Aber nicht, dass es die geeignete und bestausgebildete Lehrkraft unterrichtet.
Es ist leider so, dass weiter Lehrkräfte fehlen. Das ist tragisch, weil die individuelle Förderung der Kinder leidet. Dieser Mangel ist hausgemacht, weil man jungen Menschen lange geraten hat, bloß nicht Lehrerin oder Lehrer zu werden. Mit der Pensionierungswelle und den vielen Teilzeitkräften gibt es jetzt einen Mangel in ganz Österreich. Das ist vom Bildungsministerium selbst verschuldet.
Wie soll das Problem gelöst werden?
Die Stadt wächst stark, alleine im Vorjahr um 50.000 Menschen, darunter sehr viele Kinder und Jugendliche. Da braucht es viele neue Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben über den Sommer mehr als 1.500 Lehrkräfte aufgenommen in Wien, aber auch damit können wir leider sehr knapp nicht alle Stellen besetzen. Wir sind bemüht, alternative Wege zu finden – über den Quereinstieg. Mittelfristig müssen wir aber mehr Lehrkräfte ausbilden und den Beruf attraktiver machen.
Warum sollte man – angesichts all der Herausforderungen in den Klassenzimmern – heute noch Lehrer werden?
Weil es sinnstiftend ist. Die pädagogischen Berufe sind die wichtigsten, die es in unserer Republik gibt. Hier wird Zukunft gestaltet. Gute Lehrerkräfte verbessern die Gesellschaft, sie gewährleisten unsere liberale Demokratie. Denn nur wenn Kinder lernen, kritisch zu denken und Dinge zu hinterfragen, kann eine lebendige Demokratie funktionieren. Als Lehrkraft hat man da einen unglaublichen Einfluss auf das Leben der Kinder. Jeder kennt das: Wer sich an die eigene Schulzeit erinnert, verbindet positive und negative Erfahrungen meist mit konkreten Personen.
Gibt es eine konkrete Person, an die Sie sich erinnern?
Ja, das war mein Deutschlehrer, der später auch Direktor geworden ist. Er hat in einer Zeit, in der andere davon ausgegangen sind, dass ich sowieso ein schlechter Schüler bin und die Klasse nicht schaffen werde, an mich geglaubt. Er hat gesehen, dass meine lästige Art im Unterricht ein kritisches Hinterfragen war. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.
Der gute Pädagoge, den Sie da beschreiben, wurde später Direktor – war also fortan eher mit Administration beschäftigt. Ist es nicht ein Problem, dass es im Schulsystem für gute Lehrkräfte kaum andere Aufstiegschancen und pädagogische Fachkarrieren gibt?
Es gibt gute Schulsysteme wie jenes in Finnland, in denen es ein mittleres Management an Schulen gibt. Das sind Lehrer, die die Direktion pädagogisch unterstützen, um die Schule weiterzuentwickeln. Schulen funktionieren nur gut, wenn das Team passt, wenn Optimismus herrscht, wenn spannende Ansätze ausprobiert werden und die Schulautonomie genutzt wird. Ich wünsche mir das auch für Wien und bin bereits im Gespräch mit dem Bildungsministerium.
Während und durch Corona ist das Bildungsniveau in Österreich gesunken. Wie kann man diesen Schäden entgegenwirken?
Wir sehen nach Corona nun eine Pandemie der psychischen Erkrankungen, die vielfach Kinder und Jugendliche betreffen. Da holen wir verstärkt externe Angebote an die Schulen, das können Lehrkräfte nicht alles alleine bewältigen. Wir stellen dafür vier Millionen Euro zur Verfügung. Ein ambitioniertes Programm sind auch die Deutschkurse im Sommer für Kinder, die die Sprache nicht gut genug beherrschen. Das ist wichtig, denn wir sehen nicht nur Lernrückstände, sondern auch große Sprachrückstände. Und ohne Deutsch wird es schwierig, so ehrlich müssen wir sein. Ich finde sogar, dass man solche Deutschkurse all jenen, die sie dringen brauchen, verpflichten auferlegen können soll.
Wollen Sie nur jene verpflichten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist? Oder könnte diese Maßnahme jeden treffen, der schlecht im Unterricht ist?
Das könnte theoretisch jeden betreffen. Es gibt österreichische Kinder mit massivem Deutschförderbedarf. Und wir sehen bei manchen in der zweiten Generation – also jenen, die als Österreicher aufwachsen, deren Eltern aber migriert sind – große Defizite. Ich sehe nicht ein, dass die Kinder und Jugendliche hier zurückfallen, nur weil die Eltern nicht können oder wollen.
Die Wiener SPÖ kann mit Ihnen als Koalitionspartner relativ ungehindert vor sich hinregieren. Wie erklären Sie das 2025 Ihren Wählern?
Ich will gemeinsam Probleme lösen und die Stadt voranbringen. Die Neos sind klar der Motor in der Koalition, wenn es um Bildung, Klimaschutz und Transparenz geht. Wenn wir bei Themen unterschiedlicher Auffassung sind, dann sagen wir das auch. Etwa bei der ORF-Landesabgabe.
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will statt der Abgabe, die wegfällt, eine neue Gebühr einheben. Das will ich nicht. Das ist ein Körberlgeld der Länder, das nicht zeitgemäß ist. In Zeiten wie diesen ist eine Entlastung der Wiener Bevölkerung nötig.
So wie beim Heumarkt-Projekt, das Sie blockieren, indem Sie es im Landtag nicht abstimmen und so den Bau verhindern.
Wir Neos schützen damit das Weltkulturerbe, das wir mit dem Bau verlieren würden. Es beruht auf einem völkerrechtlichen Vertrag, an den wir uns zu halten haben, weil er das historische Stadtbild schützt. Solange wir in der Regierung sind, wird es sicher nicht heimlich zu Grabe getragen. Ich sehe nicht ein, dass die Interessen eines Investors – auch wenn er Michael Tojner heißt – mehr wiegen als das Weltkulturerbe, das allen Wienerinnen und Wiener gehört.
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Der SPÖ-Weltkulturerbebeauftragte Ernst Woller hat die UNESCO letztens heftig attackiert und ihr vorgeworfen, Wien „zu gängeln“.
Ich halte es für höchst problematisch und gefährlich, wenn der Landtagspräsident eine internationale Organisation verunglimpft. Es gab immer klare Regeln, an die sich jeder zu halten hat. Die UNESCO ist nicht auf die Taschenspielertricks von Tojner hereingefallen, die gemeinsam mit der SPÖ immer nur so tun, als würden sie das Projekt in seinem Umfang redimensionieren – stattdessen aber immer nur einen Baustein von der einen Seite auf die andere legen.
Sie tragen neuerdings Bart. Steckt hinter dieser Typveränderung eine Botschaft?
Es besagt, dass ich den Urlaub genossen habe und mich nicht rasiert habe. Und jetzt gefällt es mir und ich habe entschieden, dass der Bart bleibt.
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