Suche: Partner, 60 plus

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Wo verliebt man sich im Alter? Die Wiener Pensionistenklubs laden seit Kurzem zum Speeddating.

"Am schlimmsten sind die Urlaube", findet Franz Himmler (69 Jahre alt, seit sechs Jahren verwitwet). "Wenn man etwas Neues erlebt, aber niemand da ist, mit dem man die Erfahrung teilen kann."

Silvia Huber (62, seit sechs Jahren geschieden) nickt.

"Wenn man niemanden hat, mit dem am Abend kuscheln kann...", fährt Franz Himmler fort.

"Na na", wirft Silvia Huber ein.

"Also, wenn’s passt, natürlich nur", rudert Franz Himmler zurück.

Bevor die beiden weitersprechen können, erklingt die Stimme des Moderators über die Lautsprecher. Die fünf Minuten sind bereits um. Die Männer sollten nun bitte zum nächsten Tisch gehen.

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Speeddating, eine US-amerikanische Erfindung aus den späten 90er-Jahren, die man eher mit 20- oder 30-Jährigen in Verbindung bringt, hat die Wiener Pensionisten-Wohnheime erreicht. Bereits zum dritten Mal fand vor wenigen Tagen – diesmal im Wohnheim Hohe Warte – ein Senioren-Speeddating statt.

Die Einsamkeit

Die Idee kam Elisabeth Müller. Als Teamleiterin der Wiener Pensionistenklubs (in den Bezirken 15 bis 19) kennt sie auf der einen Seite die Einsamkeit, mit der viele Seniorinnen und Senioren kämpfen. Ein Drittel der über-65-Jährigen lebt in Österreich alleine, oft bedingt durch Scheidung oder Todesfall. Auf der anderen Seite hat Elisabeth Müller mitbekommen, dass sich in den Klubs immer wieder Pärchen finden. Wieso also nicht beides verbinden, dachte sie sich.

Die Veranstaltung ist schon beim ersten Mal auf großes Interesse gestoßen: Mehr als 200 Seniorinnen und Senioren haben teilgenommen.

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Einer von ihnen ist Adolf Kosicek. 38 Jahre lang war er verheiratet. Vor neun Monaten ist seine demente Frau gestorben. Jetzt ist Adolf Kosicek auf der Suche nach einer neuen Partnerin. Zum Reisen, für Freizeitaktivitäten. Weil es zu zweit einfach schöner ist.

Schon beim ersten Speeddating hat er eine Dame kennengelernt, er hat sich auch danach noch einmal mit ihr getroffen. Aber es hat nicht gepasst. An diesem Tag ist er erneut intensiv in ein Gespräch vertieft – mit Elfie Kobsik (ebenfalls 78 Jahre, seit 40 Jahren geschieden). Seinen Platz hat er trotz Rügen des Moderators seit deutlich länger als fünf Minuten nicht gewechselt.

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Als Mann ist Adolf Kosicek an diesem Tag klar im Vorteil. Die Frauen sind deutlich in der Überzahl. Ein Verhältnis, das die Realität widerspiegelt. Auf 1,17 Millionen über-70-jährige Frauen kommen in Österreich 490.000 über-70-jährige Männer.

Ein anderer Vergleich: 41 Prozent der über-60-jährigen Frauen leben alleine, aber nur 21 Prozent der über-60-jährigen Männer.

Ernüchterte Frauen

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Frauen vom Speeddating nicht viel erwarten. Rita Hofmeister stellt gleich klar, dass sie eigentlich nur Damen für ihre Heurigenrunde sucht: "Uns sind in den letzten Monaten viele weggestorben", erklärt sie.

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Die Mehrzahl der Frauen scheint generell mit der Partnersuche abgeschlossen zu haben. "Für Ausflüge oder zum Tanzen würde ich schon einen Mann nehmen. Aber verlieben? Das brauch’ ich nicht mehr", sagt eine Teilnehmerin. "Männer in dem Alter wollen doch nur eine Frau, die für sie kocht und putzt. Für alles andere haben sie doch keine Kraft mehr", sagt eine andere. Im Laufe der Veranstaltung finden sich immer mehr Frauen in Grüppchen zusammen. Einige beginnen, Karten zu spielen.

Franz Himmler speeddatet indes weiter. Sein Blick wandert aber immer wieder zurück zu Silvia Huber. Die Frau, mit der er am Anfang zusammengesessen ist.

Alte Schule

Wie lautet eigentlich Silvias Fazit? "Lustig ist er", sagt sie. "Aber schauen wir mal." Telefonnummern haben sie aber ausgetauscht.

Würde sie anrufen? Silvia Huber lacht. "Sicher nicht! Ich bin noch von der alten Schule."

Speeddating für Senioren

Die nächste Veranstaltung findet im März im Haus Sperrgasse (15. Bezirk) statt. Details gibt es in Bälde hier.

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Maria Seidenschwann, Psychologin, Stadt Wien

Maria Seidenschwann arbeitet seit 21 Jahren als Psychotherapeutin. Aktuell ist sie im Haus Rossau angestellt und leitet den psychosozialen Dienst im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser.

KURIER: Frau Seidenschwann, mit welchen Themen kommen Klienten zu Ihnen?

Maria Seidenschwann: Die Einsamkeit ist ein großes Thema. Viele sagen: "Ich vermisse Zärtlichkeit, aber es gibt nicht einmal jemanden, der mich in den Arm nimmt. Manche artikulieren auch Lust auf sexuelle Intimität."

Was sagen Sie darauf?

Ich bringe den Ratsuchenden näher, selbst anders auf Menschen zuzugehen. Basis ist ein wertschätzender Umgang mit sich selbst. Das zu lernen, ist Inhalt von psychologischen Behandlungen. Nähe und Zuneigung kann man auch Freunden und Familie geben und von Ihnen empfangen, ohne klassischen Partner.

Ist Verlieben im Alter anders?

Die körperlichen Bedingungen sind natürlich andere, aber die Gefühle sind die gleichen.

Liebe und Sex im Alter werden in den jüngsten Jahren häufiger thematisiert als früher. Warum ist das so?

Sexualität im Alter war und ist ein Tabuthema. Ältere Menschen sind meist offen darüber zu sprechen, wenn man sie danach fragt. Für jüngere Menschen ist es oft schwer sich vorzustellen, dass es im Alter noch Bedarf an Sexualität gibt. Beispielsweise hat das heimliche Übernachten eines Geliebten bei einer Dame im Pensionisten-Wohnhaus zu großer Aufregung bei den Mitarbeitern geführt – nicht wegen des Verbots sondern aus moralischer Entrüstung.

Beim Speeddating im Haus Hohen Warte war der überwiegende Teil der Besucher Frauen . . .

Ja, es ist ein großes Problem, dass es im Alter mehr Frauen gibt.

Beim Speeddating gaben viele Frauen außerdem an, gar nicht mehr auf der Suche nach Liebe und Sex, sondern nach einem Partner für Unternehmungen oder Urlaube zu sein.

Naja, zum einen hat es lange Zeit geheißen, Sex ist mit 50 vorbei. Und viele Frauen haben auch in ihren Beziehungen nicht immer nur positive Erfahrungen mit Sex gemacht. Die sind froh, wenn sie das hinter sich haben.

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