Treffpunkt Wien: Von Bauchgefühl und Backstuben
Würden Sie ihrem Partner eine Niere spenden?
Nach „Terror“ – dem Theaterstück von Ferdinand Schirach, das der Frage nachgeht, ob man ein Flugzeug mit ein paar hundert Menschen abschießen darf, um Tausende in einem Stadion zu retten – ist Schauspielerin Martina Stilp ab 2. Mai in den Kammerspielen in einem weiteren Stück zu sehen, das sich einem moralischen Dilemma annimmt. Stefan Vögels „Die Niere“ behandelt die Frage, wie weit man für die Liebe geht. Martina Stilp spielt Protagonistin Kathrin, die ein neues Organ braucht und ihren Mann Arnold unter Zugzwang bringt.
Würde sie ihre Niere spenden? Martina Stilp denkt kurz nach. „Ich glaube schon. Ich hätte zwar große Bedenken, je näher der Termin rückt, aber ich glaube, ich könnte es nicht nicht tun.“
Zwischenstation
Vor ihr am Kaffeehaustisch liegt das Manuskript des Stücks, in einer Stunde muss sie zur Probe. Zwischen Zugfahrt (von Baden, wo sie lebt) und Arbeitsbeginn findet sie sich mittlerweile fast immer zur Einstimmung im Diglas am Fleischmarkt ein.
Das Café hat Hans Diglas senior vor 20 Jahren übernommen und sanft renoviert: Bücherregal und geblümte Tapete im hinteren Bereich, witzige Akzente wie Petticoats als Lampenschirm oder Tassen in der Wand im vorderen.
Mit seiner Backstube ist das Kaffeehaus zum Herzstück der Gastronomiefamilie geworden. Denn hier werden die Mehlspeisen für alle Diglas-Betriebe gebacken. Auffällig trotz der zentralen Lage ist die ruhige Stimmung.
Ruhe.
Die hat Stilp, gebürtige Deutsche, von Anfang an an Österreich fasziniert. Die Ruhe, in der etwas weitergeht.
2000 war sie für ein Engagement von München nach Graz gezogen, 2010 folgte der Wechsel ans Volkstheater nach Wien. Seit fünf Jahren ist sie Ensemblemitglied im Theater an der Josefstadt.
Die Sehnsucht nach Wien hat vor Jahrzehnten ein Magazin geweckt. „Mein Augenarzt in Deutschland hatte seine ganze Praxis mit Opernstars zugepflastert. Zu lesen gab’s Die Bühne. Immer, wenn ich die durchblätterte und darin über Theater und Oper las, dachte ich: Wahnsinn, Wien, da möchte ich hin.“
Medizin und Spiel
Lustig eigentlich, dass es dann auch so passiert ist. „Es hat sicher ganz viel mit Glück zu tun“, sagt sie. Auch ihr Weg in die Schauspielerei an sich. „Ich dachte ja lange, dass ich Medizinerin werde.“ Der Körper hat sie fasziniert, Biologie war stets ihr Lieblingsfach. Erst kurz vor der Matura entdeckte sie über einen Schultanzkurs und ein Stadtschauspiel ihre Liebe zum Darstellen. „Da gab es eine Probe, in einem leeren Raum mit großer Fensterfront und Parkettboden – in dem Moment wurde mir klar: Das möchte ich tun.“
Bloß musste sie dann feststellen, dass an den Schauspielschulen auf 1.000 Bewerber oft nur 10, 15 Plätze warten. Als sie an der ersten Schule nicht genommen wurde, wollte sie ihren Plan fast hinschmeißen. Aber ein Freund ließ sie nicht aus, brachte sie zur nächsten Schule und während sie noch überlegte, ob sie das Vorsprechen spritzen sollte, kam die Gruppe an Bewerbern an ihr vorbei, sammelte sie auf. „Und dann wurde ich gleich als Erste aufgerufen, bevor ich richtig nervös werden konnte.“
Vielleicht brachte das den Unterschied: Sie wurde genommen.
Ist sie nun, kurz vor der Premiere, nervös? „Oh ja“, sie lacht. „Aber im positiven Sinn, ich bin extrem wach, aufnahmefähig.“ Kaffee braucht sie da keinen. Und so bestellt sie nun lieber einen Grüntee.
Stilps Wien-Fazit
Bestnote für die Stadt an sich
Gut gefallen mir das Kunst- und das Naturhistorische Museum
Nicht ideal: der größer werdende Lärmpegel:
Diglas am Fleischmarkt
Die Speisen: „Kräftiges Frühstück“ mit Ham & Eggs, Saft und Gebäck (8,90€), Kleinigkeiten wie Käseomelette (8 €). Mehlspeisen frisch aus der Backstube.
Die Getränke: Melange (4,20 €), große Auswahl an Bio-Tees, heiße Limonade (4,20 €), Weißwein wie Diglas Junggeselle (1/8 l, 3,80€). Ottakringer Goldfassl (0,3 l, 3,50 €).
Das Lokal Schmales, gemütliches Lokal. Geöffnet Montag bis Freitag von 8 bis 19 Uhr, samstags von 9 bis 19 Uhr, an Sonn- und Feiertagen 10 bis 19 Uhr. Bewusst kein Wlan.
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