„Junge Leute sind am stärksten betroffen von der aktuellen Wohnungsmarktsituation“, sagt Christoph Reinprecht vom Institut für Soziologie der Universität Wien. Die Mietkosten haben sich heuer im ersten Quartal auf durchschnittlich 9,1 Euro je Quadratmeter belaufen. Das entspricht einem Plus von 7,8 Prozent gegenüber dem ersten Vierteljahr 2022, berichtete die Statistik Austria diese Woche. Die im April bzw. Mai erfolgten Erhöhungen der Richtwert- und Kategoriemieten sind in dieser Rechnung noch nicht enthalten. Per 1. Juli steht eine weitere Erhöhung der Kategoriemieten um 5,5 Prozent bevor.
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Doch gerade für junge Menschen sind die eigenen vier Wände wichtig, um ins Erwachsenalter eintreten zu können und Selbständigkeit zu erlangen. „Wohnen ist nicht nur ein Dach über den Kopf, sondern bedeutet für junge Menschen auch, sich auszuprobieren und von der Kontrollinstanz der Eltern zu lösen“, erläutert Reinprecht.
Wohngemeinschaften als Geschäftsmodell
„Meine Miete hat sich in den letzten zwei Jahren von zirka 520 Euro kalt auf 650 Euro kalt erhöht“, berichtet eine Studentin in Wien, die lieber anonym bleiben möchte. Trotz eines Nebenjobs und finanzieller Unterstützung ihrer Eltern konnte sie die Kosten nicht mehr stemmen. Mit Strom und Gas eingerechnet kam sie auf rund 750 Euro pro Monat.
Sie entschied sich, wieder in eine Wohngemeinschaft (WG) zu ziehen. „Früher habe ich in einer Zweier-Wohngemeinschaft gewohnt, das hat nicht so gut geklappt“, sagt die Studentin. Jetzt wohnt sie mit vier Mitbewohnern in einer WG und zahlt rund 460 Euro für ihr zirka 25 Quadratmeter großes Zimmer – Strom, Heizung und Internet ist im Preis inkludiert.
Sie hofft, dass das WG-Leben mit mehreren Mitbewohnern für sie harmonisch läuft. „Die Wohnform der Wohngemeinschaft hat zugenommen. Sie ist aber nicht mehr so günstig, weil sich Wohngemeinschaften als Geschäftsmodell vor allem im Altbau etabliert haben - mit 400 bis 500 Euro Miete pro Zimmer“, ergänzt Reinprecht.
Diskriminierung und rechtliche Auflagen
Als weitere Hürde zum Dach über dem Kopf kommt noch für junge Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund rassistische Diskriminierung dazu, wie eine aktuelle SORA-Studie im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt. Anfang 2023 wurden 157 Inserate in Graz, Wien, Innsbruck und Linz von zwei Testpersonen mit fiktiven Biografien kontaktiert.
„Muhammad Asif“ erhielt in 50 Prozent eine Zusage für einen Besichtigungstermin. Fast jede fünfte Absage wurde damit begründet, dass die Wohnung bereits vergeben sei. „Michael Gruber“, der immer nach Asif anrief, erhielt immer einen Termin. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie der Johannes-Kepler-Universität Linz.
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Abgesehen vom finanziellen Aspekt, spielen Eltern noch eine wichtige rechtliche Rolle bei der Wohnungssuche ihrer Kinder. Carmen S. musste ihrem Vermieter eine Bürgschaft vorlegen, obwohl sie zum Zeitpunkt der Wohnungssuche ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in der IT-Branche vorweisen konnte. Sie war damals 23 Jahre alt und verdiente als Berufseinsteigerin rund 1.800 Euro netto im Monat. Die Miete ihrer Zweizimmer-Wohnung betrug damals 780 Euro. Nach Abzug der Miete wären ihr noch 1.000 Euro im Monat geblieben.
Ihr Vater bürgte für sie. „Ich habe das ein bisschen frech gefunden, weil ich nicht dachte das mir sowas passiert. Mein Papa ist nicht so ein Großverdiener und musste einen Kredit abbezahlen, bei ihm war es ein größeres Risiko als bei mir“, sagt Carmen S. Sie fragt sich auch: „Was ist mit Personen, deren Eltern wirklich sehr wenig verdienen, oder Personen, die keine Eltern haben oder nicht so ein gutes Verhältnis zu ihnen haben?“
Geregelter Wohnungsmarkt als Teillösung
„In Österreich war diese Situation bisher nicht bekannt, dass junge Leute zunehmend auf den Wohnraum bzw. Zuwendungen der Eltern angewiesen sind“, so der Experte Reinprecht. Die Teuerung verstärke diesen Effekt und befeuert zudem auch die Ungleichheit in der Gesellschaft.
Der geregelte Wohnungsmarkt so wie zum Beispiel der Gemeindebau in Wien oder geförderte Wohnungen ermöglicht für junge Menschen einen Zugang zu leistbarem Wohnraum, aber sei nicht eine Lösung für alle Probleme, heißt es vom Experten. Weitere Lösungsansätze sieht Reinprecht in neuen Wohnformen, wie zum Beispiel generationenübergreifendes Wohnen. Außerdem könne man zum Beispiel bei Wohngemeinschaften vertragliche Sicherheiten erhöhen.
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