16 ECTS – das sind umgerechnet acht Semesterwochenstunden. Diesen Arbeitsaufwand müssen Studierende innerhalb von zwei Jahren erbringen, um von der Universität nicht gesperrt zu werden. Mit dem laufenden Wintersemester wird nämlich erstmals die Novelle des Universitätsgesetzes aus dem Jahr 2022 schlagend, die die Mindeststudienleistung an allen österreichischen Universitäten vorschreibt.
8.900 starteten 2022
Im Wintersemester vor drei Jahren begannen in Wien rund 8.900 Studenten ihr Bachelor- bzw. Diplomstudium – etwas mehr als jeder zehnte Studierende ist nun gesperrt. „Die Einführung dieser Regelung stellt eine neue gesetzliche Vorgabe dar, vergleichbare Maßnahmen gab es bisher nicht“, sagte Maria Walzer, an der Uni Wien für die Studierendenkommunikation zuständig. Es gebe keine Studienrichtung, die von der Studiensperre besonders betroffen sei. „Die Studienrichtungen sind tatsächlich querfeldein, es ist keine Systematik erkennbar“, so Walzer.
Die Hürde von 16 ECTS als Mindeststudienleistung für Studienanfänger, auf die sich die damalige Regierung einigen konnte, wirkt auf den ersten Blick nicht hoch. Die Absolvierung eines Bachelor-Studiums mit üblicherweise 180 ECTS würde in diesem Tempo 22,5 Jahre dauern, als Mindeststudienzeit sind drei Jahre vorgesehen.
71 Prozent arbeiten
Ein weiterer Faktor in dieser Rechnung ist aber entscheidend: Der Großteil der Studierenden muss nebenbei arbeiten, um sich das Studium überhaupt leisten zu können. An der Universität Wien gingen laut Studierendensozialerhebung 2023 71 Prozent der Studierenden regelmäßig oder gelegentlich einer Erwerbstätigkeit nach. Dass man innerhalb einer bestimmten Zeit eine Mindestleistung erbringen müsse, erhöhe den Druck besonders für alle Studierenden mit Zusatzbelastungen, kritisiert die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH). „Das können Studierende sein, die nebenbei arbeiten, um sich das Studium zu finanzieren, oder welche, die Kinder haben“, betont ÖH-Vorsitzende Nina Mathies.
Auch durch persönliche Lebensumstände können Studenten ausfallen. „Wir kennen Studierende, die unter den Langzeitfolgen von Corona leiden und dadurch weniger schaffen im Studium“, so Mathies. Ausnahmen gibt es auch nicht für Zweitstudien, in solchen Fällen müssen pro Studienrichtung jeweils 16 ETCS erbracht werden. Auch die in ihren Augen ungerechte Verteilung der ECTS-Punkte spreche gegen Studiensperren. „Besonders bei technischen Studienrichtungen sind die Lehrveranstaltungen zwar stundenlanger Aufwand, werden aber mit viel weniger ECTS dotiert als etwa bei Politikwissenschaft“, so die ÖH-Vorsitzende.
Man habe sich die Vergabe von ECTS-Punkten durchgerechnet: „Für dieselbe Arbeitszeit bekommt man in einem Ingenieurstudium nur halb so viele ECTS wie zum Beispiel in einem sozialwissenschaftlichen Studium an der Uni Wien.“ Solang man keine ECTS-Gerechtigkeit habe, seien die Studiensperren völlig selektiv und würden nicht dasselbe für die einzelnen Studiengänge bedeuten.
Uni bietet Lerncamps
Den Unis würde es hauptsächlich darum gehen, „Karteileichen“ zu entfernen. „Als die Maßnahme eingeführt wurde, hat es geheißen, für die Unis sei der Aufwand rund um diese ’Karteileichen’ so groß, dabei kostet ein Student, der einfach nur inskribiert ist, weder die Uni noch den Steuerzahler etwas, so Mathies. Es handle sich dabei hauptsächlich um eine politische Entscheidung.
Auf die Frage, wie man mit Betroffenen umgeht, antwortet die Uni, dass „Unterstützungsangebote wie Lerncamps und Beratungen sowie mögliche Lösungswege entsprechend bereitgestellt werden“. An der erloschenen Zulassung ändert das aber nichts.
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