So will Rapid das Match gegen die Polizei gewinnen
Dass ein Saal des Wiener Landesverwaltungsgerichts von der Feuerwehr und nicht der Polizei gesichert wird, ist untypisch. Wenn eine Beschwerde gegen die Polizei vorliegt, ist aber genau das der Fall. Am Dienstag rückte die Feuerwehr aus, um den Prozess „Rapid-Fans gegen Wiener Polizei“ zu sichern. Wie berichtet, waren im Dezember des vergangenen Jahres nach Ausschreitungen vor dem Wiener Derby gut 1.300 Rapid-Anhänger für Stunden von der Exekutive eingekesselt worden.
Rapid-Kessel ist Fall fürs Gericht
Laut Einsatzleiter Gerald Lischka, der in der Vorwoche als Zeuge aussagte, sei das notwendig gewesen, da die Fans versucht hätten, „ihre Macht über die Straße zu demonstrieren“. Deeskalierend auf die im Corteo marschierenden Rapidler (gemeinsamer Marsch zum Stadion, Anm.) hätte damals Andy Marek wirken sollen, der als Clubserviceleiter für die Fans verantwortlich ist. Marek, der vielen vor allem als Stadionsprecher der Hütteldorfer bekannt ist, war am Dienstag als Zeuge vor Gericht geladen.
„Ich war im Stadion und habe auf unsere Fans gewartet. Als diese nicht gekommen sind, habe ich von der Polizeisperre auf der Absbergbrücke erfahren und bin sofort hin“, erzählt Marek. Dort habe sich ihm ein chaotisches Bild geboten: „Keiner der Beamten konnte mir sagen, warum die Menschen eingekesselt werden.“
Die Rapid-Anhänger vor Ort hätten ihn um Hilfe gebeten, denn es sei ein sehr kalter Tag gewesen. Da er den Einsatzleiter, der sich am anderen Ende der Brücke befand, nicht erreichen konnte, rief er den Oberst in der Kommandozentrale an, der an der Sicherheitsbesprechung einige Tage zuvor teilgenommen hatte.
Dieser soll zu ihm gesagt haben, dass der Bogen überspannt sei. Die Fans würden das Spiel nicht mehr sehen, da brauche man gar nicht weiterreden. Der Polizei zufolge war es nie der Plan, so viele Menschen anzuhalten, allerdings habe man selten eine derartige Aggression erlebt. Beschimpfungen, Hals-Durschneidegesten und Schneebälle auf Beamte, Passanten und sogar fahrende Autos auf der Südosttangente hätten dies aber notwendig gemacht.
„Unglaublich ruhig“
Marek will davon nichts mitbekommen haben. Seiner Wahrnehmung nach waren die Fans unglaublich diszipliniert und ruhig. Vor allem angesichts der Tatsache, dass sie eng zusammengepfercht gewesen seien. Der Richter entgegnete, dass auf den Aufnahmen ersichtlich sei, dass nach hinten sehr wohl ausreichend Platz gewesen wäre.
Dass man sich im Kessel bewegen konnte, bestätigt Marek, denn die Polizei habe ihn schließlich hineingelassen und mitgeteilt, dass nun Identitätsfeststellungen für alle Teilnehmer des Marsches stattfinden würden. „Mir wurde gesagt, dass sich in fünf Minuten vier Leute ausgehen, das sind 48 pro Stunde und ich wusste, dass an die Tausend Fans auf der Brücke waren. Das habe ich den Beamten auch gesagt.“
Umstrittenes Gespräch
Auch Einsatzleiter Lischka verwies bei seiner Zeugenaussage auf das im Vorfeld stattgefundene Sicherheitsgespräch. Marek hätte damals noch nichts zu den Plänen der Rapid-Fans sagen können. Der Hütteldorfer Clubserviceleiter rechtfertigte das nun damit, dass nur drei Tage vor dem Derby ein planungsintensives internationales Spiel stattfand.
Er merkte allerdings an, dass ihm die Sicherheitsbesprechung ohnehin komisch vorkam, da in seinen zwanzig Jahren noch nie so viele Exekutivbeamte an einer solchen Sitzung teilgenommen hätten.
Die österreichische Fankultur
Georg Spitaler, Politikwissenschaftler und langjähriger Autor des Fußballfachmagazins Ballesterer vermutet hinter dem Großaufgebot der Polizei beim Derby eine Retourkutsche: „Bei dem Europa League-Match einige Tage davor, gab es eine sehr aufwendige ACAB-Choreografie (all-cops-are-bastards, zu Deutsch: Alle Polizisten sind Schweine, Anm.). Der von außen unverhältnismäßig wirkende Einsatz könnte eine Reaktion darauf gewesen sein.“
Gleichzeitig sieht er aber ein strukturelles Problem in der Fanarbeit im österreichischen Fußball. Gerade an die Ultras müsse kommuniziert werden, welches Verhalten inakzeptabel sei. Von italienischen Verhältnissen, in denen radikale Anhänger in ihren Clubs oftmals zu viel Macht haben, sei man hierzulande jedoch weit entfernt.
Dennoch muss sich Marek die Kritik gefallen lassen, er habe nicht genug Einfluss auf die Fans. So ist im Polizeibericht die Rede davon, die Menschen im Corteo wären seiner Aufforderung zur Kooperation nicht nachgekommen. „Eine Lüge“, behauptet Andy Marek. Auch habe niemand die Identitätsfeststellung verweigert, wie die Polizei immer wieder behaupte.
Das Urteil im Match Rapid gegen die Polizei wird am Freitag erwartet. Bekommen die Fans Recht, steht es 2:0 für die Grünen. Denn erst vergangene Woche entschied der Verfassungsgerichtshof, dass ACAB-Transparente und Choreografien von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
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