Stadtplanung: Wenn die Bagger zweimal kommen

Für Anrainer klingt es wie eine gefährliche Drohung: „Tor zur Mariahilfer Straße soll grüner werden“, verlautete das Wiener Rathaus vor Kurzem. Im Frühling wird es demnach am Christian-Broda-Platz schräg vis-à-vis vom Westbahnhof ernst, wenn es gilt, diese urbane Problemfläche „klimafit“ zu machen.
Dafür sollen künftig mehr als 25 neue Bäume, Wasserspiele und eine großflächige Entsiegelung sorgen – die mitgelieferte Animation zeigt eine üppig grüne Idylle, die die Bezeichnung „Großstadtdschungel“ redlich verdient. Was die Stadt verschweigt: Es ist dies bereits der zweite Anlauf der Neugestaltung dieses Areals, nachdem der erste Versuch vor gut 15 Jahren gehörig schiefgegangen ist – Geldverschwendung und Bewohnerfrust inklusive.

Auf dem Christian-Broda-Platz werden die roten Stelen durch Bäume ersetzt, aus einem Angstraum soll eine grüne Idylle werden
„Zahnstocherplatzl“
„Betonwüste“ und „Zahnstocherplatzl“ lauteten schon im Mai 2008 die wenig schmeichelhaften Attribute, die der neu eröffnete Platz erhielt. Vor allem die fast zehn Meter hohen Metall-Stelen, in sattem Rot gehalten, ließen die Wiener rätseln, ob mit Form oder Farbgebung irgendeine subtile Botschaft verbunden sein könnte, zumal das ursprüngliche „Mariahilfer Platzl“ fast simultan auf den Namen des Ex-SPÖ-Justizministers Christian Broda umgetauft wurde.
Schon damals stand eigentlich der „Wunsch nach mehr Grünflächen“ an oberster Stelle der Bürgeranliegen. Außer, dass ein paar in Beton gefasste Bäumchen und Kletterpflanzen gesetzt wurden, war dann aber von diesem „Grün“ wenig zu sehen. Vollends gepflanzt fühlten sich viele erst recht, als die damalige Bezirksvorsteherin noch meinte, das Platzl sei „nach den Wünschen der Bürger gestaltet worden“.
Der amtierende Planungsstadtrat Rudolf Schicker hatte womöglich schon eine düstere Vorahnung, als er zur Eröffnung meinte: „Jetzt gehört der Platz den Menschen.“ Und daran, wie ihn die Wiener annehmen, werde man sehen, „ob die Neugestaltung den Bedürfnissen der Bürger entspricht“.
Er entsprach nicht: Der Platz wurde von der Bevölkerung nie wirklich angenommen. Vielmehr entwickelte er sich zum Angstraum, wo sich spätnachts Jugendbanden herumtreiben und es bei Demos verschiedener Ethnien immer wieder zu Reibereien kommt. Die damaligen Investitionskosten von rund einer Million Euro sind nur noch versteckt in den Archiven zu finden, die Ausgaben für die Neugestaltung 2.0 werden vom Rathaus auf KURIER-Anfrage auf weitere fünf Millionen Euro taxiert. Immerhin: Die roten Stelen sollen entsorgt und fast 1:1 durch Bäume ersetzt werden.

