Viraler Wien-Wahlkampf: Welche Parteien sich in der Krise profilieren
Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Wien-Wahl, die unter so schwierigen Voraussetzungen über die Bühne ging. Die Krise trifft die Parteien aber unterschiedlich hart.
Manche können daraus sogar Kapital schlagen – sofern diese Formulierung im Zusammenhang mit der Pandemie überhaupt zulässig ist.
SPÖ: Stabiler Ludwig
Das gilt vor allem für Michael Ludwigs SPÖ: "Ähnlich wie Sebastian Kurz und die ÖVP auf Bundesebene profitiert sie davon, dass sich in Krisenzeiten die Bevölkerung gerne um ihre Regierung schart", sagt der Politik-Berater Thomas Hofer.
Ludwig würde Stabilität und Kontinuität signalisieren, was in der aktuellen Stimmungslage auch nötig sei. ",Stürmische Zeiten. Sichere Hand‘, lautete 2013 ein Slogan von SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Den könnte Ludwig heute genauso plakatieren", sagt der Experte.
9 Parteien treten bei der Gemeinderatswahl am 11. Oktober Wien-weit an. Es sind dies SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP, Neos, Team HC Strache, Links, Soziales Österreich der Zukunft (SÖZ) und die Bierpartei.
Voraussichtlich ab dem 14. September werden die Wahlkarten verschickt, mit denen eine Briefwahl möglich ist. Das heißt: Ab diesem Zeitpunkt kann man bereits auf den Magistratischen Bezirksämtern seine Stimme abgeben.
68 % Wahlbeteiligung sagt eine KURIER-OGM-Umfrage aktuell voraus. Das wäre ein deutlicher Rückgang im Vergleich zur Wien-Wahl im Jahr 2015. Damals lag die Wahlbeteiligung nämlich noch bei knapp 75 Prozent.
Die SPÖ würde zudem von einem anderen Faktor profitieren, der nichts mit Corona zu tun hat: Egal ob Rot oder Türkis – die jeweiligen Landeshauptleute gingen aus den Wahlen der vergangenen Jahre durchwegs gestärkt hervor.
Dies habe laut Hofer mit dem Ende der rot-schwarzen Bundesregierung 2017 zu tun. Der Unmut über diese "Koalition des Stillstandes" habe zuvor den meisten Landesfürsten massiv geschadet.
ÖVP: Krisenmanager Blümel
ÖVP Dass mit Gernot Blümel ein Minister als Spitzenkandidat in die Wien-Wahl zieht, sorgt für Kritik, könnte aber im Zusammenhang mit Corona ein Vorteil sein – sofern es ihm gelingt, das Image des Krisenmanagers im Bund auf die Wiener Ebene zu transferieren.
Allerdings hat laut Hofer die ÖVP mit der Pandemie viele ihrer ursprünglichen Wahlkampf-Themen verloren: Wien als Schulden-Hauptstadt, mit einer Regierung, die Sozialgelder verschleudert und Misswirtschaft betreibt – all diese Kritikpunkte haben angesichts einer Krise, zu deren Bewältigung Kurz selbst die Parole "Koste es, was es wolle" ausgegeben hat, viel von ihrer Wirkungsmacht verloren.
Grüne: Themenlose Hebein
Sie haben mit Rudolf Anschober einen bis dato respektierten Krisenmanager in der Bundesregierung, auf der Wiener Ebene spielt er allerdings keine Rolle. Laut Hofer sei den Grünen durch die Krise das zentrale Thema Klimaschutz abhandengekommen.
Es zeichne sich aber bereits eine Gegenstrategie ab: Das Rennen um Platz eins sei gelaufen, trommeln die Ökos von Parteichef Werner Kogler abwärts.
Damit sollen möglichst viele Stimmen von der SPÖ zurückerobert werden, die 2015 noch aus taktischen Gründen an die Roten gingen, um einen Bürgermeister Heinz-Christian Strache zu verhindern.
FPÖ/Team Strache: Beschädigte Kandidaten
Wien ist bis dato relativ gut durch die Krise gekommen, dennoch gibt es auch hier viele Menschen, die enorme wirtschaftliche Schäden erlitten haben. "Das wäre die Chance für die Opposition. Allen voran für die FPÖ", sagt Hofer.
Nach Ibiza-Skandal und Strache-Abspaltung seien die Blauen aber so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie aus diesem Thema kein Kapital schlagen könnten.
Was auffällt: Viel deutlicher als die FPÖ fährt Strache einen Kurs, der bisweilen sogar an Corona-Verschwörungstheorien anstreift.
Das machte sich bei der Wahl seiner Kandidaten bemerkbar: Ein Arzt, der sich über die "Impfmafia" beklagt und eine Ex-Stewardess, die auf Demos antisemitische Parolen skandiert.
"Angesichts seiner schlechten Ausgangslage hat Strache nicht viel zu verlieren", ist für Hofer eine mögliche Erklärung für diese riskante Strategie.
Neos: Themenloser Wiederkehr
Neos Für sie gelte laut Hofer ähnliches wie für Türkis und Grün: Mit der Krise ist den Pinken ihr Kernthema – Kontrolle, Bildung – verloren gegangen.
Da hilft auch wenig, dass Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr zuletzt eine gute Figur als Kämpfer gegen Intransparenz und Misswirtschaft gemacht hat – etwa in der Untersuchungskommission zum Krankenhaus Nord.
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