Grundstückspreise sind in den vergangenen Jahren explodiert, auch die Baukosten steigen – zugleich wird (leistbarer) Wohnraum knapper. Hinzu kommt die Bodenversiegelung. Österreich verbaut mit rund 11,5 Hektar pro Tag (Stand: 2022) deutlich mehr, als die Bundesregierung und die EU als Ziel vorgegeben haben. Der maximale Bodenverbrauch sollte bei 2,5 Hektar pro Tag liegen.
Nachverdichtung
Ein Ausweg aus der Misere könnte in der Aufstockung der eingeschoßigen Bauten liegen. Im Fachjargon nennt man das Nachverdichtung – gemeint ist damit die bessere, intensivere Nutzung bereits verbauter Flächen. Statt immer neuen Grünraum (am Stadtrand) zu versiegeln, soll der Raum „nach oben“ genutzt werden.
Gerade in Wien sei das Potenzial groß, befindet die Wiener ÖVP – und macht sich daher nun dafür stark, bestehende und neue Gewerbeobjekte zu überbauen.
Bereits jetzt gebe es im Stadtgebiet mehr als 100 eingeschoßige Supermärkte großer Ketten (von Lidl, Hofer, Interspar, Billa Plus und Penny Markt), hat die ÖVP erhoben. Und legt Beweisbilder vor: Egal, ob im 19. Bezirk in der Krottenbachstraße (siehe oben), in der Pogrelzstraße oder in der Quadenstraße im 22. Bezirk – die eingeschoßigen Bauten gehören fast überall zum Stadtbild. Eine „verpasste Chance“, wie die türkise Planungssprecherin Elisabeth Olischar sagt: Alleine die bestehenden Gewerbebauten böten Potenzial für bis zu 10.000 Wohneinheiten. Die rot-pinke Stadtregierung mache es sich beim Wohnbau zu einfach – und das „auf Kosten der Nachhaltigkeit“.
Eine Studie der Arbeiterkammer zeige, dass neuer Wohnraum in Wien fast nur auf der „grünen Wiese“ entsteht. Demnach wurden in den Jahren 2018 bis 2021 gerade einmal zwei Prozent des neuen Wohnraums „durch Auf-, Aus- oder Zubau“ geschaffen. Die restlichen 98 Prozent – im Erhebungszeitraum waren das 57.415 Wohneinheiten – entstanden durch Neubau.
„Die Stadt braucht innovative Lösungen, um lebenswerte, attraktive Grätzel zu schaffen“, sagt Olischar. Bei Gewerbeobjekten künftig eine „gemischte Nutzung“ zu ermöglichen – derzeit ist es aufgrund der jeweiligen Flächenwidmung vielerorts sogar verboten, Wohnungen auf Supermärkten zu errichten –, habe viele Vorteile.
Wohnungen, Bildungsstätten, Kinderbetreuung, Arztpraxen und Büros in unmittelbarer Nähe zu vereinen, komme dem Ideal der „Stadt der kurzen Wege“ nahe: „In den oberen Stockwerken wohnen die Menschen, unten können sie einkaufen, dazwischen Arztbesuche erledigen“, sagt Olischar. Um Konflikten vorzubeugen – etwa, damit Waren für die Supermärkte nicht in den Morgenstunden unter den Schlafzimmerfenstern angeliefert werden – brauche es „nur kluge Planung“.
Infrastruktur nutzen
Der Wohnraum, der auf diese Weise entstehe, sei zudem „leistbar“, sagt Olischar. Immerhin könne man auf gut ausgebaute Infrastruktur – Anschlüsse, Kanal, Parkplätze – zurückgreifen.
Ganz so einfach ist der Ausbau freilich nicht, sagen Experten: Bestehende Objekte müssten „statisch ertüchtigt“ werden, damit sie den Aufbau ganzer Geschoße tragen können. Das größte Potenzial sieht die ÖVP daher auch bei Neubauten: Die Überbauung solle künftig schon im
Flächenwidmungsplan vorgesehen sein, so die Forderung. Die Bewilligung von Verkaufsflächenerweiterungen solle es nur unter der Voraussetzung geben, dass im Gegenzug Wohnraum geschaffen wird.
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Vorbilder Linz, Salzburg
Dass das gelingen kann, zeigen nicht nur Beispiele im Ausland, sondern auch in Österreich. Im Land Salzburg wurden – im Zuge von Umbauten an Supermärkten – bereits mehrere Überbauungen realisiert, auch in Linz gibt es Positivbeispiele.
Und sogar in Wien: Die Lidl-Filiale in der Zschokkegasse im 22. Bezirk wurde gleich inklusive 65 Sozialwohnungen auf dem Dach geplant; in Auhof im 14. Bezirk errichtete ein gemeinnütziger Bauträger mehr als 70 Wohnungen auf dem Dach des Shoppingcenters.
Damit das keine Einzelfälle bleiben, will die ÖVP im Herbst einen Stadtentwicklungsgipfel initiieren – und Lebensmittelhändler, Projektentwickler und Investoren an einen Tisch bringen. „Vielleicht ist das der nötige Gedankenanstoß, damit die Stadtregierung endlich in die Gänge kommt“, sagt Olischar.
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