Ungeliebete Einfamilienhäuser und Verdichtungswahn
KURIER: Die hohe Bau-Dichte gilt als Klimaschutzargument: Nur sie verhindere Flächenfraß.
Christian Kühn: Wahrscheinlich ist, dass die Nachfrage nach Wohnraum in der Stadt wieder sinken wird. In Wahrheit kann das niemand voraussagen. Aber die Diskussion in der Architekturszene scheint weltweit vom Urbanen ins Ländliche zu schwingen. Und das schaut ganz anderes aus als vor 30 Jahren.
Immer noch sind 25 Prozent des gesamten Bauvolumens in Österreich Einfamilienhäuser.
Architekten laufen Jahren Sturm gegen das Einfamilienhaus, doch es ist nicht auszurotten. Man muss die Frage stellen, ob es nicht andere Siedlungsstrukturen gibt, die ökologisch bauen am Land ermöglichen.
Reden wir wirklich vom Land oder ist es wieder der berühmte Speckgürtel?
Es wird der Speckgürtel werden, wenn dort noch mehr Leute hinausziehen und man nicht innovativ ist und fragt: Wie können wir gemeinsam das Land bebauen, aber nicht mehr in dieser flächendeckenden Einfamilienhausstruktur, sondern dichter, linearer und mit anderem Funktionsmix? Und auch im Bewusstsein, dass man über gute digitale Netze und öffentliche Verkehrsmittel verfügt und vielleicht nicht täglich nach Wien ins Büro muss.
Die Stadt Wien baut weiterhin sehr dicht, etwa im Donaufeld. Das Argument ist stets, dass man leistbaren Wohnraum braucht. Muss es aber so eng sein?
Nein. Wir sind ja nicht im Inntal. Es gibt keine geografischen Beschränkungen fürs Bauen. Es gibt den Wienerwald und die potenziell endlose nordöstliche Ausdehnung der Stadt. Viel wird davon abhängen, ob man eine sinnvolle Kooperation mit Niederösterreich zustande bringt. Meine Vermutung ist, dass viel von diesem Verdichtungswahn daher kommt, dass irgendwo die Stadtgrenze ist und man diese widmungsmäßig nicht überschreiten kann. Die Stadt als morphologisches Konstrukt weiß allerdings nichts davon. Man könnte sich durchaus interessante Stadterweiterungen vorstellen, die nach Niederösterreich hinausgehen. Mit guten Verkehrsverbindungen ins Zentrum. Schon die
U-Bahn über die Stadtgrenzen hinauszuführen, wäre sinnvoll. Auch in der Achse Wien-Bratislava würde ökonomisch und siedlungsmäßig mehr drin stecken.
Schon Otto Wagner hat sich Wien als unbegrenzt wachsende Großstadt überlegt.
Das bedeutet natürlich, dass man nicht immer an die Stadtgrenze denkt und daran, dass hier das Grün anfängt. Man muss auch an die Menschen denken, die in der Stadt bleiben, auch denen muss man Grün anbieten.
Kommentare