Einbruchsserie in Wien: Jetzt fürchten Taxifahrer um ihre Existenz
Es ist immer ein mulmiges Gefühl, wenn sich Mücahit Buzluk seinem Auto nähert.
Der 29-jährige Taxifahrer blickt mittlerweile bereits automatisch auf den Boden, um nach Scherben von zersprungenen bzw. eingeschlagenen Scheiben zu suchen.
Die Sorge, Opfer der Jugendbande zu werden, die seit vergangenem Herbst Taxis in Wien und NÖ knackt, kennt nicht nur Buzluk. Die Bande besteht laut Polizei aus 24 Kindern und Jugendlichen, die durch hunderte Einbrüche in Autos sowie Sachbeschädigungen mittlerweile einen Schaden von rund 300.000 Euro verursacht haben.
Mit Nothammer Scheibe einschlagen
Mit Nothämmer schlugen die Verdächtigen in den meisten Fällen die kleine Scheibe von Taxis ein, öffneten die Türe von innen und nahmen Wertgegenstände wie Geldtasche, Kopfhörer, Parfums oder Brillen an sich. Die Polizei konnte die Verdächtigen zwar ausfindig machen, bei den strafunmündigen Kindern sind der Exekutive aber die Hände gebunden, die Einbrüche könnten weitergehen, hieß es von Ermittlern.
Und tatsächlich: Die Serie reißt nicht ab. Erst am Wochenende schlugen die Täter in Liesing und Floridsdorf erneut zu.
Hakan İlarslan fährt selbst Taxi und dokumentiert Einbrüche seiner Kollegen.
Ahmed Bayar wünscht sich mehr Unterstützung von der Polizei.
Erst am Wochenende wurden Taxis in Liesing und Floridsdorf geknackt.
"Der Schaden, den die Täter verursachen, ist dabei viel größer als der Wert der Gegenstände, die sie stehlen", sagt Buzluk. Früher kostete die kleine Dreiecksscheibe rund 35 Euro, mittlerweile werden Preise von über 100 Euro verlangt, berichtet der 29-Jährige. Zudem fallen Lieferzeiten von mehreren Wochen an, teilweise dauert es bis zu einem Monat.
Lange Wartezeiten für Scheiben
Eine Zeit, in der das Taxi steht - und der Fahrer um die Arbeitszeit umfällt. "Bei mir ist so für Ersatzteile und Arbeitszeit ein Schaden von rund 400 Euro entstanden", berichtet Hakan İlarslan, der ebenfalls Taxi fährt. Er kennt auch Fälle, in denen die Lenker in ihrer Not die Scheibe notdürftig zugeklebt und weitergefahren sind. "Manche montieren auch das Taxi-Schild ab, wenn sie Pause machen, und hoffen, dass ihrem Auto dadurch nichts passiert."
Die Einbrüche passieren nicht nur nachts, sondern auch am helllichten Tag. So wie bei Mücahit Buzluk. "Ich war in meiner Mittagspause 20 Minuten bei meinen Eltern zum Essen eingeladen. Genau in der Zeit haben sie zugeschlagen", berichtet der 29-Jährige.
Im Stich gelassen
Die Polizei berichtete in einer Pressekonferenz vor zwei Wochen, dass die Verdächtigen bereits ausgeforscht werden konnten, die Einbrüche reißen aber nicht ab. In der Branche fühle man sich von der Exekutive teilweise im Stich gelassen. "Wir sagen den Polizisten genau, welche Straßen Hotspots für die Bande sind, halten alles auf Fotos und Videos fest. Ich verstehe nicht, wieso man dort nicht verstärkt kontrolliert. Wir wären auch bereit, ein paar unserer Autos zu opfern, damit man sie damit quasi anlocken und dann schnappen kann", schildert Taxifahrer Ahmed Bayar.
Der 30-jährige Ingenieur gründete vor sechs Monaten ein Taxi-Unternehmen. Derzeit ist er auf der Suche nach einem Fahrer. "Aufgrund der aktuellen Situation suche ich jemanden, der einen Parkplatz in der Garage oder im Innenhof hat. Das ist zwar völlig absurd, aber es geht nicht anders", so der 30-Jährige.
Senkung der Strafmündigkeit
Falls die Einbruchsserie weitergehe, kann sich Bayar auch gesetzliche Änderungen vorstellen, was die Senkung der Strafmündigkeit von Kindern bzw. Jugendlichen betrifft. "Wenn die Kinder wissen, dass sie nicht strafbar sind, motiviert sie das ja immer weiter."
Das sieht Mücahit Buzluk anders. "Wenn man anfängt, 12-Jährige ins Gefängnis zu stecken, dann bekommen sie in der Zeit keine Schulbildung, ihnen fehlen wichtige Jahre an Entwicklung. Und wenn sie dann mit 14 oder 15 Jahren wieder rauskommen, werden sie vielleicht noch schlimmere Dinge tun", betont der 29-Jährige.
Arbeiten die Kinder für jemanden?
Er sei deswegen dafür, dass diese Kinder stattdessen engmaschige Betreuung von Sozialarbeitern und Therapeuten bekommen. "Das sind ja immer noch Kinder, die wollen vielleicht cool sein, aber sind auch leicht zu manipulieren." Buzluk glaubt - wie viele andere Taxifahrer auch - dass hinter der großangelegten Einbruchsserie noch jemand anderer steckt. Und die Kinder die Arbeit von anderen ausführen. "Was machen Kinder mit mehreren hundert Kopfhörern oder Brillen? Ich bin überzeugt, dass sie für jemanden arbeiten", so der Taxifahrer. Vonseiten der Polizei glaubt man nicht an diese Theorie. Es handele sich um eine "lose Struktur von Jugendlichen", heißt es dort.
Wie man die Einbruchsserie stoppen kann, beschäftigt demnach nicht nur die Polizei. "Vielleicht müssen wir warten, bis die Kinder strafmündig werden", sagt Buzluk.
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