„Wir haben einen hohen Anteil an Flüchtlingen und an nicht-deutschsprachigen Kindern. Manche wurden nicht alphabetisiert, auch nicht auf Arabisch, kommen aber aufgrund ihres Alters in die 3. oder 4. Klasse“, sagt Direktorin Martina Bach. Auch die Eltern seien aufgrund ihrer Erfahrungen oft belastet. „Nachhilfe ist daher eine der letzten Sorgen, die diese Familien haben. Abgesehen davon, dass sie sich diese nicht leisten könnten“, fügt Bach hinzu. Doch selbst der engagierteste Pädagoge könne bei 25 Kindern pro Klasse nicht auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen eingehen.
„Zuhören und da sein“
Hier kommen die Freiwilligen ins Spiel: Jeder hat „seine“ Klasse, in der er einen Tag pro Woche hilft, wo es nötig ist. Etwa beim Schreiben, Lesen und Rechnen oder bei Hausübungen. „Es geht dabei nicht um Leistung. Oft ist einfach wichtig, dass jemand da ist und zuhört“, betont Bach.
Eine der „Freispielerinnen“, wie sie sich nennen, ist Angelika Linsmeier. Sie arbeitete im Pädagogikbereich. Nun, in ihrer Pension, verbringt sie jeden Dienstagvormittag in einer zweiten Klasse in der Johnstraße. Häufig kommen Flüchtlingskinder unter dem Schuljahr und müssen sich in der neuen Klasse erst zurechtfinden. Erst am Vortag sei die kleine Aliya (Name geändert, Anm.) aus Syrien dazugestoßen. Sie habe Aliya geholfen, ihr alles gezeigt. „Als sie dann in der Pause das erste Mal gelacht hat, sind mir vor Freude fast die Tränen gekommen“, erzählt Linsmeier.
Den Eltern keinen Vorwurf machen
Berufserfahrung als Pädagogin ist aber keine Voraussetzung: „Freispielerin“ Renate Kaiser etwa war in der Privatwirtschaft im organisatorischen Bereich tätig. Seit Mai 2023 hilft sie in einer vierten Klasse. Sie habe viel gelernt in der Zeit: „Ich war fassungslos, wie viel Personal den Schulen fehlt. Wie viel Potenzial bei den Kindern deshalb brachliegt“, sagt sie. „Und mir war vorher nicht bewusst, unter welch schwierigen Bedingungen manche Kinder leben. Dass sie in WGs untergebracht sind oder Hunger haben.“
Daher wäre eine ganztätige Schule eine gute Lösung, findet Linsmeier: „Mit Mittagessen und Betreuung am Nachmittag. Denn da hören die Kinder oft kein Deutsch mehr.“ Wichtig sei aber, den Eltern keinen Vorwurf zu machen: „Die haben oft eh schon ihr Packerl zu tragen“, fügt Linsmeier hinzu.
Beide „Freispielerinnen“ sind sich einig: Zu helfen sei eine riesige Bereicherung – vor allem die große Freude der Kinder, wenn sie mit ihnen plaudern, lernen oder lachen.
Lange Warteliste
Gegründet wurde „Freispiel“ übrigens vor zehn Jahren von Dorith Salvarani-Drill, um sozioökonomisch schwachen Kindern zu helfen. 196 „Freispieler“ sind mittlerweile in insgesamt 91 Schulen, Horten und Kindergärten aktiv. Mit großem Erfolg: „112 Einrichtungen stehen aktuell auf unserer Warteliste. Und diejenigen, die schon Helfer haben, möchten mehr“, beschreibt sie.
Auch in der Johnstraße ist man für die Hilfe der „Freispieler“ sehr dankbar: „Diese Art der Betreuung wäre für uns sonst völlig unleistbar“, betont Bach. Gemeinsam schaffe man eine Atmosphäre, in der sich die Kinder wohlfühlen: „Manche Kinder weinen sogar, wenn die Ferien beginnen und sie nicht mehr in die Schule kommen können“, erzählt Bach.
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