Treffpunkt Wien: Zahlen, bitte!

Treffpunkt Wien
Zum Nachdenken und Zeitungslesen geht Mathematiker Rudolf Taschner ins Café Sperl.

Mathematisch ausgedrückt liegt das Stammcafé von Rudolf Taschner in der Mitte eines Dreiecks. Und zwar eines mit den Eckpunkten TU (steht für: Technische Universität, wo er Vorlesungen hält), MQ (also dem MuseumsQuartier, wo sich sein Math.Space befindet) und ZH (seinem Zuhause).

Gemeint ist das Café Sperl in der Gumpendorfer Straße, das Kaffeehaus mit der beeindruckenden holzvertäfelten Kassa, den weinrot gepolsterten Sitzbänken und den großen Billardtischen. Im Laufe seiner 136-jährigen Geschichte war es Stammlokal verschiedenster Philosophen und Künstler. Auch die Schauspieler Alexander Girardi oder der Komponist Franz Lehár waren oft und gern zu Gast; die nach ihnen benannten Gassen liegen übrigens ums Eck.

Zoll fürs Zeitungslesen

Als der KURIER Taschner in einer der Logen (oder wie Freud sagte: "Inseln des Rückzugs") trifft, liegt auf dem Tisch chen ein hoher Stapel Zeitungen. "Der Kaffee ist eigentlich nur mein Zoll, damit ich die ganzen Zeitungen lesen darf", sagt Taschner und bestellt bei der Kellnerin eine weitere Melange.

Den typischen grantigen Kaffeehaus-Ober sucht man im Sperl vergeblich. Manfred Staub, der das Kaffeehaus 1968 übernommen hatte, beschäftigte lange Zeit lang nur Kellnerinnen.

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"Meine Gäste sind doch keine Masochisten", erklärte er damals. "Ich finde, der Gast sollte bemuttert werden. Und das können Frauen nun einmal am besten." (Mittlerweile gibt es zwar wieder Ober, aber nur freundliche.)

Nicht bemuttern, dafür Trost spenden möchte Taschner mit seinem neuen Buch "Woran glauben". Auf die Frage, ob wir in einer Glaubenskrise sind, sagt Taschner nämlich: "Ich glaube schon."

Deswegen hat er sich zehn Instanzen angesehen, an die man heute noch glauben kann. Er erzählt vom Glauben an die Natur und ans Ich oder auch an den Genuss (Denn wie sagte Woody Allen? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Nach einer Weile braucht er einen Drink). Und was wäre ein Glaubensbuch ohne die äußerst weitverbreitete Glaubensrichtung Aberglaube. Warum wird die 13 eigentlich mit Unglück verbunden? "Das könnte vom letzten Abendmahl stammen. Weil von den 13 Anwesenden, einer ans Kreuz genagelt wurde." Eine andere Theorie bezieht sich auf König Philipp, Vater von Alexander dem Großen. Er wollte zu den zwölf Statuen der Götter, eine weitere dazustellen. Kurze Zeit später wurde er umgebracht.

Glaube an Mathematik

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Der Glaube spielt übrigens auch in der Mathematik eine Rolle. "Man kann nicht beweisen, dass alles wirklich haltbar ist. Man muss glauben, dass es funktioniert; dass man die kleinen Fehler, die es gibt, korrigieren kann."

Apropos Fehler. Diesen sollte in der Schule nicht so sehr mit Strenge begegnet werden, findet Taschner, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Mathematik von ihrem schlechten Image zu befreien. Fehler sollten positiver Anstoß zum Lernen sein. Die Zukunft eines Landes stehe und falle schließlich mit logisch denkenden Menschen. Um diese Denkweise zu fördern, gründete Taschner 2003 das Kulturprojekt Math.Space. Ist er mit der Entwicklung zufrieden? Auf jeden Fall. Mathematiker werden nicht mehr nur als "komische Nerds" gesehen. Und es gibt immer mehr Studienanfänger in den "Fächern, die für die Zukunft Österreichs wichtig sind". Toll wäre es nun, wenn nicht so viele von ihnen abbrechen würden.

Zu tun ist jedenfalls genug. Zu sagen ist vorerst nur noch eines: "Zahlen, bitte!"

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