Trillerpfeifen auf der Bettenstation
Die Studenten sind gut organisiert. Auf jedem Platz liegt eine Trillerpfeife bereit, Studenten verteilen Plakate mit der Aufschrift „Uns reicht’s“, Transparente werden ausgerollt. Obwohl die Protest-Veranstaltung längst begonnen hat, drängen immer noch Dutzende junge Menschen in den Hörsaal Nummer 1 im AKH. Es ist Kampfstimmung in Österreichs größtem Krankenhaus, ein junger Student am Rednerpult macht seinem Ärger Luft. „Die Uni hat den Bogen überspannt. Jetzt reicht’s.“ Tosender Beifall, die Trillerpfeifen sind auch noch in den Gängen des AKH weithin hörbar.
Stein des Anstoßes sind Änderungen im Lehrplan: Ab 2014 soll es an allen heimischen MedUnis ein klinisch-praktisches Jahr geben. 2013 wird es ein Übergangsjahr mit gleich zwei praktischen Lehrgängen nebeneinander geben. Somit müssen in Wien rund 1200 statt 600 Studenten den Kurs gleichzeitig durchlaufen.
Doch noch sei völlig unklar, wo die zusätzlichen Studenten alle untergebracht werden sollen, kritisiert Christian Orasche von der ÖH der Wiener MedUni. Er wirft dem Rektorat vor, die Studenten in völliger Ungewissheit zu lassen.
Überfüllt
Fest steht jetzt schon, dass das AKH allein die doppelte Studentenzahl nicht bewältigen kann. Daher wird diskutiert, ob die Studenten ihre Ausbildung auch an Spitälern in den anderen Bundesländern absolvieren können – doch die Studenten wurden dazu bis dato nicht befragt.
Den Studierenden geht es aber nicht nur um diese einmalige Doppelgleisigkeit. Generell liege die Lehre im AKH im Argen, weil neben der Routine-Versorgung der Patienten dafür einfach viel zu wenig Zeit bleibe. „Es kommt immer wieder vor, dass Vorlesungen ausfallen, weil der Arzt im OP-Saal einspringen muss“, erzählt Orasche. Somit könne Forschung und Lehre oft nur in der Freizeit stattfinden.
Obwohl die AKH-Ärzte – anders als bei anderen heimischen MedUnis – zu 100 Prozent im Sold des Wissenschaftsministeriums stehen, seien sie vorwiegend mit der Versorgung der Patienten eingedeckt. Konsequenterweise, so fordert Orasche, soll daher die Stadt Wien die Hälfte der Finanzierung übernehmen. Die vom Ministerium finanzierten Ärzte sollen sich dann überwiegend auf Forschung und Lehre konzentrieren können.
Diese Forderung tauchte bereits vor einem Jahr auf, als AKH-Ärzte wegen geplanter Einsparungen an Österreichs größtem Spital auf die Barrikaden stiegen. Daraufhin entstand eine Arbeitsgruppe, in der Gemeinde Wien und das Ministerium über eine Neuorganisation des AKH-Betriebs verhandeln. Wann erste Ergebnisse vorliegen, sei offen, heißt es im Rektorat der MedUni.
Dort hat man für die aktuellen Proteste der Studenten nur wenig Verständnis. „Das klinisch-praktische Jahr war immer ihr Wunsch“, betont ein Sprecher. Und für die Abwicklung der Umstellung gebe es Arbeitsgruppen, in die auch die Studenten eingebunden seien. „Erst am vergangenen Freitag hat sie der Rektor zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.“ Zudem seien Info-Veranstaltungen in den nächsten Wochen geplant. „Das allerdings erst, als wir mit den Protesten begonnen haben“, sagt Orasche.
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