Terrorprozess in Wien: Heute sprachen die Angeklagten
27 Monate ist es her, dass Wien den Terror erlebte. Kujtim F. tötete in der Ausgehmeile Bermudadreieck vier Menschen, verletzte über 20 und wurde schließlich von der Polizei erschossen. Heute, Mittwoch, soll das Urteil gegen sechs Männer verkündet werden, die dem 20-Jährigen bei der Vorbereitung des Anschlags geholfen haben sollen.
Mittwochfrüh konnten die Angeklagten noch einmal das Wort ergreifen (siehe Live-Ticker unten). Danach zogen sich die Geschworenen zur Urteilsberatung zurück.
Der KURIER berichtet live aus dem Gerichtssaal von der Urteilsverkündung
Letzter Tag im Terrorprozess
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Die Geschworenen ziehen sich zurück
Nun ziehen sich die Geschworenen zurück. Es sind 28 Fragen, die sie beantworten müssen. Das passiert normalerweise handschriftlich, weil die Anklageschrift aber so umfangreich ist, wird ihnen ein Laptop ohne Internetzugang zur Verfügung gestellt. Die Verhandlung wird geschlossen. Das Urteil wird für heute Abend erwartet. Der KURIER wird berichten. Bis später! -
"Damit muss ich leben"
Der 22-jährige Sechstangeklagte hält sich kurz: "Hätte ich gewusst, was er mit der Waffe macht, hätte ich die Telefonnummer nie weitergegeben."
Ihm wird vorgeworfen, bei der Beschaffung der Tatwaffen eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. "Damit muss ich jetzt leben."
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Auch der Fünftangeklagte Adam M. möchte sich äußern
Er gibt zu, dem Attentäter die Waffe für eine Gebühr für 500 Euro vermittelt zu haben. "Ich habe aber nicht gewusst, was der damit machen wollte", sagt der 32-Jährige.
Er habe als Security gearbeitet und sogar Hollywood-Stars bewacht und für die Stadt Wien gearbeitet.
Er würde schon seit seiner Kindheit überwacht, sogar vom FBI, obwohl er nie etwas mit Religion zu tun gehabt haben soll. Weil sein Deutsch nicht sehr gut sei, wären ihm im Verfahren viele Worte in den Mund gelegt worden.
"Wörter reichen nicht, um auszudrücken, wie sehr ich bereue, die Waffe vermittelt zu haben", sagt Adam M.
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Geschworene machen sich Notizen
Auch am letzten Tag des Terrorprozesses lauschen die Geschworenen gebannt den Ausführungen der Angeklagten. Sie machen sich immer wieder Notizen, schauen den Angeklagten direkt in die Augen. Sie wurden schon im Laufe des Prozesses immer wieder für ihre gute Arbeit gelobt.
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Viertangeklagter beginnt zu sprechen
Nachdem der Zweit- und Drittangeklagte auf die Möglichkeit selbst zu sprechen verzichten, meldet sich der Viertageklagte, Hedayatollah Z, zu Wort. Er hatte zuletzt in der Wohnung des Attentäters gelebt. "Ich habe Vorstrafen, ich habe Fehler gemacht. Dafür kann man sich nur selbst verantwortlich machen. Ich bereue das!"
Die DNA des 28-Jährigen war an Munition und Waffe gefunden worden. Er beteuert, dass das nur Sekundär-DNA gewesen sein konnte, weil er eben in der Wohnung mit dem späteren Attentäter lebte. Mittlerweile habe er Frau und Kinder, die Studienberechtigungsprüfung gemacht und zu studieren begonnen. Er habe im Prozess immer wieder versucht zu beweisen, dass er unschuldig sei. "Ich bin nie in Erscheinung getreten, was islamistische Hintergründe betrifft."
