Wie der KAV die Kontrolle über die Baustelle Krankenhaus Nord verlor

Stadträtin Sandra Frauenberger gerät wegen des KH-Nord-Debakels jetzt noch mehr in Bedrängnis.
Schwere Fehler in Projektorganisation. Nach Pannen wurde falsch reagiert.

Mit Spannung wurde er erwartet, jetzt liegt der vollständige Rohbericht des Rechnungshofs (RH) zur krisengeschüttelten Baustelle Krankenhaus Nord vor. Auf 173 Seiten fällen die Prüfer ein vernichtendes Urteil über das Spitalsprojekt in Floridsdorf.

Allen voran über die Rolle des Krankenanstaltenverbunds (KAV) als Bauherr: Der KAV konnte demnach "keine stabile, durchgängige Projektorganisation gewährleisten", heißt es in dem Papier, das dem KURIER vorliegt. Ihm fehlten Ressourcen zur Wahrnehmung der Bauherrenfunktion, Projektmanagement-Leistungen wurden zunehmend an externe Auftragnehmer ausgelagert. Dem KAV fehlte "ausreichend internes Know-how, um seine Interessen selbst durchsetzen zu können" und die Bauausführung innerhalb der Kosten- und Terminvorgaben abzuwickeln.

Detailliert beschreibt der Bericht auch die größten Pannen, die auf der Baustelle passierten: Ab November 2012 waren die Statik-Pläne so mangelhaft, dass sie "teilweise mehrfach überarbeitet werden mussten". Dadurch verzögerten sich die Rohbauarbeiten. Deshalb musste die Örtliche Bauaufsicht den Ausführungsterminplan adaptierten, dieser war laut RH allerdings "mangelhaft".

Wie der KAV die Kontrolle über die Baustelle Krankenhaus Nord verlor
Baustellen-Begehung des Krankenhaues Wien-Nord am 20.12.2017., Eingang

Im Jänner 2014 ging dann eines der beiden Mitglieder der ARGE Fassade in Insolvenz, was sich vor allem auf den Fortgang des Innenausbaus auswirkte. Projektsteuerung und Örtliche Bauaufsicht hätten laut Prüfer ihre Aufgabe nicht in vollem Umfang bzw. nicht zufriedenstellend wahrgenommen. Die Folge waren letztlich Konflikte zwischen Projektbeteiligten, die zu einer "Verlängerung der Bauzeit um rund drei Jahre und zu erheblichen Mehrkosten" führten. Sie werden mit 73,37 Millionen Euro beziffert.

Baustopp verworfen

Wegen dieser Turbulenzen wurde laut RH-Bericht 2014 ein vorübergehender Baustopp in Erwägung gezogen. Letztlich wurde diese Idee verworfen. Rückblickend wäre für den RH eine Bauunterbrechung aber eine "wirtschaftlich sinnvolle Option" gewesen, sprich: Dem KAV wären deutlich geringere Mehrkosten angefallen. Dafür hätte man die Baupause dafür nützen können, die Qualität der Planung zu verbessern.

Unterm Strich bleibt ein enormer Kostenanstieg: Die noch 2010 geplanten Kosten von rund einer Milliarde Euro (Preisbasis Dezember 2018) werden – wie berichtet – im günstigsten Fall voraussichtlich um 272 Millionen Euro überschritten, das Worst-Case-Szenario geht sogar von einer Überschreitung um 388 Millionen Euro aus. Macht eine Gesamtsumme von 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro. Die ursprünglich für das Jahr 2016 geplante Eröffnung wird sich nach jetzigem Stand auf Sommer 2019 verschieben.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird wohl auch die politische Verantwortung des Desasters genauer ausgeleuchtet sein. Denn die FPÖ wird zum KH Nord demnächst eine U-Kommission einberufen. Sie fordert zudem den sofortigen Rücktritt von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Mehr noch: Die Sache müsse "aufgrund der Schwere der Vorwürfe nicht nur politische, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen", sagt Vizebürgermeister Dominik Nepp: "Wie hier mit Hunderten Steuermillionen umgegangen wurde, ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft."

Neben der FPÖ fordern auch die beiden anderen Oppositionsparteien Konsequenzen in der Causa Krankenhaus Nord. Die ÖVP will eine rasche Einsetzung einer U-Kommission und will am Montag gleich eine Liste präsentieren, wen sie sich als Zeugen wünscht. Stadtrat Markus Wölbitsch appelliert an den künftigen Bürgermeister Michael Ludwig ( SPÖ): „Wenn er tatsächlich reinen Tisch machen will und unbeschadet in sein Bürgermeister-Amt starten möchte - dann muss er dieser U-Kommission und dieser Zeugenliste zustimmen.“

Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger: „Ich fordere Ludwig und die nächste Stadtregierung auf, rasch zu handeln und eine Gesundheitspolitik zu betreiben, wie sie die Wiener verdient haben.“ Das Spital sei weder ein Skandalfall noch ein Kriminalfall, kontert SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch. Der RH-Rohbericht zeige, dass alle handelnden Akteure zum gegebenen Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hätten.

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