Besonders delikat ist eine mögliche türkis-grüne Regierung für die Wiener SPÖ. Immerhin sitzt sie mit den Ökos seit 2010 in der Stadtregierung. Bildet der Langzeit-Partner demnächst mit Sebastian Kurz die Bundesregierung, wird das nicht ohne Konsequenzen auf die Rathaus-Koalition bleiben.
Dass Wiens Bürgermeister Michael Ludwig am Montag an der Seite der Bundesparteichefin stand, kommt also nicht von ungefähr. Ludwig, der kommendes Jahr in Wien wählen lassen muss, ist auf der Suche nach dem – für ihn – richtigen Zeitpunkt.
Angst vor gutem Wetter
Zu gröberen Umbrüchen käme es in der Wiener Stadtregierung vor allem dann, wenn Birgit Hebein, Vizebürgermeisterin und aktuell im grünen Verhandlungsteam, als Ministerin in den Bund wechselt. Dann müssten die Wiener Grünen binnen kurzer Zeit schon wieder ihren Posten nachbesetzen.
Zur Erinnerung: Hebein war erst im Juni nach einem langwierigen internen Wahlverfahren Maria Vassilakou als Vizebürgermeisterin nachgefolgt.
Eine Wiederholung des mühsamen Prozederes würde die Wiener Grünen arg in Bedrängnis bringen – vor allem so kurz vor der Wahl.
In der Wiener SPÖ gibt es daher Überlegungen, im Anlassfall diese Schwäche des Koalitionspartners auszunützen und die Wahlen auf den Frühling vorzuverlegen.
Eine weitere Überlegung, die derzeit in der Wiener SPÖ die Runde macht: Wenn bereits im Frühjahr gewählt wird, könnte man den erwartungsgemäß heißen Sommer in der Stadt umschiffen.
Steigen die Temperaturen, können die Grünen ihr Lieblingsthema Klimawandel besser an die Wähler bringen als in einem verregneten März.
Ein gewichtiges Argument spricht gegen eine Vorverlegung: „Zu Beginn wird Türkis-Grün alle paar Wochen irgendwelche Mega-Themen präsentieren“, sagt ein Roter. Für die Wiener SPÖ werde es dementsprechend schwer, mit eigenen Themen durchzukommen.
Somit sei es sogar realistischer, dass die Grünen selbst Neuwahlen in Wien vom Zaun brechen, argwöhnt man in der Sozialdemokratie.
So oder so – die Vorbereitungen der SPÖ, die Grünen in Wien frontal anzugreifen, laufen: „Als Mitverhandlerin wird Hebein ihre Unterschrift unter den fertigen Koalitionspakt setzen müssen. Damit wird sie auch für die Inhalte des Regierungsprogramms Verantwortung tragen müssen“, deutet ein Funktionär die mögliche rote Wahlkampfstrategie an.
Bedrohungsszenario
Derzeit kursiert in der Wiener SPÖ folgendes Bedrohungsszenario: Die ÖVP setze alles daran, um der SPÖ das Bürgermeister-Amt zu entreißen. Daher hätten die Türkisen jetzt schon mit den Grünen in einem „Sideletter“ vereinbart, dass man nach der Wahl gemeinsam mit den Neos die SPÖ aus der Regierung drängen werde. Zur Not mit einem unabhängigen Bürgermeister.
Ob realistisch oder nicht: Dieses Szenario könnte dazu dienen, eigene Funktionäre und Wähler zu mobilisieren, nachdem die ramponierte FPÖ nicht mehr als Schreckgespenst taugt. (Zumindest nicht, solange Heinz-Christian Strache nicht aus seiner Polit-Pension zurückkehrt.)
Manche in der SPÖ erhoffen sich aus der neuen Konstellation übrigens sogar verbesserte Wahlchancen: „Die Grünen werden Farbe bekennen müssen“, sagt ein hochrangiger Roter.
Er geht davon aus, dass die Kompromisse, die die Ökos im Bund eingehen müssen, viele Grün-Wähler enttäuschen werden. Die Grün-Wähler in Wien sind tendenziell deutlich ÖVP-kritischer als die grüne Gefolgschaft in anderen Ländern.
Offiziell hält Ludwig an seiner Strategie, erst möglichst spät zu wählen, fest: Beim Auftritt mit Rendi-Wagner gab er sich betont gelassen.
Er sehe, so Ludwig, keine dramatischen Auswirkungen auf das Koalitionsklima: „Als die SPÖ in der Bundesregierung war, haben die Wiener Grünen auch nicht zurückgeschreckt, sie zu kritisieren.“
Er selbst will die künftige Regierung – egal wer ihr angehört – allein danach bewerten, welche Vorteile sie für Wien bringt.
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