Eigentlich feiere er gar nicht so gerne, sagt Peijun Xia (nicht mit dem Autor verwandt, Anm.) während er die Pekingente in kleine Stücke schneidet. Er ist Koch in einem Dim-Sum-Restaurant neben dem Wiener Naschmarkt, wo sich zahlreiche chinesische Restaurants und Supermärkte angesiedelt haben.
Beim alljährlichen Neujahrsfest sind seine Kochkünste immer sehr gefragt: „Zu viel Arbeit, da kann ich die Zeit gar nicht richtig genießen“, fügt Xia hinzu. Doch sobald die Ente tranchiert ist und er sie seiner Frau und seinem Sohn serviert, muss er doch lächeln: Dann überwiegt die Vorfreude auf das gemeinsame Festessen mit der Familie.
30.000 Chinesen in Wien
In China und anderen Teilen Ostasiens ist das Neujahrsfest der wichtigste Feiertag im Jahr. Der KURIER hat sich daher in der chinesischen Community in Wien umgehört, wie sie das große Fest hierzulande zelebriert. Immerhin umfasst die Community samt Angehöriger der zweiten und dritten Generation laut Integrationsfonds um die 30.000 Mitglieder.
Peijun Xia feiert mit seinem Sohn Siven Xia und seiner Frau Aifen Gao in diesem Jahr in großer Runde – um die 60 Verwandte und Freunde sind mit dabei. Zentral ist natürlich das gemeinsame Essen. Was auf dem Speiseplan steht? „Bei uns gibt es immer Reiskuchen, Fisch und Teigtaschen“, erzählt Siven Xia.
Yue Mayr wurde in China geboren und ist seit vielen Jahren Fremdenführerin in Wien.
Wortspiel und Symbole
Die Speisen haben auch symbolische Bedeutung: Reiskuchen etwa wird gerne serviert, da sein Name im Chinesischen auch als „Wachstum für das kommende Jahr“ verstanden werden kann. Fisch wiederum soll Gewinn symbolisieren, die Teigtaschen Wohlstand und Erfolg. „Es ist viel Aberglaube im Spiel“, sagt Siven Xia und lacht.
Im chinesischen Supermarkt Lili nebenan erzählen Mingzhu Hu und ihre Tochter Jasmin, dass sie heuer im kleinen Familienkreis feiern. „Meine Mutter kocht spitze und lädt gerne ein. Wir werden zu viert oder fünft sein“, erzählt die 28-jährige Jasmin Hu. Auch bei ihnen stehen Reiskuchen und Fisch fix auf dem Speiseplan.
Wichtig ist außerdem Dekoration in roter Farbe: „Rot ist am beliebtesten, ob bei Hochzeiten oder beim Neujahrsfest. Es steht für die feierliche Stimmung und symbolisiert auch Glück“, erklärt Jasmin Hu. Und rot sind auch die traditionellen Briefumschläge, die in China zu wichtigen Anlässen verschenkt werden. So auch zum Neujahrsfest: „Bei uns ist es üblich, dass die Älteren den Jüngeren Kuverts mit Geld schenken“, erklärt die 28-Jährige.
Jasmin Hu ist übrigens frisch zurück aus China, gerade rechtzeitig zum Neujahrsfest mit ihren Eltern in Österreich. „Endlich sind Reisen möglich. Im Sommer des vorigen Jahres konnte ich meine Großeltern in China wieder besuchen. Sie haben sich sehr gefreut. Und jetzt war ich bei einer Verlobungsfeier von Verwandten in China“, erzählt sie. Auch wenn es für Reisen von China nach Österreich keine offiziellen Beschränkungen mehr gibt – die Touristen bleiben trotzdem noch aus.
Yue Mayr, selbst in China geboren, arbeitet seit vielen Jahren als Fremdenführerin in Wien. Vor Covid zählte Österreich zu den beliebtesten Destinationen chinesischer Reisender. Doch seit der Pandemie bleiben die Gäste aus. „Es kommen derzeit nur sehr wenige Chinesen“, erzählt Mayr. „Wenn, dann Geschäftsreisende oder Familien, die Verwandte in Europa besuchen.“ Der Grund dafür? „Fernreisen sind vielen Chinesen noch zu teuer“, erwidert sie. Dazu kämen die derzeit sehr hohen Preise in Europa.
Den Kontakt mit Familie und Freunden in China zu halten, habe während der Corona-Zeit über soziale Medien übrigens gut funktioniert, sind sich alle Interviewpartner einig. „Früher war das alles viel schwieriger: Da musste man extra zu einer Telefonzelle gehen und die Gespräche waren sehr teuer“, erinnert sich Koch Peijun Xia. Mittlerweile sei der Kontakt über Internet ganz einfach tagtäglich möglich.
Was während der Pandemie freilich nicht möglich war, war das gemeinsame Feiern des Neujahrsfests. Feiru Liu, die einen Frauenverein sowie ein chinesisches Kulturzentrum im dritten Bezirk leitet, hat daher vor drei Jahren eine digitale Lösung gefunden: Mitglieder der chinesischen Community aus ganz Österreich schickten ihr Videos mit Glückwünschen, Tanz- oder Musikbeiträgen. Die ließ sie dann zu einem eineinhalbstündigen Online-Programm zusammenschneiden.
Da das Programm großen Anklang fand, ist sie auch nach der Pandemie dabei geblieben: „Im Vorjahr habe ich schon 5.000 Zuseher gehabt“, freut sich Feiru Liu. Auch für das diesjährige Fest stellte sie ein aufwendiges Programm zusammen. Aber eine persönliche Feier im kleinen Rahmen möchte sie sich trotzdem nicht entgehen lassen.
Denn darum geht es schließlich beim Neujahrsfest: Gemeinsam gut zu essen – ob Reiskuchen, Teigtaschen oder Fisch. Auf dass das neue Jahr Gewinn, Wohlstand und Erfolg bringe.
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