. Es gibt bei uns keine Kühlhäuser, wir können die Ware also verwerfen, wenn die Gäste nicht kommen. Wenn ein Gast zu uns kommen möchte, dann kann ich ihm seine Risiken nicht abnehmen", sagt Manuela Filippou, die gemeinsam mit ihrem Mann das Lokal führt, auf KURIER-Anfrage.
Hohe Menü-Preise
Die hohen Stornokosten erklärt die Unternehmerin mit dem Preis der Menüs: Ein Acht-Gänge-Menü kostet derzeit 285 Euro, ein Sieben-Gänge-Menü macht 265 Euro aus.
"Ich bin eine Privatperson, wir haben keine Investoren. Also wenn jemand reserviert, und dann den Flug verpasst, oder das Kindermädchen hat keine Zeit oder man bricht sich den Fuß, und das alles passiert bis 48 Stunden vor seiner Reservierung, hab ich den ganzen Prozess schon im Gange, wo ich die Waren für den Gast eingekauft habe. Aus der Erfahrung der vergangenen elf Jahre wissen wir auch, dass es in dieser Zeitspanne kaum möglich sein wird, den Tisch nach zu besetzen", erklärt Filippou.
Thomas Schweihofer kann durchaus nachvollziehen, dass Lokale Stornierungsgebühren für kurzfristige Absagen verlangen. Nur den geforderten Betrag kann er nicht verstehen: "Der Mindest-Lunch kostet dort 70 Euro. Summen in dieser Höhe wären meiner Meinung nach angebracht, den Gästen zu verrechnen. Oder wenn ich einen Gutschein habe, dann zumindest zu sagen, der Gutschein verfällt."
"Ein richtiges Geschäftsmodell"
Er habe im Lokal nämlich extra nachgefragt, was bei kurzfristigen Absagen passiere, wenn man mit einem Gutschein bezahlen wolle. "Auch dann fällt die Gebühr an. Das ist ja ein richtiges Geschäftsmodell", echauffierte sich Schweihofer. Er habe daraufhin entschieden, seinen Gutschein an jemanden anderen zu verschenken. "Da geh' ich nie wieder hin."
Einseitige Absage
„Ob so hohe Stornogebühren im rechtlichen Rahmen sind, ist immer eine Frage der vertraglichen Gestaltung. Wenn ich einen Werkvertrag abschließe, und einseitig absage, muss ich grundsätzlich schon dafür aufkommen, was ich zu zahlen gehabt hätte. In einem Restaurant ruf ich aber an und will einen Tisch. Ich sag‘ ja noch nicht konkret, was ich essen will, also der Betrag ist noch gar nicht festgelegt. Deswegen ist es seitens des Restaurants schwierig zu sagen, auf diese Summe hätte ich Anspruch gehabt. Es kann ja sein, dass Gäste nur zum Aperitif oder Café trinken ins Lokal kommen."
Einzelfall muss überprüft werden: Sind Klauseln gröblich benachteiligend?
Aus der Beratung wisse man bei der Arbeiterkammer aber, dass Lokale die Frage nach Stornogebühren häufig in ihren Geschäftsbedingungen per Klausel verankern: Also wenn man nicht erscheint, muss man etwas zahlen. "Diese Geschäftsbedingungen sind vielen Kunden gar nicht zugänglich, etwa wenn sie telefonisch reservieren. Und zweitens muss man prüfen, ob diese Klauseln nicht gröblich benachteiligend sind, wenn die Summe überdurchschnittlich hoch ist. Stornokosten sind aber nicht nur in der Gastronomie gebräuchlich, sondern etwa auch bei Ärzten oder Friseuren“, sagt die Juristin.
Manuela Filippou kann den Ärger mancher Gäste zwar nachvollziehen, betont aber gleichzeitig, dass die Stornogebühr von 200 Euro pro Person nur sehr selten tatsächlich verrechnet wird. Das System funktioniere, anders als das zu Beginn ihrer Gastro-Karriere der Fall gewesen sei.
"Am Anfang hatten wir keine Gebühren. Da gab es dann einen Abend, wo vier von zehn Tischen nicht besetzt waren. Wenn mir das jede Woche einmal passiert, dann kann ich zusperren, da bleib ich auf 40 Prozent meines Umsatzes sitzen", sagt die Unternehmerin. Sie sei schließlich für 40 Mitarbeiter verantwortlich.
Außerdem sei dieses Vorgehen in der Spitzengastronomie weltweit bereits üblich, auch viele Lokale in Wien würden hohe Gebühren verlangen. Konkrete Namen wollte Filippou keine nennen.
250 Euro pro Person im Steirereck
Was aber auch nicht nötig ist, der KURIER hat nachgeschaut. Im Steirereck fallen etwa noch höhere Kosten an. "Bei einer Stornierung innerhalb von 48 Stunden oder Nichterscheinen, erlauben wir eine Gebühr von 250 Euro pro Person in Rechnung zu stellen", wird man informiert, wenn man online einen Tisch reservieren will. Zusätzlich müssen die Kreditkartendaten des Gastes angegeben werden. Eine Anfrage des KURIER blieb bisher unbeantwortet.
Im Februar verlangte das Nobel-Lokal noch 150 Euro pro Person für eine Stornierung. Journalist Hannes Auer veröffentlichte damals die Reservierungsbestätigung einer Bekannten auf Twitter - und löste daraufhin heftige Diskussion vor allem in den Sozialen Medien aus.
Einen anderen Weg wählt Sören Herzig, der das gleichnamige Restaurant in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus leitet: Hier müssen Gäste keine Stornierungsgebühr bezahlen. "Wir haben 2019 damit begonnen, eine Stornogebühr einzuführen, hatten aber eher negative Erfahrungen damit gemacht und den Gast damit eher verärgert", sagte Sören Herzig auf KURIER-Anfrage.
Der Spitzenkoch habe aber die Erfahrung gemacht, dass er ohne Stornierungsgebühr weit weniger Stornierungen habe als mit. "Ich würde schätzen das bei uns maximal zwei Tische im Monate kurzfristig storniert werden und man aber dann meist aus Kulanz einen Ersatztermin für die Reservierung findet", so Herzig.
Grundsätzlich sei es in Österreich schwierig, eine Gebühr zu verlangen, da sich diese laut Verbraucherschutz in einer "Grauzone" befindet.
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