Treffpunkt Wien: Reisfleisch und Revolution

Treffpunkt Wien: Reisfleisch und Revolution
In Wien ist Joesi Prokopetz eigentlich nur noch an einem Ort anzutreffen: im legendären Gutruf

„Im Gutruf, da ist einfach immer wer. Und wenn’s nur der Ingenieur ist.“ Mit diesen Worten sticht Joesi Prokopetz ins Reisfleisch.

Angesprochener Ingenieur und zu diesem Zeitpunkt der einzige andere Gast im legendären „Tschocherl“ in der Milchgasse 1 unweit der Peterskirche dreht sich gespielt pikiert um: „Wos sogst?“

Joesi Prokopetz, Liedermacher, Autor, Kabarettist und Ybbsiade-Intendant, muss grinsen.

„Diese ganz spezielle Art, sich zu unterhalten, die nach wie vor keiner erklären kann, bei der man den besten Freund mit ,Servas, du Oaschloch’ begrüßt und es als Liebeserklärung meint ...“ Er nimmt einen Schluck Cola. „... und den, den man nicht leiden kann mit ,Guten Tag, Herr Ingenieur‘ begrüßt ...“ Der Ingenieur beugt sich mit hochgezogenen Augenbrauen von der Theke herüber. „... die gibt es halt nur in Wien.“

Treffpunkt Wien: Reisfleisch und Revolution

Joesi Prokopetz nimmt einen weiteren Bissen.

Mittags um 15 Uhr

Es ist kurz nach 15 Uhr an einem Wochentag und das Reisfleisch ist Prokopetz’ erste Mahlzeit. „Ich mach’ ja gerade die 8-16-Diät.“ Dabei sind acht Stunden zum Essen da, 16 Stunden muss gefastet werden. Eine Woche hält er diesmal schon durch. „Ich habe das schon einmal gemacht, aber wegen der Langsamkeit, in der was weitergeht, verliert man den Biss.“ Kurze Pause. „Im wahrsten Sinne des Wortes.“

Wortspiele und kreative Ideen fließen aus Joesi Prokopetz nur so heraus. Soeben ist sein neuestes Buch erschienen: „Urlaubsg’schichten und Reisesachen“, gemeinsam geschrieben mit dem ebenfalls reisefreudigen Fritz Schindlecker. Und kommende Woche geht ProkopetzTournee zu seinem neuen Programm los: Es ist sein fünfundzwanzigstes.

Treffpunkt Wien: Reisfleisch und Revolution

„Es ist eigentlich nicht so, dass ich der Arbeit nachrenne“, sagt der 66-Jährige. „Sie holt mich einfach immer ein.“

Und das mit den Ideen sei ja fast schon eine Zwangsneurose. „Wenn man aufmerksam durchs Leben geht und einen Blick fürs Komische hat, das sich häufig im Tragischen zeigt, dann fällt einem eben dauernd was ein, eine Geschichte, eine Satire.“

Sein neuestes Kabarettprogramm heißt übrigens „Gürteltiere tragen keine Hosenträger“. Das erinnert an sein vorvorletztes Programm mit dem Titel „Giraffen können nicht husten“.

Dabei kommen in seinen Programmen Tiere gar nicht wirklich vor. Wieso dann diese Titel? „Weil meine Programme keinen roten Faden haben, außer dass sie satirisch sind. Und in Satire steckt ja quasi das Tier. Und außerdem sind Tiere letztlich doch die besseren Menschen.“

Beatles und „Da Hofa“

Apropos besser, spinnt er weiter. Wien würde sich ja ständig zum Besseren entwickeln. „Wenn ich denke in den 70er-Jahren, da hab ich den Hofa geschrieben (er verfasste den Text für den Ambros-Hit, „,Da Hofa, Anm.) , da war alles so verknöchert, so komisch. Deshalb kam es damals ja auch zur Revolution der langen Haare. Die Beatles sorgten ja auch deshalb so für Aufsehen, weil sie so lange Haare hatten. Das war wie heute die Gelbwesten, ein Zeichen des Revoluzzertums. Damals hat es geheißen: ,Ein Bursch hat ein sauberes Genick zu haben.‘“

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Die 70er-Jahre, das war auch jene Zeit, in der das Gutruf zum Club wurde. Damals gehörte es dem Agenten Rudolf Wein und er wollte sich mit dem Klubstatus ungebetener Gäste erwehren.

Die Goldene Ära des Gutruf war aber in den 50ern, mit Helmut Qualtinger als zentraler Besucherfigur, um den sich Künstler wie Friedensreich Hundertwasser oder Politiker wie Helmut Zilk gruppierten. „Und natürlich Teddy (Thaddäeus, Anm.) Podgorski“, harkt Joesi Prokopetz ein, der das Lokal 1992 mit zwei Miteigentümern erworben hat. „Wenn der Geschichten erzählt hat, herrlich! Der hat ja alle gekannt.“

Joesi Prokopetz nimmt den letzten Bissen Reisfleisch. In dem Moment öffnet sich die Tür. Ein bekanntes Gesicht. „Ja, servas„, ruft Prokopetz, „du O...!“

Prokopetz’ Wien-Fazit:

Top: „Am besten gefällt mir an der Stadt der Wiener Schmäh.“

So mittel: „Der Auflehnungskultur der Wiener ist nicht zu Ende gedacht. Die ist zu emotional.“

Flop: „Und Parkplätze zu pönalisieren fällt unter Wegelagere

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