Verfassungsschutzbericht: Weniger Straftaten im Terrorjahr 2020

ANSCHLAG IN WIEN: GEDENKEN AN DIE OPFER AM TATORT IN DER WIENER INNENSTADT
Mit Verspätung wurde am Mittwoch der Bericht für das Jahr 2020 veröffentlicht. Für 2021 werden Änderungen versprochen.

Mit einiger Verspätung hat das Innenministerium am Mittwoch den Verfassungsschutzbericht für 2020 vorgelegt, jenem Jahr, in dem es zu dem schweren islamistischen Terroranschlag in Wien kam.

Dieser Bereich habe im Berichtsjahr "eine anhaltende und hohe Bedrohung für Österreich" dargestellt, heißt es darin. Rechtsextremistisch motivierte Straftaten gingen zurück, "neurechte" Gruppierungen hätten Corona-Maßnahmenproteste aber als Bühne genutzt.

Nicht höchste Terrorgefahr

Aus dem noch von Karl Nehammer (ÖVP) als Innenminister verantwortete Papier geht hervor, dass Österreich bis zum 2. November 2020, dem Datum des Anschlages, EU-weit zwar nicht zu den am stärksten durch einen terroristischen Anschlag gefährdeten Ländern gezählt habe.

Sehr wohl zählte Österreich aber zu jenen Ländern mit einer - an der Einwohnerzahl gemessenen - überproportional hohen Anzahl an "Foreign Terrorist Fighters" (FTF) von 334 zu Jahresende. So bezeichnet man Personen, die entweder nach Syrien, in den Irak oder andere Länder aufbrachen, um dort zu kämpfen oder auf dem Weg dorthin von Behörden aufgehalten wurden.

Rückgang bei Rechtsextremismus

Auch die Razzien der "Operation Luxor" vom 9. November 2020 gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas finden Erwähnung. Bedrohungspotenzial bezüglich Gewalttaten wird im Bericht im Licht der Radikalisierung über Social Media und andere einschlägige Internet-Kanälen mit islamistischen und jihadistische Inhalten hauptsächlich bei radikalisierten Einzelaktivisten und potenziellen Nachahmungstätern gesehen.

Im Bereich des Rechtsextremismus verzeichnete das Innenministerium einen Rückgang der Straftaten. Bundesweit wurden 1.364 Delikte zur Anzeige gebracht, das sind um 18,7 Prozent weniger als im Jahr 2019 (1.678 Delikte); dies bei 895 rechtsextremistischen, fremdenfeindlich/rassistischen, islamfeindlichen, antisemitischen sowie unspezifischen oder sonstigen Tathandlungen.

Die Rede ist von einer Konsolidierung der im Jahr 2019 begonnenen personellen und organisatorischen Veränderungen bei rechtsextremen Organisationen. "Langjährige Führungskader der heimischen organisierten rechtsextremistischen Szene konnten ihre Strukturen und Netzwerke wieder nutzen, um teilweise auch öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten", heißt es im Bericht.

"Großer Austausch"

Erwähnung finden auch die Corona-Proteste: "Die Ideologen der Neuen Rechten haben im Berichtsjahr 2020 frühzeitig erkannt, dass sich die COVID-19-Pandemie eignet, um ihre eigene verschwörungserzählerische Weltsicht vom 'Großen Austausch' in den 'Great Reset' - der durch COVID-19 stattfinden soll - zu transformieren."

Es würden dystopische Endzeitszenarien entworfen. "Über die Proteste gegen die COVID-19-Maßnahmen konnten die Neuen Rechte schlussendlich neue Bevölkerungsgruppen mit ihrer Propaganda erreichen. Ein Trend der sich auch im kommenden Jahr fortsetzen wird", so die Verfassungsschützer.

Auch Linksextremismus rückläufig

Behandelt wird in dem Papier auch der Linksextremismus in Zusammenhang mit Corona. Es sei "evident, dass linksextremistische Akteure, die zu Beginn der Pandemie noch versuchten den Protest gegen die Bundesregierung unter dem Vorwand der Kritik am COVID-19-Maßnahmengesetz mitzubestimmen, zunehmend eine Position als kritische Beobachter der Anti-COVID-19-Sammelbewegungen - insbesondere in Hinblick auf das Agieren von rechtsextremen Kreisen innerhalb dieser Bewegungen - eingenommen haben".

Dokumentiert wurden insgesamt 167 Tathandlungen mit erwiesenen oder vermuteten linksextremen Tatmotiven (2019: 218 Tathandlungen), wobei eine Tathandlung mehrere Delikte mit gesonderten Anzeigen beinhalten kann. Zwölf Tathandlungen, das sind 7,2 Prozent, konnten aufgeklärt werden. Bundesweit wurden 257 Anzeigen (2019: 311 Anzeigen) erstattet.

Letzter Bericht des BVT

Zum letzten Mal war für den Bericht das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zuständig, das Ende des Vorjahres in der neuen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) aufgegangen ist.

Die Veröffentlichung hat sich verzögert, weil sich die Behandlung im zuständigen Unterausschuss verschoben hatte - eine Begründung, die man bei der SPÖ für fragwürdig hält. Für 2021 soll sich beim Bericht einiges ändern, er soll früher erscheinen auch die Wiedereinführung eines eigenen Rechtsextremismusberichts ist bereits beschlossen.
 

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