So löste ein Passagierjet Terroralarm in Wien aus

Zwei alte Saab-105 konnten das Passagierflugzeug stellen und nach Wien-Schwechat eskortieren.
Protokoll des Horrorflugs am vergangenen Freitag: Entführung gemeldet, Behörden rechneten mit Anschlag.

Der Horrorflug TK1618 von Frankfurt nach Istanbul, der vergangenen Freitag zu einem Entführungsalarm und einer Abfangjagd in Österreich geführt hat, war an Dramatik nicht zu überbieten. Dem KURIER liegen nun die Details zum Flug vor.

14.55 Uhr: Aufmerksamkeit erweckte die türkische Boeing 737-800 mit 180 Passagieren erstmals bei der Austro Control, weil diese beim Einflug nach Österreich im Bereich von Unken, Salzburg, keine Funkverbindung aufnahm. Plötzlich sandte die Maschine sogar den Transpondercode 7500 (Hijacking, Entführung eines Flugzeuges), und ging in einen steilen Sinkflug über und drehte auf Kurs Richtung Osten.

Nachdem dann auch noch die Luftraumüberwachung des Bundesheeres von der Boeing ein Funkspruch in einer vermeintlich arabischen Sprache auffangen konnte, musste angenommen werden, dass das Flugzeug entführt und laut einem Bericht als "terroristische Waffe gegen eine größere Stadt in Ostösterreich" verwendet werde – ganz nach dem Muster der 9/11-Attentate auf die Twin Towers in New York. Die nächste größere Stadt am neuen Kurs der türkischen Boeing war Wien.

Eurofighter am Boden

Der Flug führte bald in einer geringen Höhe von 4000 Meter am Fliegerhorst Zeltweg vorbei. Doch die dort stationierten, hochmodernen Eurofighter mussten wegen der Budgetkrise mit leeren Tanks am Boden bleiben. Glücklich war auch der Umstand, dass sich der Zwischenfall quasi während "der Bürostunden" ereignete. Denn schon bisher reduzierte sich die militärischen Luftraumsicherung auf die Tagesstunden von acht Uhr bis Sonnenuntergang. Künftig wird es nur mehr stundenweise Flugbetrieb geben (siehe Bericht unten).

Diesmal konnte noch geflogen werden. In Hörsching standen zwei mit Maschinenkanonen bestückte Saab-105-Düsentrainer als "Alarmrotte" bereit. Für diese mittlerweile 44 Jahre alten Düsenjäger wurde sofort ein Alarmstart der "Priorität A" ausgelöst.

15.00 Uhr: Die Fluglotsen konnten erstmals Funkkontakt mit dem türkischen Piloten aufnehmen. Der kündigte eine außerplanmäßige Landung in Wien an. Das war aber noch lange kein Grund für eine Entwarnung. Denn der Pilot wirkte auf die Fluglotsen sehr nervös. Es war nicht auszuschließen, dass er von einem Terroristen bedroht wird.

15.07 Uhr: Jetzt hatten die bewaffneten Saab-Piloten über dem Hochschwab-Gebiet erstmals Sichtkontakt mit der Boeing. Die Jets des Bundesheeres begleiteten das Passagierflugzeug bis zur Landung.

15.27 Uhr: Der Pilot stornierte auf seinem Transponder den Entführungsalarm und stellte auf einen normalen Luftnotfall um.

15.28 Uhr: Die Wetterbedingungen in Wien-Schwechat waren sehr schlecht. Die Boeing wurde zunächst neben der Piste 34 abgestellt und dann zum Ost-Areal auf eine spezielle Abstellposition für Flugzeugentführungen umdirigiert, wo die Polizei auch in Stellung ging.

Erst nach der Landung löste sich das Rätsel. Demnach war es in Salzburg zu einem dramatischen Druckabfall in der Kabine gekommen. Die Sauerstoffmasken im Passagierraum wurden ausgelöst und fielen von der Decke. Der Pilot sah sich gezwungen, durch einen Notsinkflug in dichtere Luftschichten zu gelangen. Das wiederum löste Panik an Bord aus. Ein Passagier erlitt einen Kreislaufkollaps.

Der Sinkflug ist zwar ein standardisiertes Verfahren. Der Pilot drückte aber die falsche Taste am Transponder. Statt einem allgemeinen Luftnotfall wurde der Entführungsalarm gesendet.

Der verletzte Passagier wurde in der Flughafenambulanz versorgt. Die anderen Passagiere wurden umgebucht, und die schadhafte Boeing am nächsten Tag nach Istanbul überstellt.

So löste ein Passagierjet Terroralarm in Wien aus

Bedingt durch das Hypo-Sparpaket hat das Bundesheer derzeit das geringste Verteidigungsbudget in seiner 59-jährigen Geschichte. Das ist auch der Grund, warum die Generäle nicht auf die bereits 44 Jahre alten Düsentrainer Saab-105 verzichten wollen. Denn für die Ersatzteile und den Treibstoff der hochmodernen Eurofighter fehlt das Geld.

Stillstand

Nicht nur beim Fuhrpark herrscht derzeit Stillstand. Seit 1. September fährt der Generalstab ein radikales Sparprogramm auch bei der Luftraumüberwachung. Weil die Eurofighter mit Kosten von etwa 60.000 Euro pro Flugstunde teuer sind, werden die Flugstunden von bisher 1440 auf 1070 reduziert. Dadurch erreichen die Piloten nicht mehr ihre erforderlichen Flugstunden. Deshalb wird ihre Zahl von 16 auf zwölf reduziert. Außerdem findet außerhalb der Bürostunden kaum noch ein Flugbetrieb statt, weil das Geld für die Überstunden fehlt.

Deshalb wird bei der Luftraumüberwachung wieder verstärkt auf die im Flugbetrieb billigeren Saab-105 gesetzt, ist zu hören. Diese Düsentrainer wurden 1970 geliefert. Von den damals 40 Stück sind noch 22 im Einsatz. Wegen ihres hohen Alters werden die letzten bis 2020 ausgemustert sein.

Der Generalstab weist darauf hin, dass für eine Nachbeschaffung bereits jetzt die Finanzierungszusagen vorliegen müssten. Diese Nachbeschaffung ist einer der Streitpunkte in den derzeit laufenden Koalitionsgesprächen zum Thema Bundesheer. Bis jetzt ist eine Sonderfinanzierung aber nicht in Sicht. Offen ist auch das Upgrade der modernen Black-Hawk-Helikopter und der Ersatz der alten OH-58-Hubschrauber.

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