Verdeckte Jagd auf Dealer

Verdeckte Jagd auf Dealer
Im Stadtpark geht den Ermittlern dank Lockvogel ein 17-Jähriger ins Netz.

So einfach gibt der Mann nicht auf. Als er merkt, dass er in der Gierstergasse in Wien-Meidling gerade einem Undercover-Polizisten ein Kugerl Koks verkauft hat, ergreift der 24-Jährige die Flucht. Die Ermittler in Zivil nehmen die Verfolgung auf – und fassen ihn wenig später. Doch nicht ohne Gegenwehr. Der Verdächtige will seine Haut retten. Mehrere Polizisten werden verletzt.

Für die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) ist das Alltag. Es sind nicht immer die großen Fische, die ins Netz gehen. Aber Wien genießt mittlerweile den Ruf eines unangenehmen Drogen-Pflasters. Und das bekommen die Straßenhändler zu spüren.
Rund um den Ententeich im Stadtpark lassen sich die Menschen die Sonne ins Gesicht scheinen. Viele nützen den warmen November-Tag für einen Spaziergang. Auch neun Männer machen sich auf den Weg ins Grüne. Mit Erholung hat das aber wenig zu tun. Die Ermittler der EGS sind auf der Suche. Und zwar nach Dealern, die an dem warmen Nachmittag ihre Ware verkaufen wollen.

Ronny ist der Lockvogel. Die Schirmkappe hat er tief ins Gesicht gezogen, die Skaterhose sitzt tief. Und seine Haltung ist devot – mit hängenden Schultern schleicht er durch den Stadtpark. „Nicht viel los, heute“, erkennt er rasch. Der Umschlagplatz für Marihuana hat schon belebtere Zeiten gesehen. „Früher haben’s ja direkt vor dem Spielplatz verkauft.“ Heute sitzen dort nur mehr Mamas, Papas und Großeltern.
Plötzlich fallen ihm vier junge Burschen auf. Sie setzen sich auf eine Parkbank. Auf Blickkontakt reagieren sie nicht. Ronny geht in die Offensive. „Wisst’s ihr, wo man hier was kriegt?“ Die Burschen sind überrascht. Drucksen herum. Auffällig nervös. Und schicken Ronny an einen anderen bekannten Drogenumschlagplatz.

Auffällig

Ronny geht weiter. Und bekommt von einem Kollegen via Funk einen Tipp. Ein junger Mann mit heller Hose verhält sich auffällig. Der Bursche steht vor dem Abgang zur U-Bahn-Station. Mit einem kaum merkbaren Nicken nimmt der verdeckte Ermittler Kontakt mit ihm auf. „Hast du was?“ Der Bursch ist misstrauisch. „Du schaust aus wie ein Verdeckter.“ Ronny lacht. Geht weg.

„Was brauchst?“ Der Solarium-gebräunte Bursch hat angebissen. Aus einem Socken zaubert er ein kleines Plastiksackerl mit Marihuana heraus. „20 Euro“, verlangt er. „Hast noch mehr?“ Er hat. Ein zweites Sackerl wandert aus dem Socken.

Der Bursche marschiert mit 30 Euro in der Tasche zur U-Bahn. Und das ist der Moment, an dem sich bereits sämtliche Ermittler auf seine Fersen geheftet haben. Bisher unsichtbar im Hintergrund, nehmen sie die Verfolgung auf. Der Dealer beginnt zu laufen. Quer durch die Station. Die Ermittler rennen nach, schneiden ihm den Weg ab, legen ihm die Handschellen an. Eine Lehrerin mit Schulklasse beobachtet das Geschehen aus nächster Nähe. Passanten staunen.

Der 17-Jährige ist ein kleiner Fisch. Und der Burgenländer, so stellt sich wenig später heraus, wollte rund drei Gramm wertlosen (legalen) Industriehanf zu schnellem Geld machen.

1329 Festnahmen im heurigen Jahr – das macht vier bis fünf Festnahmen täglich, allesamt wegen Drogendelikten. Das ist die Bilanz der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die von Chefinspektorin Margit Wipfler vor neun Jahren ins Leben gerufen wurde. Seither wurden in Wien rund 11.000 Personen verhaftet.

„Am Anfang waren 80 bis 100 Dealer am Schwedenplatz. Hast du einen eingesperrt, hat der nächste ein paar Meter weiter schon wieder verkauft“, erzählt Christian H., Gruppenführer der Suchtgiftgruppe 2. „In 30 Minuten haben wir damals vier Dealer gehabt.“
Die Zeiten sind vorbei. Wer heute ein Kugerl Koks will, muss lange suchen. „Wir werden die Szene nicht auflösen können. Aber der zufällig vorbeikommende Schüler bekommt nicht mehr ständig Drogen angeboten“, sagt H. Seine Truppe ist auffallend jung. Und gut ausgebildet. Sportlichkeit, Observationstechnik und regelmäßige Einsatztrainings sind Pflicht. Denn fühlt sich ein Dealer in die Enge getrieben, sucht er mit allen Mitteln nach einem Ausweg. „Zwei Leute haben wir gerade im Krankenstand . Einer hat sich die Bandeln gerissen, der andere eine ausgekugelte Schulter.“

Waffen

Und immer öfter sind auch Waffen im Spiel. Denn: Die Dealer wollen sich schützen. Nicht unbedingt vor der Polizei, sondern vor Überfällen. „Zuletzt hatte einer zugespitztes Aluminium in der Hand“, erzählt H. aus der Praxis. Auch Schusswaffen tauchen immer wieder auf.
Die Schauplätze wechseln. Beliebt seit eh und je sind Verkehrsknotenpunkte und Öffis. Der Straßenhandel ist fest in afrikanischer Hand. Doch bestens vernetzte Tätergruppen aus Mazedonien drängen sich derzeit vor allem in den Heroin-Markt.
Aktuelle Bilanz: 1,8 Kilo Heroin, 2,2 Kilo Koks, 33 Kilo Cannabis und 370.000 € Drogengeld wurden von den EGS-Ermittlern sichergestellt. Die Idee aus Wien hat Nachahmer gefunden. In sämtlichen Bundesländern wurden EGS-Einheiten geschaffen.

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