Was die Trauer um Angehörige "wert" ist

Was die Trauer um Angehörige "wert" ist
Von 5000 Euro für erstochenen Hund bis 65.000 Euro für den Verlust der gesamten Familie.

Am Ende bekam die alte Dame 25.300 Euro. Ein klitzekleines Trostpflaster dafür, dass sie ihren einzigen Sohn und ihren einzigen Enkel verloren hat, also ihre ganze Familie. Trauerschmerzensgeld heißt der juristische Fachbegriff, für den Österreich der Vorreiter war. In Deutschland konnte man sich bis heute dazu nicht durchringen.

Defekter Ölofen

Die damals 72-jährige Hausbesorgerin Slobodanka Pavlovic lebte mit Sohn und Enkel in einer Zimmer-Küche-Wohnung in der Wiener Schellinggasse. Eines Nachts brachte man sie um vier Uhr Früh mit akuter Atemnot ins Spital, ihre Angehörigen wurden als lästig abgewimmelt. Ein Fehler der Ärzte, eine Fahrlässigkeit, wie der von Anwalt Etienne Korab angerufene Oberste Gerichtshof später urteilte, man kann auch Schlamperei dazu sagen. Denn aus den Blutwerten der Patientin war eine Kohlenmonoxidvergiftung abzuleiten. Sohn und Enkel aber wurden nicht gewarnt. Man ließ sie heimfahren, sie legten sich neben dem Ölofen – der Ursache allen Übels – schlafen und wachten nicht mehr auf.

Die 40.000 Euro Trauerschmerzensgeld, die für Oma Pavlovic gefordert worden waren, drückte das Gericht auf 25.300. Eine Reduzierung ist die Regel. Der bisher höchste zugesprochene Betrag von 65.000 Euro (90.000 waren eingeklagt worden) galt einem Oberösterreicher, der durch einen Verkehrsunfall seine Frau sowie seinen Sohn und seine Zwillingstöchter verloren hat. Ein überladener Sattelschlepper war auf die Gegenfahrbahn gekommen und frontal in den Pkw der Familie gekracht.

Der Innsbrucker Anwalt und Schmerzensgeld-Spezialist Ivo Greiter hat 162 seit 1994 gefällte Gerichtsurteile gesammelt und analysiert (siehe Zusatzinfo rechts). Es ist ein Leitfaden, wer wofür mit wie viel Schmerzensgeld für den Verlust eines Angehörigen rechnen kann. Oder eines Hundes, der zwar nicht als Angehöriger gilt, aber trotzdem einen Anspruch auf Abgeltung für die Trauer auslösen kann.

Jagdmesser

Ein Gedenkstein nahe der Wotruba-Kirche im Maurer Wald erinnert daran: Am 7. März 2001 hat ein Pensionist die elfjährige Schäferhündin Mona vor den Augen ihres Frauerls mit einem Jagdmesser erstochen. Obwohl Mona einen Beißkorb trug, fühlte er sich bedroht. Der Mann musste der Hundehalterin 5800 Euro für den Schock und den Verlust ihres Tieres zahlen. 5087 Euro und 10 Cent bekam eine Vorarlbergerin, die mitansehen hatte müssen, wie ihr 14-jähriger Zwergpudel unter die Räder eines ausparkenden Autos geriet. Der Hund überlebte das nicht.

Wegen der waghalsigen (und ergebnislosen) Verfolgung eines Temposünders durch einen Polizisten brach sich der Krankenpfleger Siegfried Pfalzer aus Niederösterreich am 7. Oktober 2010 auf seinem Motorrad das Genick. Der Beamte bog mit dem Streifenwagen von einem Feldweg auf die Bundesstraße ein und brachte den unbeteiligten Biker zu Sturz. Seither kämpft seine Witwe – auch hier macht sich Anwalt Etienne Korab stark – für sich und die damals zweijährigen Zwillinge um Schadenersatz. Die Republik ist unnachgiebig. Kürzlich wurden der Witwe für ihre Trauer 20.000 Euro zugesprochen, um Geld für Sohn und Tochter wird weiter prozessiert.

Im November 2008 stürzte bei Graz wegen eines Flugfehlers des Piloten ein zweimotoriges Flugzeug ab. Der Pilot starb, ebenso zwei Insassen, darunter die Mutter eines zweijährigen Buben. Sieben Jahre wurde um Schmerzensgeld für den unter Verlustängsten und Störungen des Essverhaltens leidenden Sohn gefeilscht, dann bekam er 30.000 Euro.

Fünf Jahre vermisst

Den Eltern der 2006 verschwundenen und erst 2011 tot aufgefundenen Julia Kührer wurden nach dem Prozess gegen den Mörder der 16-Jährigen jeweils 40.000 Euro zugesprochen. Sie zählen zu den wenigen, denen der eingeklagte Betrag ohne Abzug zuerkannt wurde.

Gar nichts bekamen jene Eltern, deren achtjährige Tochter in Salzburg von einem Lkw erfasst und getötet wurde. Dem Lenker wurde nur leichte Fahrlässigkeit, dem Kind aber posthum ein Mitverschulden angelastet.

Das Buch: Der renommierte Innsbrucker Rechtsanwalt Ivo Greiter ist neben dem Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes, Karl-Heinz Danzl, der Experte für Schmerzensgeld und Schadenersatz in Österreich. In seinem Buch „Schmerzengeld für Trauer“ (Verlag Österreich, 205 Seiten, 42 Euro) listet er 162 Gerichtsurteile für Angehörige von Unfallopfern auf.

Schockschaden: Es müssen nicht immer nur Angehörige sein. Eine Tirolerin wurde Zeugin eines tödlichen Verkehrsunfalles und sah das Blut aus dem Helm einer Motorradfahrerin quellen. Die Versicherung des schuldtragenden Lenkers musste 10.900 Euro für den Schockschaden zahlen. Der Anblick eines laut Urteil „halb zerrissenen“ Unfallgegners brachte einem Linzer 7000 Euro.

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