Teichtmeisters letzter Vorhang ist gefallen

Schauspieler Teichtmeister mit seinen Anwälten Philipp Wolm (li.) und Rudolf Mayer (re.)
Es ist ein tiefer Einblick in die düstere Gedankenwelt von Schauspieler Florian Teichtmeister, der sich am Dienstag den Zuhörern im Landesgericht für Strafsachen in Wien bietet. Einer, der Beobachtern den Atem raubt. Der Entsetzen aufsteigen lässt.
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„Schau nicht so blöd, du dumme Schlampe.“
Nur ein (harmloser) Satz von vielen, den Teichtmeister zu den Darstellungen von Kindesmissbrauch verfasst haben soll. Polizisten fanden die Notizen bei der Hausdurchsuchung. Andere Sätze sind sehr viel expliziter, schildern detailreiche Quälereien. Es sind ausufernde Gewaltfantasien.
„Es ist eine hochdramatische Eskalation der Perversion“, versucht es Staatsanwältin Julia Kalmar in Worte zu fassen. „Es ist zu befürchten, dass es nicht bei Fantasien bleibt.“
Teichtmeister vergräbt sein Gesicht zwischen den Händen, seine Beine wippen nervös. Alle Augen sind auf ihn gerichtet.
„Es stimmt alles“
„Sind Sie pädophil?“, fragt Kalmar. „Angesichts dessen, was wir gehört haben, muss ich diese Frage mit ,ja’ beantworten“, sagt Teichtmeister.
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76.000 Dateien mit Darstellungen von Kindesmissbrauch wurden bei ihm gefunden. Viele wurden bearbeitet, etwa zu Collagen. Oder eben mit Texten wie oben erwähnt, versehen. Der 43-Jährige ist geständig. „Ja, es stimmt alles. Niemand wusste davon.“

Teichtmeister weiß als Schauspieler, wie seine Worte und Gesten wirken. Er spricht ausführlich. Auch davon, dass er sich selbst machtlos – und durch die Bilder wieder mächtig gefühlt habe.
„Ich habe wahllos Dateien aus dem Darknet heruntergeladen. Ich war im ständigen Rausch.“ Fotos, die ihm zu weit gegangen wären, habe er aber wieder gelöscht. „Es gab ein zu jung für mich. Und wenn die Darstellungen eindeutig zu weit gingen, konnte ich mir nicht schönlügen, dass ich nur Konsument bin.“
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Schauspieler Florian Teichtmeister wurde wegen Besitzes und Herstellung von zehntausenden Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen angeklagt.
Ausgerechnet er nahm an einer Lesung gegen Kindesmissbrauch im Parlament teil. Ein Umstand, der auch Richter Stefan Apostol nicht entgangen ist. „Warum?“ – „Das war der ungültige Versuch, meine Mitschuld gut zu machen“, erklärt der Schauspieler.
„Es ist für mich sehr erschreckend zu hören, was ich geschrieben und gemacht habe. Ich bereue ehrlich und zutiefst, was ich getan habe.“
Florian Teichtmeister
„Mein Mandant hat nun einen Weg vor sich, der von Disziplin und harter Arbeit geprägt ist.“
Rudolf Mayer, Anwalt
„Es ist zu befürchten, dass seine Gewaltfantasien nicht nur Fantasien bleiben. Es ist wie bei Drogen. Man will immer mehr.“
Julia Kalmar, Staatsanwältin
„Die Wahrscheinlichkeit, dass Teichtmeister selbst als Missbrauchstäter je in Erscheinung treten wird, ist schwer zu beziffern. Er hat aufgrund der bisherigen Entwicklung aber die ernsthafte Chance, auf einen vernünftigen, einen anderen Weg zu kommen.“
Peter Hofmann, Psychiater
„Jedes einzelne Bild ist ein Delikt, doch Sie haben einen Prozess über sich ergehen lassen müssen, der seinesgleichen sucht. Das wirkt sich mildernd aus. Niemand sucht sich aus, ob er pädophil ist. Mit dem Urteil folgen wir den rechtlichen Prinzipien und nicht dem Ruf der Straße.“
Stefan Apostol, Richter
Und auch Fotos, die den Schauspieler nach Bekanntwerden der Vorwürfe in Wiener Innenstadt-Lokalen zeigen, sind Thema. „Das Getränk ist sehr Campari-farbig“, merkt Apostol an. „Ich trinke immer Cola“, sagt Teichtmeister. Seit zwei Jahren ist er in Psychotherapie. Und er sei abstinent, sagt er. Trinke keinen Alkohol mehr, konsumiere kein Kokain.
Ungewisse Zukunft
„Wie soll es mit Ihnen weitergehen?“, fragt der Richter. Er brauche einen festen Tagesablauf und einen Job, erklärt der Angeklagte. „Kann das funktionieren, wenn Demonstranten da sind?“, stellt Apostol eine berechtigte Frage. Auch vor dem Gericht haben sie sich versammelt. Etliche sind im Saal.
„Ich gehe davon aus, dass ich nicht mehr auf die Bühne zurückkehren kann“, meint der 43-Jährige. „Aber ich habe eine Ausbildung als Kulturmanager. Ich bin bereit, jegliche Arbeit anzunehmen.“
Ein Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann attestiert dem Angeklagten eine schwere sexuelle Störung. „Die ist nicht wegzutherapieren.“ Doch seine Entwicklung sei positiv, es gebe eindeutige Fortschritte. Hofmann hält eine bedingte Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum für möglich – so lange es Weisungen gibt: Psychotherapie, Alkohol- und Drogenabstinenz sowie Bewährungshilfe.
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Dieser Einschätzung folgt auch das Schöffengericht und verurteilt Teichtmeister zu zwei Jahren bedingter Haft und einer bedingten Unterbringung; nicht rechtskräftig.
Bemerkenswert ist die Urteilsbegründung von Richter Apostol: „Sie erscheinen hier als ruinierter Mann, der geläutert ist und seine Fehler erkennt. Sie haben mit einer gesellschaftlichen Vorverurteilung zu kämpfen. Vor dem Gericht steht ein Galgen. Diese soziale Ächtung und die Vorverurteilung müssen mildernd gewertet werden.“
Nicht alle Anwesenden sehen das so.