"Ins Tun kommen": Wie sich Wien auf Flüchtlinge vorbereitet
Mit großen Schritten schreitet Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in der Sport-&-Fun-Halle im 2. Bezirk voran. Erst am Montag wurde vom Wiener Krisenstab der Beschluss gefasst, dass die Sportgeräte dort zur Seite gestellt werden.
Tische werden aufgestellt, Kühlschränke geliefert, Betten gemacht. Ab Mittwoch läuft die Probephase der Ankunftshalle, die den flüchtenden Menschen eine Orientierung geben soll. Es wird auch geimpft und getestet – auf freiwilliger Basis. Ab Donnerstag bleibt die Halle durchgehend (24/7) geöffnet.
Bürgermeister: "Bedrohung näher, als bei allen anderen Kriegen"
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verstehe, dass die Menschen derzeit auch in Wien Angst haben würden. Wir haben eine Krise, eine Pandemie und einen Krieg in Europa, das löse Ängste aus. "Noch nie war der Krieg so nah", sagt er. Man dürfe sich nun jedoch weniger auf die Ängste konzentrieren, sondern viel eher aktiver werden und etwas tun, rät Ludwig der Stadtbevölkerung. "Ins Tun kommen und Ängste mit anderen teilen", sagt er.
Für Wien sehe er derzeit keine akute Bedrohung, dass der Krieg auch direkt die Stadt betreffen könnte. "Es wird jedoch enorme wirtschaftliche Konsequenzen haben, auch für die Stadt Wien, da dürfe man sich keine Illusionen machen", sagt der Bürgermeister im Gespräch mit dem KURIER.
"Wie viele wirklich in Wien bleiben werden, weiß man nicht“, sagt Ludwig. Fakt ist: Schon mehr als 600.000 Menschen sollen die Ukraine verlassen haben. Die EU-Kommission erwartet die größte humanitäre Krise in Europa seit vielen Jahren.
"Kindergartenplätze, Übersetzungen, Verwandte finden“, damit möchte man in der Halle neben dem abgerissenen Dusika-Stadion, welches gemeinsam mit der Sporthalle bei den Flüchtlingsströmen 2015 als Ausweichquartier diente, unkompliziert helfen. Betten gebe es für flüchtende Menschen, die in der Nacht ankommen.
„Aber es sei keine Unterbringungshalle“, sagt er. Involviert seien alle relevanten Einheiten der Stadt und Hilfsorganisationen: Rettung, Berufsfeuerwehr, FSW, Samariterbund, Volkshilfe, Caritas und die private Flüchtlingshilfe Train of Hope. Die Halle ist per Bus, Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Außerdem können geflüchtete Menschen vorerst bis inklusive 15. März kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nützen.
Spendenaktionen: Kino, Kirche und Wohnungen
Unterdessen gibt es bereits unterschiedliche Hilfsangebote in der Stadt. Am Donnerstag starten etwa das Bellaria-Kino, das Café Liebling, Burggasse 24, Kino de France, Votivkino und Café Kriemhild eine Aktion: Alles, was am 3. März in diesen Lokalen eingenommen wird, wird an „Menschen in Not“ für die Ukraine gespendet.
Täglich von 17 bis 20 Uhr nimmt die Barbarakirche (1., Postgasse 8-12) Sachspenden an. Dafür engagieren sich zahlreichen Freiwilligen und der ukrainisch-katholische Pfarrer Taras Chagala.
Andere Privatpersonen (@mademoisellemartina) organisieren über Instagram Rettungsaktionen von Ukrainern. Andere organisieren Flohmärkte. Beim Innenministerium (nachbarschaftsquartier@bbu.gv.at) oder unter immo-hilft.at kann man leere Wohnungen für Menschen auf der Flucht zur Verfügung stellen.
Auch die Universität für angewandte Kunst bittet um Sachspenden (1, Oskar-Kokoschka-Platz 2) von 10 bis 19 Uhr. Gebraucht werden unter anderem Ladegeräte, Powerbanks, Schmerztabletten, blutsenkende Tabletten, Camping-Zelte, Insulin und Schlafsäcke.
Andere bieten bereits Jobs explizit an Menschen auf der Flucht aus der Ukraine an, wie etwa eine Bar names Matiki im 7. Bezirk.
„Es wird die Städte fordern, insbesondere Wien“, sagt Ludwig. Er hofft auf Unterstützung der Bundesländer. Eine Krisensitzung mit dem Bund ist für Donnerstag geplant.
Derzeit arbeitet die EU mit Hochdruck an einer einheitlichen Vorgangsweise: Da es sich um die Frage eines humanitären Aufenthalts/Asyl handelt, ist für die fremdenrechtlichen Verfahren der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ) zuständig. Die MA 35 hat derzeit 300 Verfahren von Ukrainerinnen und Ukrainern, die schnellstmöglich abgearbeitet werden, heißt es.
Ziel ist es, dass Betroffene rasch eine Perspektive haben: Ukrainische Staatsangehörige dürfen laut derzeitigen Informationen des Bundes visumfrei in den Schengenraum einreisen und sich visumfrei aufhalten (in Summe 90 Tage innerhalb von 180 Tagen). Außerdem will die EU, die Richtlinie aus dem Jahr 2001 aktivieren: Gemeint ist die sogenannte "Massenzustrom"-Richtlinie, die Kriegsflüchtlingen ohne ein aufwendiges Asylverfahren Schutz in der EU garantiert.
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