"Ich habe mich 2019 mit bestimmten Leuten getroffen, die in ihrer Meinung strenger waren und das hat auf mich abgefärbt. Dank meiner Lebensgefährtin bin ich aber nicht noch stärker hineingerutscht." 2019 wäre er in den WhatsApp-Gruppen dabei gewesen, ab 2020 hätte er aber nichts mehr damit zu tun haben wollen. Er hatte seine Familie, sein Training, sein Studium und wurde von Freunden als "Stubenhocker" bezeichnet, sagt der junge Mann weiter. Er sei nicht mehr in die Moschee gegangen. "Ich bin damals nur bei Kujtim untergekommen, weil ich Probleme mit meiner Frau hatte. "Ist das Pech? Ist das Schicksal? Auf diese Dinge hat man keinen Einfluss", sagt Hedayatollah Z.
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Der Erstangeklagte spricht
Als erstes drückt der Arijanit F. sein tiefstes Beleid für die Hinterbliebenen aus. Er wohne seit 21 Jahren im wunderschönen Wien. Besuchte bis zur 6. Klasse das Gymnasium, in dem es nur röm-kath. Unterricht gab. Dann begann er sich mit seiner "eigenen Religion" dem Islam zu beschäftigen, weil er auch aus einem religiösen Haus komme. Er ging in den Ethik-Unterricht, hat aber darüber hinaus zum Islam recherchiert und sich Vorträge angehört. Dann habe er seine heutige Freundin kennengelernt und sich für andere Dinge interessiert. Er wollte seinen Führerschein machen, eine eigene Wohnung haben und habe deswegen neben seiner Lehre als Türsteher in bekannten Lokalen wie dem Horst gearbeitet.
Arijanit F. wirkt nervös, ihm versagt immer wieder die Stimme.
"Als ich dann ein Auto hatte, war das mein ganzer Stolz. Ich bin mit Freunden überall hingefahren. Zum Beispiel zum Attersee." Attentäter Kujtim F. hätte er aus einer WhatsApp-Gruppe gekannt, die "Die Muslime" heißt. Rund 20 Mitglieder hätten dort radikales Gedankengut geteilt. Kujtim F. hätte nicht viel geredet und sei ein introvertierter Typ gewesen. Dennoch habe der Angeklagte damals zugestimmt, als Kujtim ihn gefragt habe, ob er ihn nach Bratislava bringen könne - dort wollte Kujtim F. Waffen kaufen, woraus schließlich nichts wurde.
"Bei der Autofahrt hat eine unangenehme Stille geherrscht. Es hat gewirkt, als ob Kujtim gar keine Gesellschaft will", sagt der Angeklagte. Er habe ihn dann schnell wieder nach Hause gebracht.
Zu den Vorwürfen äußert sich der 23-Jährige so: "Der Verfassungsschutz kannte Kujtim vor und nach der Syrienreise. Sie haben ihn observiert, sie kannten seinen Umkreis, seine Kontakte und trotzdem wurde er nicht als gefährlich eingestuft, aber ich soll da einhaken? Ich, der seine Vorgeschichte nicht kannte?" Er distanziere sich von jeglicher Art des Terrors oder radikalem Gedankengut.
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Angeklagte treffen ein
Nachdem die Geschworenen, Richter und Anwälte in den Saal gekommen sind, begleiten und schwer bewaffnete Polizisten die Angeklagten zu ihren Plätzen. Der Prozess startet in wenigen Minuten.
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Erstangeklagter ist schon da
Der Erstangeklagte, der sich als einziger nicht in U-Haft befindet, ist bereits im Gerichtssaal. Er liest sich immer wieder einen Text durch - vermutlich jene Worte, die er heute am letzten Prozesstag an die Geschworenen richten möchte.
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Großes Medieninteresse
Die Türen des großen Schwurgerichtssaal sind noch verschlossen. Drinnen herrscht striktes Film- und Fotoverbot, vor dem Saal tummeln sich aber Kameraleute. Die Sicherheitsvorkehrungen, um ins Gericht zu kommen, sind verschärft. Langsam füllt sich der Saal mit Journalisten und Angehörigen der Angeklagten.
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Start um 9 Uhr
Guten Morgen! KURIER-Reporter Markus Strohmayer ist heute im Gerichtssaal am letzten Tag des Wiener Terrorprozesses dabei. Nachdem die Angeklagten am Vormittag selbst zu Wort kommen dürfen, werden sich die Geschworenen zur Beratung zurückziehen. Der Prozess startet um 9 Uhr.
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