Die rätselhafte, monströse Pergola rund um das Tegetthoff-Denkmal ist bereits beim Altmetall
Pergola-Ungetüm
Was in Mariahilf der Stangenwald ist, war in der Leopoldstadt die gewaltige Pergola-Konstruktion, an der sich die Geister schieden – und damit sind wir am Wiener Praterstern. Auch dort mussten die Stadtplaner binnen weniger Jahre zweimal die Bagger auffahren lassen, weil sich das erhoffte Ergebnis beim ersten Versuch nicht und nicht in der Realität einstellen wollte.
Eigentlich sollte sich 2008, im Jahr der Fußball-EM, beim schmuddeligen Bahnhof Praterstern inklusive Vorplatz alles zum Besseren wenden. Für das Areal legte der renommierte Planer Boris Podrecca revolutionäre Maßstäbe an, schwebte ihm doch vor, der gesamten Fläche ein transparentes Membrandach überzustülpen. Das gewagte Projekt blieb aber, nicht untypisch für Österreich, „auf halben Wegen und halber Tat“ stecken, oder wie es Podrecca einmal ausdrückte: „Ein Coitus interruptus.“
Übrig blieben bloß ein kleines Vordach als Witterungsschutz bei den Haltestellen und eine mehr rätselhaft denn futuristisch anmutende Stangenpergola rund um das zentrale Tegetthoff-Denkmal. Ein Ungetüm, bestehend aus 29 Säulen, mit einer Länge von 330 Metern. Podrecca, der ursprünglich urbane Eleganz im Sinn hatte, distanzierte sich von der monströsen Konstruktion und stellte die Frage, ob da jemand nach Gewicht bezahlt worden sei. Apropos bezahlt: 30 Millionen Euro an Baukosten für sämtliche Freiflächen machte das Ganze aus. 30 Millionen, die gerade einmal für etwas mehr als zehn Jahre ausreichten!
Denn abgesehen vom optischen Pergola-Ärgernis, erwies sich der Platz im kargen Beton-Chic als nicht alltagstauglich in Zeiten von Sommerhitze und illegaler Migration; der Praterstern avancierte auch zu einem Hotspot der Kriminalität, eine Alkohol- und Waffenverbotszone musste eingerichtet werden. 2022 wurde schließlich der zweite Totalumbau abgeschlossen, der mehr Grünflächen, mehr Sitzgelegenheiten und mehr Licht brachte. Und aus der Pergola machte die Flex schließlich Altmetall. Kostenpunkt der Platz-Um-Umplanung: 7,2 Millionen Euro.

Die "Klangellipse" auf dem Dornerplatz sorgte bei manchen Anrainern für schlaflose Nächte
Mutter des Platzpfusches
Während die Anrainer vielerorts in der Stadt mangels Geldmittel auf dringende Verbesserungen im öffentlichen Raum warten müssen, wurde in Hernals ein Platz gleich mehrfach auf Steuerzahlerkosten umgebaut und nachkorrigiert: Der Dornerplatz ist so etwas wie die Mutter des modernen Wiener Platzpfusches. Als dort Anfang des Jahrtausends die Tiefgarage fertig war, entpuppte sich die – für 1,52 Millionen Euro – neu gestaltete Oberfläche als wenig einladend und nutzerfreundlich: viel Beton und wenig Grün.
Sozusagen als Ausgleich ersann man die Idee einer Kunstinstallation, die aber gehörig in die Hose ging und sogar den Stadtrechnungshof auf den Plan rief. Die „Klangellipse“, errichtet von Künstlern aus der Werkstatt André Hellers, kostete nicht nur schlappe 440.000 Euro zusätzlich, sondern führte statt zu kreativen Auseinandersetzungen zu genervten Anrainern.
Albtraum Klangellipse
„Das Kunstwerk fand bei der Bevölkerung keinen Anklang. Anfänglich traten sogar Beschwerden auf, da die Nachtruhe gestört wurde“, notierten die Prüfer. Schließlich wurde die Installation, bestehend aus 14 fast fünf Meter hohen schwarzen Klangmonolithen, wieder abgebaut und in ein Depot verfrachtet.
2005/06 wurde am Dornerplatz dann das erste Mal nachjustiert, da die klassischen Platz-Parameter (Grünraum, Schattenbereiche, Spielmöglichkeiten) inexistent waren, wie spätestens der „Jahrhundertsommer“ 2003 zeigte; 2012 war dann nochmals eine Adaptierung nötig.
Um dann 2020 die Bevölkerung zur nächsten Mitmachrunde für eine neue Platzgestaltung aufzurufen. Diesmal hieß es, unter dem Motto „Neues Miteinander in der Kalvarienberggasse“ auch den Dornerplatz neu zu denken. Zielrichtung wieder einmal: „Mehr Bäume, weniger Beton!“ Die schrittweise Umsetzung ist eigentlich ab heuer vorgesehen, laut Stadtplanung gibt es aber noch keinen genauen Fahrplan. Man kann nur hoffen, dass der Dornerplatz dann endlich das ersehnte pulsierende Zentrum von Hernals wird – und zum wirklich allerletzten Mal unters Messer musste.
Kommentare