Startschuss für den S-Bahn-Ring in Wien
Lange Zeit führte die S-Bahn in Wien ein Schattendasein. Erst seit den letzten Jahren wird sie Schritt für Schritt aufgewertet. Nach wie vor besteht aber ein großer Unterschied zu deutschen Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München, wo die S-Bahn seit Langem eine weit prominentere Rolle im öffentlichen Verkehr einnimmt.
Das könnte sich durch die Umsetzung einer Idee ändern, die die Neos bereits seit Jahren forcieren: die Errichtung eines S-Bahn-Rings um Wien. Genauer gesagt um Wien südlich der Donau, denn die vorgesehene Route führt über Vorortelinie, Donauuferbahn, Laaer Ostbahn, Stammstrecke und Verbindungsbahn zurück auf die Vorortelinie (siehe Grafik unten).
Bestehende Infrastruktur
Laut Neos-Berechnungen aus dem Jahr 2019 ließe sich dieser S-Bahn-Ring um „nur“ 315 Millionen Euro und damit den Kosten von zwei Kilometern U-Bahn errichten. Wobei „errichten“ eigentlich der falsche Ausdruck ist, die Schienen sind nämlich zum Großteil bereits da. Im Kern würden bestehende, bisher aber nicht miteinander verbundene S-Bahn-Strecken zu einem durchgängig befahrbaren Ring geformt werden. Tatsächlich gebaut werden müssten nur wenige zusätzliche Gleiskilometer und einige neue Stationen, hauptsächlich entlang der dann reaktivierten Donauuferbahn.
Auf Neos-Wunsch fand das Projekt auch Eingang in den rot-pinken Koalitionsvertrag: „Unser Ziel ist mittelfristig die Errichtung eines vollständigen S-Bahn-Rings für die ganze Stadt (über den Hauptbahnhof, Simmering und die Donauuferbahn), der die Tangentialverbindungen zwischen den Außenbezirken stärkt und das innerstädtische Verkehrsnetz entlastet“, heißt es da. Eine Machbarkeitsstudie soll die Sinnhaftigkeit überprüfen, ein Termin dafür war bisher jedoch nicht bekannt.
Aufwand und Ertrag
Nun bestätigten Stadt Wien und ÖBB dem KURIER, dass diese Studie noch im Lauf des Jahres 2022 in Angriff genommen werden soll. Voraussetzung dafür ist jedoch die finale Ausverhandlung des 2019 zwischen Stadt Wien und ÖBB vereinbarten „2. Wiener Schieneninfrastrukturpakets“, heißt es seitens der Bahn. Durchgeführt werden soll die Studie dann „in enger Abstimmung der ÖBB-Infrastruktur AG und der Stadt Wien unter Zuziehung externer, unabhängiger Experten“.
Modernisierung Stammstrecke
600.000 Menschen sind schon jetzt jeden Werktag zwischen Floridsdorf und Meidling mit der S-Bahn unterwegs. Verschiedene Maßnahmen sollen ab 2026 einen 2,5-Minuten-Takt auf der Stammstrecke ermöglichen.
Verbindungsbahn neu
Ein teilweiser Streckenneubau in Hochlage sowie eine modernisierte (Speising) und zwei neue Stationen (Hietzinger Hauptstraße, Stranzenbergbrücke) sollen ab 2027 die Zugfrequenz von 30 auf 15 Minuten halbieren und mehr Attraktivität bieten.
Ausbau Südeinfahrt
Um die Kapazität auf dem von Nah-, Fern- und Güterzügen viel befahrenen Abschnitt zwischen Meidling und Mödling zu erhöhen, soll dieser bis 2034 viergleisig ausgebaut werden.
Zentrales Kriterium sei „die höchstmögliche Verkehrswirksamkeit in Relation zu den dafür einzusetzenden Mitteln sowohl für die technische Umsetzung als auch den Betrieb“.
Kurz gesagt also die Fragen: Wie viele Fahrgäste würden das neue Angebot nutzen? Und steht das in Relation zum dafür nötigen (finanziellen) Aufwand?
Langer Atem
Schnelle Ergebnisse darf man sich dabei nicht erwarten: Allein die Erstellung der Studie wird laut ÖBB ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Im Fall einer positiven Beurteilung müsste das Projekt dann vom Ministerrat im Rahmen des ÖBB-Rahmenplans beschlossen und anschließend mit der Stadt im Rahmen des nächsten Wiener Schieneninfrastrukturpakets ausverhandelt werden.
Vor der theoretischen Umsetzung des S-Bahn-Rings sind laut Bahn jedoch noch andere Projekte „prioritär und auch Voraussetzung“. Darunter der Ausbau der Verbindungsbahn, Maßnahmen zur Taktverdichtung auf der Vorortelinie, die Modernisierung der Stammstrecke und der viergleisige Ausbau der Südbahn zwischen Meidling und Mödling.
Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) zeigte sich im Dezember vorsorglich skeptisch gegenüber dem Ringschluss. „Experten sagen uns, dass es nachfragebedingt sinnvoller wäre, andernorts Lücken zu schließen“, sagte sie im Gemeinderat.
Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr glaubt hingegen weiter an das Projekt: „Der Wiener S-Bahn-Ring kann ein wesentlicher Mosaikstein für eine weitere Öffi-Offensive in Wien sein. Die Machbarkeitsstudie wird darüber Aufschluss geben, ob und wann er umsetzbar ist“, sagt er zum KURIER.
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