Wien klagt Gastro-Rauchverbot ein
Das Land Wien wird beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Klage gegen die Raucher-Regelung der Bundesregierung einbringen. Anlass ist die Aufhebung des 2015 unter SPÖ und ÖVP beschlossenen generellen Rauchverbots in der Gastronomie durch Türkis-Blau. Dieses hätte ja mit 1. Mai in Kraft treten sollen.
Von Kontrollen in der Gastronomie wisse man aber, dass die Trennung in Raucher- und Nichtraucher-Bereiche nicht funktioniert, erklären Umweltstadträtin Ulli Sima und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Allein im März verstießen 62 Prozent der überprüften Lokale gegen den Nichtraucherschutz. Die Feinstaubbelastung in den Nichtraucherbereichen sei enorm.
Zwar dürfte dort laut Gesetz gar kein Tabakrauch hingelangen. Messungen der MedUni Wien zeigten aber, dass Zwischentüren dies nicht verhindern können. Die Feinstaubbelastung im Nichtraucherbereich war mit durchschnittlich 68 Mikrogramm vier Mal so hoch wie im Freien. Die „Retropolitik“ von ÖVP und FPÖ sei also „unverantwortlich, gesundheitsgefährdend und geradezu absurd“, meint Sima.
Passivrauchen kann tödlich sein
Zudem herrsche bei der Bundesregierung punkto Gesetzgebung ein Logikchaos, kritisiert Hacker. Zwar dürfe im Auto neben Kindern nicht geraucht werden – in den Raucherbereich dürften Eltern aber Zweijährige mitbringen. Lehrlinge müssten in verrauchten Bereichen arbeiten, dürften selbst aber erst ab 18 Jahren rauchen.
Dabei seien die Risiken durch Rauchen und Passivrauchen wissenschaftlich längst bewiesen: Österreichweit gebe es jährlich rund 13.000 Todesfälle durch Ersteres und 1000 in Folge von Letzterem, sagt Hacker. Zwar rauche er selbst auch – für ihn „endet die Freiheit des einzelnen aber, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird“.
Die Gefahren für Nichtraucher bestätigt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien: "Passivrauchen führt zu Reizerscheinungen der Bindehaut im Auge und der oberen Atemwege“, erklärt er. Zudem könne es akute und im Extremfall tödliche Asthmaanfälle auslösen und sei längerfristig krebserregend.
Ausgelöst wird die toxische Wirkung durch die Verbrennung des Tabaks. Dadurch entstünden ultrafeine Partikel im Nanometerbereich sowie gasförmige Stoffe. „Und dieses Gemisch beinhaltet etliche Dutzend krebserregende Stoffe sowie andere, die ebenfalls schädlich für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System sind“, erklärt Hutter. Über längere Zeit erhöhe Passivrauchen das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Shisha-Bars
Ob der Effekt in den bundesweit rund 500 und Wien-weit etwa 250 Shisha-Bars, in die die Kunden gehen, um dort Wasserpfeife zu rauchen, ein vergleichbarer ist, sei schwer zu beantworten. Deren Erforschung stecke noch in den Kinderschuhen, sagt Hutter. Es gebe bis dato nur wenige Untersuchungen.
Gänzlich unbelastet dürften Nichtraucher aber auch in Shisha-Bars nicht sein. Es sei „davon auszugehen, dass durch den Ausstoß im Nichtraucherbereich eine höhere Schadstoffkonzentration gegeben ist, als man erwartet“.
Die Regierung müsse eruieren, ob das Personal in Shisha-Bars infolge des Verbrennungsprozesses ebenfalls toxische Stoffe einatme, sagt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ( SPÖ). Und sei dies der Fall, sei das Wasserpfeifenrauchen eben nur mehr im Freien möglich.
Ungleichbehandlung
Im Kern gehe es bei der Klage um den Schutz des Personals. Sei doch nicht ersichtlich, warum es Arbeitnehmern in der Gastronomie zuzumuten ist, gesundheitsgefährdenden Passivrauch ausgesetzt zu sein, während dies in allen anderen Arbeitsstätten nicht der Fall sein dürfe. Da der Schutz der Arbeitnehmer nicht gegeben und die Verschlechterung des Nichtraucherschutzes verfassungswidrig sei, werde in der Regierungssitzung am 12. Juni die Klage beschlossen.
Der VfGH müsse sich in der Folge mit dem Argumenten der Rauchgegner auseinandersetzen, erklärt Verfassungsjurist Bernd Christian Funk. So sei etwa zu prüfen, ob die Lockerung eines bereits beschlossenen Verbots durch ein öffentliches Interesse legitimiert sei. Sollte das Höchstgericht der Anfechtung stattgeben, würde dies ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie bedeuten.
Gastronomie lehnt Klage ab
Die Neos begrüßen die Klage der Stadt – im Gegensatz zur Wirtschaftskammer. Man lehne die geplante Klage entschieden ab, erklären Wiens Gastro-Obmann Peter Dobcak und Wolfgang Binder, der Vertreter der Wiener Kaffeehäuser.
Zwar liege den Gastronomen der Nichtraucherschutz am Herzen, sagt Dobcak – mündige Bürger wüssten aber selbst, ob sie ein Raucherlokal aufsuchen möchten oder nicht. Zudem würden die Rahmenbedingungen für ein komplettes Rauchverbot nicht stimmen. Würden Raucher etwa vors Lokal gedrängt, wären Konflikte mit Anrainern wegen Lärm und Rauch vorprogrammiert. „Wir möchten endlich Rechtssicherheit für Gastrobetriebe“, sagt Dobcak und bietet der Politik Gespräche an
Nicht richtig sei, dass das Personal gezwungen werde, Passivrauch einzuatmen. Vielmehr suche die Gastronomie händeringend nach Mitarbeitern – somit könne sich jeder aussuchen, ob er oder sie in einem Raucherbetrieb arbeiten möchte, oder nicht.
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