Täglich in die Buschenschank: Neue Regeln für eine Wiener Institution

Täglich in die Buschenschank: Neue Regeln für eine Wiener Institution
Für die traditionsreichen Wiener Buschenschanken gelten, sobald die Gastro wieder aufsperrt, erweiterte Öffnungszeiten. Was das für sie bedeutet.

Wann die Lokale aus dem Corona-Winterschlaf erwachen dürfen, das könnte sich am Montag, entscheiden: Am Vormittag berät die Bundesregierung mit Experten, der Opposition und den Landeshauptleuten, ob für die derzeit noch geschlossene Branche zumindest eine Perspektive verlautbart werden kann.

So gut wie fix ist aber jetzt schon: Sollte die Gastronomie im April offen sein, dürfen die Wiener ab dem 15. des Monats die ganze Woche lang in den Weingärten trinken und essen – und nicht wie sonst nur am Wochenende.

„Wir wollten hier bereits im Frühjahr ein Zeichen setzen“, sagen Bürgermeister Michael Ludwig und Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (beide SPÖ) über die Maßnahme.

Laut Gesetz dürfen Buschenschanken eigentlich nur von Freitag bis Sonntag Gäste bedienen. Die Saison ist auf Mitte April bis Ende Oktober beschränkt. Für Heurige gilt die Beschränkung nicht.

Der Umweltausschuss im Rathaus hat nun aber eine Ausnahme (die es auch schon im Vorjahr gab) verlängert: Buschenschanken dürfen heuer täglich und bis Ende Dezember öffnen.

Das soll ihnen durch die Corona-Krise helfen. Und somit eine Wiener Institution retten.

Die Weinschenken

Die Wiener Heurigenkultur ist uralt: Vorläufer von Weinschenken gab schon im Mittelalter. Angesiedelt waren sie unweit der Stadtmauer. Bis dahin reichten damals nämlich die Weinbaugebiete an das dicht besiedelte Gebiet heran.

Täglich in die Buschenschank: Neue Regeln für eine Wiener Institution

Die eigentliche Geburtsstunde des Heurigen war eine Verordnung von Joseph II. vom 17. August 1784: Sie erlaubte es den Winzern, Wein und Obstmost auszuschenken.

Als im Vormärz günstige Verkehrsmittel entstanden, war die Voraussetzung für eine der Lieblingsbeschäftigung der Wiener geschaffen: Sie konnten nun in die Vororte fahren, um dort stundenlang beim Heurigen zu sitzen, zu essen und zu trinken. Auch Schriftsteller und andere Künstler ließen sich gerne dort blicken.

Mit der Eröffnung der Stadtbahn und dem Ausbau der Straßenbahn blühten die Weinschenken in den Außenbezirken dann so richtig auf.

In dieser Zeit entstand die bis heute gepflegte Tradition, zusammengebundene Föhrenbuschen am Eingang aufzuhängen: Als Zeichen dafür, dass geöffnet – oder wie man in Wien sagt: „ausg’steckt“ – ist.

Täglich in die Buschenschank: Neue Regeln für eine Wiener Institution

Schrammelmusik gehörte fast verpflichtend dazu. Allmählich entstanden ganze Heurigendynastien: etwa die Familien Mandl, Grünbeck und Weigl.

Liefergeschäft fehlt

Thomas Huber, Chef des Weinguts Fuhrgassl-Huber in Neustift am Walde, gehört einer solchen Dynastie an. Er freut sich darüber, seine Buschenschank am Nussberg heuer täglich aufsperren zu dürfen. „Die Ausnahme hilft uns sehr. So können wir die Schließtage in den Lockdowns ausgleichen“, sagt er im KURIER-Gespräch.

Winzern, die viel Wein an die Gastronomie verkaufen, würden die Lokal-Schließungen besonders zu schaffen machen, erzählt Huber. Neben den Einnahmen aus dem eigenen Lokal ist für sie das Liefergeschäft weggebrochen.

Für die Wiener ÖVP war die Gesetzesnovelle daher hoch an der Zeit: „Durch die lange, coronabedingte Schließung der Gastronomie wurden auch die Buschenschank- und Heurigenbetriebe stark getroffen“, sagt ÖVP-Landwirtschaftssprecherin Elisabeth Olischar. „Deshalb haben wir uns für eine Fortführung der ganzjährigen Öffnungszeiten eingesetzt.“

Täglich in die Buschenschank: Neue Regeln für eine Wiener Institution

Eine kleine Hürde muss die Regelung noch nehmen: Ende März muss sie vom Landtag beschlossen werden. Dabei handelt es sich aber nur um einen Formalakt.

Trinken statt spazieren

Rund um Thomas Hubers Buschenschank am Nussberg ist dieser Tage übrigens trotz Lockdown viel los: „Die Leute gehen bei uns so viel spazieren“, erzählt er. Bloß stundenlang sitzen, essen und trinken können sie momentan nicht.

Das Bedürfnis nach der Lieblingsbeschäftigung sei aber bereits groß: „Die Leute vermissen die Heurigen als Ort der sozialen Kontakte schon“, sagt Huber. Und: „Sie wollen wieder Wein.“

Auf Dauer will der Winzer seine Buschenschank allerdings nicht täglich aufsperren. Und zwar aus ganz praktischen Gründen: „Irgendwann muss ich im Weingarten ja auch arbeiten.“

Kommentare