Wien: 35 Prozent der Wiener Volksschüler sind muslimisch, 21 Prozent katholisch
35 Prozent der Wiener Volksschüler haben ein islamisches Religionsbekenntnis, 21 Prozent sind katholisch.
Dies ergab eine neue Erhebung an Wiener öffentlichen Volksschulen, die der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) am Dienstag präsentierte.
Der Anteil der Muslimen und Musliminnen in den Mittel-, Sonder- und polytechnischen Schulen dürfte laut Schätzungen (valide Zahlen fehlen) noch etwas höher sein.
26 Prozent der Wiener Kinder werden heute "ohne Bekenntnis" in die Volksschulen eingeschrieben, 13 Prozent sind orthodox und zwei Prozent evangelisch.
Der Wiener Vizebürgermeister spricht von einer "Verschiebung der Zusammensetzung". Als "liberaler Politiker" wollte er diese grundsätzlich nicht bewerten: "Glaube ist Privatsache."
"Verpflichtendes Fach zur Demokratiebildung"
Angesichts der zunehmenden Konflikte in Österreichs Schulen wiederholt Wiederkehr aber seine Forderung in Richtung Bildungsministerium: "Wir brauchen dringend ein österreichweit verpflichtendes Fach zur Demokratiebildung." Religionsunterricht soll es weiterhin geben, "allerdings nur mehr auf freiwilliger Basis".
Argumentative Unterstützung erhält der Neos-Politiker vom Soziologen und Politikberater Kenan Güngör. Der ortet mehrere neue Phänomene an den hiesigen Schulen, nicht nur in Wien: "Es gibt eine stärkere Zuwanderung aus dem arabisch-islamischen Raum, wo man insgesamt religiöser ist."
In vielen Schulen wäre die Lage "eigentlich relativ ruhig". Doch sei gleichzeitig zu beobachten, dass "ganz bestimmte von radikaleren Kräften forcierte Abwertungshaltungen Kinder, die weniger religiös sind, unter Druck bringen."
Ein durchaus explosives Gemisch, wie der Soziologe befindet. Denn gleichzeitig sei zuletzt die Muslimenfeindlichkeit gesamtgesellschaftlich weiter gestiegen und strahle auch auf die Schule aus.
Neu: der "reaktive Stolz"
Neu sei auch das Phänomen des "reaktiven Stolzes, also, dass Kinder heute betonen, dass sie Christen sind. Das haben wir in der Form vor 15 Jahren so noch nicht gesehen."
Die Bestrebungen zum Demokratieunterricht unterstützt Kenan Güngör: "Wir müssen die Religion in den jeweils historischen Kontext für die Kinder stellen." Sonst hätten Extremisten allzu leichtes Spiel. Die Anstrengung der Politik bewertet er als "nicht ausreichend. Denn diese Herausforderungen werden nicht weniger werden."
Kein Kreuz im Klassenzimmer?
Der Sozialforscher hat aus seinen Recherchen in den Schulen auch eine gute Nachricht destilliert: "Für die Kinder sind die unterschiedlichen Religionsbekenntnisse Normalität." Sie wären weltoffener, weniger diskriminierend als Erwachsene.
Zur Debatte über das "Kreuz im Klassenzimmer" hat Kenan Güngör eine dezidierte Meinung: "Mir wäre es lieber, wenn es keine religiösen Symbole mehr an der Wand gäbe." Zeitgemäßer wären für ihn "Hinweise auf unsere Humanisten."