Die kalkulierte Grenzüberschreitung von Rechtsextremist Sellner

Die kalkulierte Grenzüberschreitung von Rechtsextremist Sellner
Nach dem Ex-Chef der Identitären wird in Deutschland verdeckt – wie nach Terrorverdächtigen – gesucht. Seine Reise nach Passau nutzte der Rechtsextreme für Eigenwerbung.

Er sei einer der Köpfe der „Neuen Rechten“ in Österreich, attestieren ihm Experten. Nun hat es Martin Sellner auch in Deutschland zum umstrittenen „rechtsextremen Promi“ geschafft – und sollte deswegen angeblich mit einem Einreiseverbot belegt werden.

Weil die deutschen Behörden den 35-Jährigen unter Beobachtung haben, wurde er zur verdeckten Fahndung ausgeschrieben. Grund dafür ist ein Treffen Rechtsextremer und AfD-Politiker in Potsdam, bei denen Sellner im November einen Vortrag hielt.

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Reizwort „Remigration“

Bei dem Treffen sprach Sellner über seine Vorstellung von Massenabschiebungen von Millionen Migranten – und auch deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Damit meinte er jene, die seiner Meinung nach nicht integriert seien.

In rechtsextremen Kreisen wird für diese Abschiebe-Fantasien immer wieder der Ausdruck „Remigration“ verwendet. Und so heißt auch Sellners Buch, das Anfang Februar erscheinen soll.

Am Wochenende hatte der Niederösterreicher nun auf seinem Telegram-Kanal angekündigt, trotz möglichem Einreiseverbots am Montag auf eine Melange nach Passau ins Café Greindl fahren zu wollen. Der Lokalinhaber ließ Sellner per Video allerdings wissen, dass er nicht willkommen sei, und sperrte das Kaffeehaus am Montag kurzerhand zu.

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Ultimatum an Behörden

Ob er nun seinen Plan überhaupt in die Tat umsetzen würde, war bis kurz vor der Abfahrt Richtung Bayern gar nicht sicher gewesen. Sellners Anwalt hatte den deutschen und österreichischen Behörden ein „Ultimatum“ gestellt: Wenn er bis Montag, 13 Uhr informiert würde, dass kein Einreiseverbot bestehe, werde er gar nicht erst losfahren. Weil aber keine Antwort gekommen war, saß Sellner um 14.30 Uhr im Auto und fuhr auf der Westautobahn in Richtung Bayern.

Sellner reichte es aber nicht, nach Deutschland zu fahren und so einen polizeilichen Zwischenfall zu produzieren. Er übertrug zusätzlich die Fahrt über die Grenze im Internet für seine knapp 62.000 Follower live. Außerdem hatte er im Vorfeld bekannt gegeben, dass er die Grenze am Übergang Achleiten überqueren wird. Vermutlich, um die Polizei für Bilder von einem Konflikt zum richtigen Ort zu lotsen – und auf Beamte sollte er dann auch wirklich treffen. An der Grenze wurde Sellner tatsächlich kontrolliert.

Das ganze Prozedere dauerte zirka eine halbe Stunde. Sellner wurde von mehreren Beamten in einen Polizeibus gebeten, danach ging es ungehindert weiter nach Passau. Ein Einreiseverbot besteht für ihn also nicht.

Das liegt vermutlich daran, dass eine verdeckte Fahndung nicht automatisch mit einem Einreiseverbot verbunden ist.

Bei der Weiterfahrt wurde Sellner von rechten Aktivisten und Medienvertretern begleitet, denn in Passau hatten sich tagsüber bereits Linke vernetzt, um ihn zu „begrüßen“. Den Kaffee wollte Sellner trotzdem trinken.

Auf KURIER-Anfrage bestätigte die Polizei Passau, dass man den Sachverhalt kenne und genügend Kräfte mobilisieren könne, wenn es zu Protesten oder Ausschreitungen komme.

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Politischer Akteur

Für Sellner wäre es nicht das erste Mal, dass ihm die Einreise verweigert wird. Nachdem er 2018 vor dem Anschlag in Christchurch in Neuseeland mit dem Attentäter per eMail in Kontakt gestanden war, wurde ihm die Einreise in die USA verwehrt, wo er seine jetzige Ehefrau besuchen wollte. Bei dem Anschlag waren 51 Menschen ums Leben gekommen.

Obwohl Sellner in keiner Partei Mitglied ist, ist er Akteur in der Politik von FPÖ und AfD. Während sich die Blauen zu Heinz-Christian Straches Zeiten noch von Sellner distanzierten, schlägt Herbert Kickl andere Töne an. Im Sommergespräch sprach er von den Identitären als „rechte NGO“.

Zum Einreiseverbot von Martin Sellner gab es seitens der FPÖ keine offizielle Stellungnahme. In Deutschland hingegen machte sich der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke gegen das Einreiseverbot stark.

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