Selbstversuch: Warum Bodybuilding keine Männersache ist
Donnerstag, 20 Uhr, der Freihantelbereich einer Wiener Fitnessstudiokette. Fünf Personen schwitzen an diesem Abend vor dem Spiegel. Ein Mann Mitte 30 stöhnt so laut, dass es trotz Hintergrundmusik schwer ist, sich auf das eigene Training zu konzentrieren. Daneben zwei Jugendliche, einer oben ohne – er präsentiert seine Bauchmuskeln. Sein Freund macht Fotos. Nur eine Frau ist unter den Anwesenden. Mit Tunnelblick starrt sie geradeaus, während sie die Hanteln hebt und senkt. Augenblicke zuvor wurde ihr – trotz Kopfhörer – vom „Stöhner“ die „richtige“ Übungsausführung erklärt.
Nach rund 40 Trainingseinheiten unter Anleitung von Bodybuilding-Weltmeister Klaus Drescher ist klar, Situationen, in denen sich Frauen im Fitnessstudio unwohl fühlen, sind keine Seltenheit.
Der Selbstversuch
Vier Monate trainiert KURIER-Redakteur Strohmayer mit dem Profi-Bodybuilder Klaus Drescher. Zwei sind schon geschafft.
Zwischenfazit
Der Bauch ist straffer, der Bizeps dicker. Der Armumfang ist von 40 auf 43 cm angewachsen, die Taille von 100 auf 93 cm geschrumpft. Das Gewicht ist bei 105 kg unverändert.
Ausblick
Ziel ist u. a. ein Sixpack. Da die Bauchmuskeln sich noch verstecken, werden in den letzten zwei Monaten die Kohlenhydrate reduziert.
Eine, die das am eigenen Leib erfahren hat, ist Kira Baumgartner: „Ich hab’ anfangs nur im Damenbereich trainiert und als ich mich rausgetraut hab’, wurde mir ungefragt die Meinung aufgedrückt.“ Das sei schade, denn Frauen könnten vom Kraftsport genauso profitieren wie Männer und vor allem zu Beginn rasch Muskeln aufbauen.
Mit unerwünschten Kommentaren ist die 25-Jährige heute kaum mehr konfrontiert. Sie baute rasch Muskeln auf und steht mittlerweile bei Bodybuilding-Wettkämpfen auf der Bühne.
Laute Musik, das Klirren von Metall und ein fluchender Mann, der sich energisch auf den Brustkorb schlägt – die Atmosphäre im Fitnessstudio bildet einen starken Kontrast zu meinen üblichen Yoga- und Spinningstunden. Da ich noch nie Kraftsport gemacht habe, sieht jedes Gerät gleich aus und ich habe im Prinzip keine Ahnung, was mich erwartet.
Zum Glück ist für die Einheit Bodybuilderin Kira Baumgartner (siehe Fotos oben) als Trainerin am Start: Geduldig zeigt sie die Übungen vor, ermahnt, wenn man sich etwas Rausschummeln möchte und korrigiert Fehler. Anders als die Schwergewichte an den Geräten neben mir möchte ich mir mein Leben nämlich nicht schwerer machen. Nützen tut es nichts, denn Kira entgeht nicht, wenn ich den Arm nicht weit genug nach hinten ziehe, oder das Becken nicht genug hebe.
Auf die Form kommt’s an
Mit mir als blutige Anfängerin ist sie aber nachsichtig. Nach einigen Übungen an diversen Geräten geht es weiter mit speziellen Kniebeugen bei der sogenannten Hackenschmidt-Beinpresse. Kira achtet mit Adleraugen darauf, dass meine Knie nicht nach innen neigen und erklärt die richtige Atemweise. Obwohl ich bei Yoga und Pilates nichts mehr hasse als Kniebeugen, macht mir diese Übung Spaß. Meinem mit uns trainierenden Kollegen zeige ich stolz, dass ich Gewichte stemme. Dass es sich dabei um kleine Scheiben handelt, spielt keine Rolle.
Die Bodybuilderin weist darauf hin, dass Gewicht eben nicht mit Erfolg gleichzusetzen ist. Auch wenn Kira mich sehr ermutigt und ich mir gut vorstellen könnte, mir ihr als Trainerin öfter das Gym aufzusuchen, bezweifle ich, dass das der Start einer großen Fitnesskarriere ist.
Die 1,72 Meter große Sportlerin, die es auf ein Wettkampfgewicht von 59 Kilo bringt, weiß aber, dass Bodybuilding, so wie sie es betreibt, nicht nur gesund ist. „Es ist schwierig, wenn man vor dem Wettkampf so stark abnimmt, dass man jeden Muskel sieht und danach in kürzester Zeit wieder zweistellig zulegt.“
Gesunder Mittelweg
Vier Monate nach ihrem letzten Wettkampf wiegt die Wienerin 25 Kilo mehr als im Oktober des Vorjahres. Durch den starken Fettverlust blieb vorübergehend ihre Periode aus. Ein Schicksal, das viele Bodybuilderinnen ereilt. Mit ihrem Bühnengewicht habe sie sich zudem unwohl gefühlt: „Ich war abgemagert.“ Sie sei sogar einmal scherzhaft gefragt worden, ob sie am Bein einen Tumor habe, weil jede Muskelfaser zum Vorschein kam.
Baumgartner brachte ihren Körper an die Grenze – erste Plätze auf Bodybuilding-Bühnen waren die Belohnung.
Mr. Universe und Fitnesstrainer Klaus Drescher betont dennoch, dass die Vorteile des Krafttrainings für Hobbysportlerinnen überwiegen. Fettverbrennung, eine bessere Haltung, Endorphinausschüttung oder Osteoporose- und Arthroseprävention seien positive Folgen. Auch die Angst vieler Frauen vor zu vielen Muskeln sei unbegründet: „Krafttraining macht Frauen nicht zum Hulk, hilft ihnen aber, einen starken, straffen Körper zu formen.“
Baumgartner stimmt zu: „Dieses Zu-muskulös-Werden, ist ein süßer Irrglaube. Wir rackern uns ab, damit wir so ausschauen.“
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