Wer in das altehrwürdige Gebäude am Schottentor zieht

In dem ehemaligen historischen Kassensaal entsteht 2020 ein exklusives kulinarisches Einkaufs- und Gatronomieerlebnis von Interspar.
In den Hauptstädten Europas liest man auf Häusern im Stadtinneren und an den besten Adressen Namen der großen digitalen Konzerne. Google oder LinkedIn leuchten etwa im Zentrum von Dublin. Amazon und Apple-Schilder erstrahlen an den Fassaden in Madrids Innenstadt. Könnte das in Wien auch bald passieren?
Das "weiße Haus" am Schottentor
Eines der prestigeträchtigsten Häuser in Wien, das „Weiße Haus“ am Schottentor, in dem sich lange die ehemalige Bank-Austria-Zentrale befand, wird seit 2018 umgebaut. Schweren Herzens mussten die Bank-Mitarbeiter damals das ehrwürdige Gebäude verlassen und in die neue moderne Zentrale – ohne fixen Sitzplatz – am Austria Campus beim Messegelände (Leopoldstadt) ziehen.
Der KURIER hat recherchiert, wer in die historischen Räumlichkeiten direkt am Schottentor einziehen wird.
Von unten nach oben: Fitnesscenter McFit mit der Exklusivmarke John Reed auf 3.000 m² (Tresorräume), Interspar auf 3.400 m² (Kassensaal), die Co-Working-Firma Spaces auf 7.000 m² und im Obergeschoß auf 5.500 – inklusive 235 m² Dachterrasse – Xing.
Xing: Die Zukunft des Arbeitsplatzes im Haus am Ring
Xing ist ein digitale Plattform für berufliche Kontakte. Die deutsche Xing-Betreiberfirma „New Work Se“ zieht mit ihren lokalen Töchtern Xing E-Recruiting (1., Wollzeile 1), Kununu (1., Neutorgasse 4) und Prescreen (6., Mariahilfer Straße 17) in die oberen Stockwerke des sechsstöckigen Hauses mit Blick auf den Ring, die Universität und die Votivkirche.
280 Mitarbeiter ziehen in die obersten Stockwerke
"Alle unsere 280 Mitarbeiter aus Österreich werden so unter einem Dach sein", erklärt Sprecherin Sandra Bascha. Xing E-Recruiting will die Personalsuche digitalisieren, Prescreen bietet hingegen Bewerbungsmanagement-Software an und Kununu ist eine Online-Plattform, die es Arbeitnehmern ermöglicht, Arbeitgeber online zu beurteilen.
Digitalisierung im über 100-jährigen Haus
Die digitale Zukunft der Arbeitswelt zieht also in das über 100 Jahre alte und denkmalgeschützte Haus. Ist das nicht ironisch? "Wir wollen in den neuen Räumlichkeiten hybrid arbeiten", sagt die Sprecherin. "Sowohl Homeoffice als auch gemeinsam im Büro sein, wenn es Corona erlaubt." Einziehen sollen alle Beteiligten bis April 2021.
Turnen im Tresorraum und Essen in der Kassenhalle
Neben Xing bespielt die niederländische Co-Working-Firma "Spaces" Teile des Hochparterres, des Mezzanins und des Obergeschoßes. Die Supermarktkette Spar wird eine Interspar-Filiale mit Gastro-Bereich in der Kassenhalle einrichten. „Viele feine Sachen werden wir dort anbieten“, sagt eine Sprecherin, ohne weitere Details zu nennen. Die Eröffnung sei für Frühling 2021 geplant. Die gegenüberliegende Spar-Filiale bleibe jedenfalls weiterhin erhalten.
100 historische Räume auf 24.500 m²
Das Gebäude am Wiener Schottenring gehört heute dem Tiroler Immobilienentwickler Pema und der Familie Koch, den ehemaligen Kika/Leiner-Eigentümern. Der gesamte Umbau der 100 historischen Räume – 780 Fenster auf einer Fläche von 24.500 m² – wird vom Bundesdenkmalamt begleitet.


Umbau der Eingangshalle
Dominant ist der große Kassensaal im Eingangsbereich: Er soll laut Bundesdenkmalamt erhalten bleiben.
Laut Friedrich Dahm, Abteilungsleiter im Wiener Denkmalamt, sind Mitarbeiter des Denkmalamts zwei Mal pro Woche vor Ort. Man scanne das Gebäude und dessen Veränderungen mit Spezialisten von Metall-, Holz- bis Architekturrestauratoren.
Errichtet wurde das Haus in den Jahren 1909 bis 1912 für den Wiener Bankverein, geleitet von Albert Salomon Anselm von Rothschild. Der Bau soll damals 14 Millionen Kronen (60 Mio. Euro) gekostet haben. Damals waren die Architekten Ernst von Gotthilf-Miskolczy und Alexander Neumann. Heute arbeiten auf der Baustelle rund 150 Personen. Heinz Neumann ist der zuständige Architekt. Das beauftragte Bauunternehmen ist Hazet Bau.
Paternoster, ade
Der bekannte Saal Oktogon und der Kassensaal sollen genauso bestehen bleiben. Der alte Paternoster, den früher nur Vorstände der Bank genutzt haben, konnte übrigens nicht erhalten werden. Laut Denkmalamt gab es keine „TÜV“-Plakette. Dafür werde der Haupteingang auf der Ring-Seite, der wegen einer damaligen Treppensteuer gesperrt war, wieder als neuer Zugang für den Interspar, die Büros und das Fitnesscenter eröffnet.
Kommentare