Unterricht an Wiener Schulen im Schatten des politischen Islam

Unterricht an Wiener Schulen im Schatten des politischen Islam
Ein Millî Görüş-Verein ist Erhalter von zwei Schulen in Rudolfsheim-Fünfhaus und Simmering. Dabei spricht sich die Gemeinschaft für die Abspaltung von der Mehrheitsgesellschaft aus.

Der Vergleich des Historikers Heiko Heinisch schreckt auf: „Stellen Sie sich vor, Martin Sellner würde eine Schule gründen – der Aufschrei wäre groß. Aber wenn ein Millî Görüş-Verein Schulerhalter ist, scheint das niemanden zu stören“, kritisiert er. Beim Thema Millî Görüş kennt sich Heinisch aus.

Gemeinsam mit Hüseyin Çiçek und Jan-Markus Vömel hat er eine Studie über diese Islamische Gemeinschaft gemacht. Die Ergebnisse fasst Heinisch so zusammen: „Millî Görüş ist die türkische Variante des politischen Islam. Von der Muslimbruderschaft unterscheidet sie sich nur dadurch, dass sie das Zentrum der islamischen Welt in der Türkei sieht.“

Hälfte fiel durch

Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş mit ihrer Europazentrale in Köln betreibt über den Verein SOLMIT zwei Schulen in Wien – eine im 15. Bezirk, die andere in Simmering in der Florian-Hedorfer-Straße. Erstaunlich: Zu Beginn hatte die Schule in Simmering noch kein Öffentlichkeitsrecht, daher mussten alle Schülerinnen und Schüler zur Externistenprüfung antreten. Rund die Hälfte schaffte im Schuljahr 2018/19 die Prüfungen nicht. Trotzdem erhielt die Schule ab dem Schuljahr 2022/23 das Öffentlichkeitsrecht auf Dauer – und plötzlich haben fast alle Kinder und Jugendliche das Schuljahr erfolgreich absolviert.

Aus dem Büro von Bildungsminister Martin Polaschek heißt es: „Aufgrund der von der Bildungsdirektion Wien durchgeführten Inspektion im Schuljahr 2019/20, wurde nach eingehender Prüfung festgesellt, dass alle Auflagen zur Gänze erfüllt wurden.“

Bei der umfassenden Prüfung geht es allerdings mehr um Formales – etwa die Frage, ob ein Turnsaal vorhanden ist oder ob es eine Schulleitung gibt. Die Qualität des Unterrichts spielt da eigentlich keine Rolle, auch weil Religionsgemeinschaften in Österreich relativ einfach das Öffentlichkeitsrecht für Schulen erhalten. Denn im Bundesverfassungsgesetz ist die Religionsfreiheit und das Recht auf Religionsausübung garantiert, wozu auch das Recht gehört, Schulen zu gründen und zu betreiben.

Dass Millî Görüş, die hinter SOLMIT steht, für die Absonderung von Muslimen von der Mehrheitsgesellschaft steht, ist juristisch kein Hindernis. Doch diese Segregation wird von der islamischen Gemeinschaft gefordert. Dafür hat Heinisch Belege gesammelt: Er zitiert einen Imam: „Nun Jugendliche, wir haben darauf zu achten, mit wem wir Freundschaften schließen. Wenn jemand uns vom Wege Allahs abbringt, dann ist er kein Freund für dich... (...) Denn was passiert, wenn man die genießbare Hälfte eines Apfels mit der verfaulten Hälfte eint? Dann saugt der genießbare Teil den Gestank der anderen Hälfte auf und verfault ebenfalls. Daher ist äußerste Vorsicht geboten, werte Jugendliche.“

Aber nicht nur die Segregation ist ein Problem: „Die Millî Görüş-Bewegung ist klar antisemitisch“, sagt der Historiker.

„Offen für alle“

Der KURIER hat bei der Schule schriftlich nachgefragt, wie solche Predigten mit den Werten, die an Österreichs Schulen vermittelt werden müssen, zu vereinbaren sind. Und wie die Offenheit gegenüber anderen Religionen gelebt wird. Schriftlich antwortete die Schule: „Als gesetzlich geregelte Schulen mit Öffentlichkeitsrecht unterrichten wir den österreichischen Lehrplan. Unser Standort ist offen für Kinder und Jugendliche aller Konfessionen und ohne Bekenntnis.“ Auf die KURIER-Frage, wie viele nicht-muslimische Kinder in der Schule sind, heißt es: „Wir dürfen Ihnen versichern, dass es nicht-muslimische Kinder und Eltern an unserem Standort gibt.“

Bezugnehmend auf das Zitat des Imam hält man fest: Dies stehe „in keinem Zusammenhang mit unserer Bildungsarbeit. Deshalb können wir dazu keine Stellung nehmen.“

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