Umweltjurist widerspricht Stadt: Stadtstraße nicht "in Stein gemeißelt"

Umweltjurist widerspricht Stadt: Stadtstraße nicht "in Stein gemeißelt"
Ökobüro: UVP-Abänderung wäre problemlos möglich. NGOs pochen auf Redimensionierung und massiven Öffi-Ausbau.

Mehrere Organisationen forderten am Donnerstag erneut ein Umdenken der Stadt Wien bezüglich der Stadtstraße Aspern. Gregor Schamschula, Umweltjurist des Ökobüros, betonte, die vierspurig und Autobahn-ähnlich geplante Straße sei keineswegs "in Stein gemeißelt“. Es sei problemlos möglich, einen Abänderungsantrag zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) einzubringen und die Straße zweispurig umzuplanen: "Das ist nicht sehr aufregend, das passiert regelmäßig und ist auch kein großer Aufwand.“

Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) hat wiederholt behauptet, eine UVP-Änderung bedeute "jahrelange Verzögerungen". Genau das stimme aber nicht, so Schamschula. Und ein von Grund auf neues UVP-Verfahren brauche es "auf keinen Fall".

Neue Situation

Michael Schwendinger vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) betonte, durch den Wegfall des Lobautunnels hätte sich die Ausgangssituation "grundlegend verändert“ und forderte eine Redimensionierung der Straße mit einhergehendem Öffi-Ausbau in der Donaustadt. Schwendinger: "Brauchen wir diese vierspurige Autostraße? Nein, die brauchen wir nicht."

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die ersten Pläne für die Stadtstraße bis in die 1990er-Jahre zurückreichen und die vorliegende Variante Anfang der 2010er-Jahre geplant wurde, gab Schwendinger zu bedenken. Die Klimakrise habe sich seitdem aber verschärft - wie übrigens auch die Klimaziele der Stadt Wien und des Bundes.

Bus-Spur auf der Tangente?

Bezüglich besserer öffentlicher Anbindung der Stadtentwicklungsgebiete in der Donaustadt biete sich kurzfristig ein neues Bus-System mit Haupt- und Nebenlinien an, sagt der Mobilitätsexperte. Auch über Schnellbusse und eigene Busspuren – selbst auf der Tangente – könnte man nachdenken. Mittelfristig sollten dann die S-Bahn und Straßenbahnen ausgebaut werden. (Über konkrete Öffi-Konzepte für die Donaustadt berichtete der KURIER bereits am Donnerstag ausführlich).

Ein „Weiter wie bisher“ stehe hingegen „in diametralem Widerspruch zum Erreichen der Klimaziele“, so Schwendinger. Es sei deutlich belegt, dass neue Straßen mehr Verkehr bringen. Das sei "wahrscheinlich jene Theorie in der Verkehrswissenschaft, die in der Praxis am besten bestätigt wurde". Mit der Stadtstraße würde das Stauproblem also nur um wenige Jahre in die Zukunft verschoben.

Angebot schafft Nachfrage

Die gute Nachricht sei: Das Prinzip "Angebot schafft Nachfrage" funktioniere auch beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, von Geh- und Radwegen. "Nur, dass man damit eine nachhaltige Verkehrsentlastung erreicht und gleichzeitig auch noch einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet."

Die Stadt Wien habe es in der Corona-Krise geschafft, "sehr rasch und auf Basis wissenschaftlicher Evidenz" auf eine neue Herausforderung zu reagieren, betonte Schwendinger. Genau das brauche es jetzt auch bei der Stadtstraße.

Stadtentwicklung als Chance

Die intensive Siedlungsentwicklung in der Donaustadt sei zudem eine große Chance, gewohntes Mobilitätsverhalten zu verändern, weil dieses stark routinebehaftet sei. Gleichzeitig beginnen oder enden acht von zehn Wegen zu Hause. "Wien war vor 100 Jahren Vorreiter beim sozialen Wohnbau. Heute hat Wien die große Chance, Vorreiter beim ökosozialen Wohnbau zu werden“, so Schwendinger.

Die Voraussetzungen dafür sind laut Schwendinger mit dem ausgezeichneten Öffi-Netz gegeben. Jetzt müsse man dieses eben auch nördlich der Donau weiter vorantreiben.

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