Erst taucht Lukas gar nicht zu seinem Prozess auf. Weder für den Sozialarbeiter, noch für den Rechtsanwalt ist er erreichbar. „Er ist wie ein Nomade“, versucht der Anwalt zu erklären. „Er schläft jede Nacht bei einem anderen Freund.“ Seine Bewährungshelferin wird deutlicher: „Seine Wohnsituation ist unklar. Vermutlich handelt es sich um eine versteckte Obdachlosigkeit.“
Schon oft hat er die Schule gewechselt. Er schafft es nicht, Anschluss zu finden – zum einen, was den Schulstoff betrifft. Aufgefallen ist er aber auch, weil er eine Mitschülerin attackierte. Nachdem er einen Lehrer beleidigt hatte, wurde er suspendiert. Seit einiger Zeit geht er gar nicht mehr hin.
Konflikte mit Familie
Als die Richterin Lukas’ Eltern anruft, bekommt sie ernüchternde Antworten. Die Mutter hat ihren Sohn zuletzt vor einem Monat zu Gesicht bekommen, der Vater vermutet ihn in einem Krisenzentrum. Welches? Das weiß er nicht. Lukas selbst hat kein Handy. Er könnte im Steinbauerpark sein, vermutet der anwesende Sozialarbeiter. Dort, wo auch er ihn immer wieder trifft. „Sollen wir die Polizei hinschicken? Die kennen ihn ja“, schlägt die Richterin vor. Dann taucht Lukas, deutlich verspätet, doch noch im Gericht auf.
Da erklärt er: „Die Schule ist nichts für mich. Die Kinder dort machen mich aggressiv. Die sagen ,Talahon’ zu mir“. Nach Konflikten in der Familie landete er im ersten Krisenzentrum. Doch auch dort gab es nur Konflikte, Schlägereien. „Er wurde von einer Einrichtung in die nächste weitergereicht“, erzählt der Staatsanwalt.
Geld hat Lukas keines. Auch deshalb, so schildert er vor Gericht, habe er mit Freunden Autos aufgebrochen. „Es hat Spaß gemacht und wir hatten Geld.“ Mit gestohlenen Bankomatkarten ging er zu McDonald’s oder kaufte bei der Tankstelle Zigaretten.
Während er das freimütig erzählt, stemmt er seinen linken Arm im Sitzen in die Hüfte, beugt sich nach vorne, die Beine sind breit gespreizt. Zwischendurch lacht er. Wenig später findet er den Prozess zum Gähnen.
Leben auf der Straße
Seine Tage verbringt Leon auf der Straße, oft trifft er im Steinbauerpark Freunde. Etliche davon waren schon im Gefängnis. „Ich werde mich von ihnen fernhalten“, verspricht der Bursche.
Auch Leon hat bereits eine Vorstrafe wegen Raubes. „Er wird sein halbes Leben herumgeschupft. Er weiß nicht, wo er hingehört. Es braucht ein engmaschiges Netz mit Auflagen, sonst weiß ich nicht, was aus ihm werden soll. Seine Eltern werden ihm keine Hilfe sein“, meint Leons Anwalt.
Im Prozess wird er zu 12 Monaten teilbedingter Haft verurteilt. „Sie waren schon in U-Haft, Sie gehen heute nach Hause. Wo auch immer das ist“, sagt die Richterin. „Traurig, dass ich das sagen muss.“ Vor dem Saal warten bereits Leons „Freunde“. Er wollte sich von ihnen fernhalten.
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