"Sie haben meinen Freund fast behindert geschlagen"
Bei der Frage, inwieweit sich die Lage seitdem entspannt hat, gehen die Meinungen auseinander. "Letzte Woche haben sie meinen Freund fast behindert geschlagen", 'schwört' ein 16-Jähriger und deutet auf einen Zaun aus Holzleisten.
Diese seien zu Waffen umfunktioniert worden. Und das nur, weil der Bursche angeblich ein Familienmitglied eines anderen Jugendlichen beleidigt hatte.
Um solche Zwischenfälle zu verhindern, reagierte die Polizei schon im März. Nicht nur finden seitdem regelmäßige Schwerpunktaktionen statt, auch eine eigene Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität wurde ins Leben gerufen. Fast zeitgleich kam am Reumannplatz eine Waffenverbotszone.
Schwerpunktaktion entlang der U6
Am Dienstag fand entlang der U6 wieder eine dieser polizeilichen Schwerpunktaktionen statt. Nach mittlerweile mehreren Monaten mit Fokus auf Jugendkriminalität machten sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl dabei persönlich ein Bild der Lage entlang der Wiener Problem-Linie U6.
Kontrolliert wurde unter anderem am Schedifkaplatz, also unweit der Stelle, an der im Sommer die Konflikte eskalierten. Ob dem massiven Polizeiaufgebot oder den winterlichen Temperaturen geschuldet, viel zu kontrollieren gab es an diesem Abend nicht. Bis auf ein paar Pendler und Obdachlose war oberhalb der als "Hotspot" verschrienen U6-Station nicht viel los.
"Mussten aufräumen"
Das passte zu den Ausführungen des Innenministers, der davon sprach, dass nach dem massiven Anstieg an Vorfällen mit kriminellen Jugendlichen "aufgeräumt werden musste". Dies sei passiert, denn seit März sei die eigenes eingerichtete Einsatzgruppe in ganz Österreich 70.000 Stunden unterwegs gewesen. 87 Jugendliche seien festgenommen worden und ebendiesen 34 Waffen abgenommen worden.
"Mein Standpunkt ist, dass bereits eine einzige verhinderte Messerstecherei ein Erfolg ist", meinte Karner, der ausdrücklich die Waffenverbotszone am Reumannplatz lobte. In dieser wurden laut Zahlen aus dem Innenministerium immerhin elf Jugendliche mit Waffen erwischt und "entwaffnet".
Pürstl beschrieb in dem Zusammenhang ein modulares System, wonach die Stadtpolizeikommandos Problemzonen identifizieren und diese dann vermehrt bestreift werden bzw. Spezialeinheiten dort Schwerpunkte abhalten würden. Seit den Sommermonaten erkenne man einen Rückgang bei Suchtmittel-, Raub- und Gewaltdelikten durch Jugendliche.
Spricht man mit den wenigen Jugendlichen, die sich trotz eisiger Temperaturen spät abends noch draußen herumtreiben, könnte das aber weniger mit den Maßnahmen und mehr mit der Jahreszeit zu tun haben: "Im Sommer war Eskalation. Man hat falsch geschaut und schon Fetzerei", erzählt der 15-jährige Rami, der mit sechs Freunden abwechselnd auf einer Parkbank sitzt und seine Fähigkeiten im Schattenboxen zur Schau stellt.
Keine Bandenkriege im klassischen Sinn
Sein ein Jahr älterer Freund Momo stimmt ihm zu: "Im Sommer hab' ich mich geschlagen, es war ein Blödsinn. Ich war heute vor Gericht. Freispruch." Er habe damals nur einem von einer Gruppe schikanierten "Opa" helfen wollen, rechtfertigt er sich. Sonst seien die Motive weniger edel, erfährt man von seinen Freunden, die unter anderem aus Afghanistan, Tschetschenien und Syrien kommen.
Es gehe bei den Auseinandersetzungen um Drogen, Ehrenbeleidigung oder sexuelle Übergriffe. Daniel Lichtenegger aus dem Bundeskriminalamt bestätigte am Dienstag, dass die Auslöser derartiger Schlägereien zumeist in oberflächlichen Konflikten begraben seien.
Klassische Bandenkriminalität wie in Malmö, Berlin oder Paris gebe es in Wien glücklicherweise nicht. "Selbst im Frühjahr und Sommer waren das eher lose Zusammenschlüsse Jugendlicher. Da war aber keine organisierte Kriminalität im Hintergrund." Die Ergebnisse der Schwerpunktkontrollen würden aber dennoch für Ermittlungen im Hintergrund herangezogen, um potenzielle Strukturen rasch zu erkennen.
An die vielen Kontrollen erinnert sich auch Momo: "Im Sommer sind wir an manchen Tagen dreimal von der Polizei kontrolliert worden." "Dabei hätten die lieber dort hinten suchen sollen", fällt ihm ein Freund ins Wort. Dort fände man Drogen, Messer und sonstige Waffen.
Gesetzesentwurf liegt vor
Speziell die Waffen sind Karner ein Dorn im Auge. Wohl aus diesem Grund brachte er erneut das von ihm vorgeschlagene österreichweite Messertrage-Verbotsgesetz zur Sprache. Ein Gesetzesentwurf liegt seit Monaten vor, die Grünen lehnten diesen jedoch als verwirrend ab. Karner wolle an dem Entwurf im Falle einer ÖVP-Regierungsbeteiligung jedenfalls festhalten: "Wir beobachten einen Rückgang beim Einsatz von Schusswaffen, gleichzeitig sind die Angriffe mit Hieb- und Stichwaffen gestiegen und es liegt ein gutes, aus der Polizei heraus ausgearbeitetes Gesetz am Tisch."
Inwiefern dieses Messerattacken verhindern kann, müsste sich zeigen. Zum subjektiven Sicherheitsgefühl könnte es aber womöglich beitragen - zumindest bei jenen Jugendlichen, die sich häufig an den "Hotspots" entlang der U6 aufhalten. Der unlängst freigesprochene Momo etwa, betont: "Wir wollen keinen Stress, aber wo sollen wir hin? Meidling ist bald schlimmer als Favoriten."
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