Schwanger und coronapositiv? Worauf es in der Quarantäne ankommt
43 covidpositive Schwangere haben seit März an der Klinik Ottakring entbunden, 60 wurden behandelt. Primaria Barbara Maier, Leiterin der Gyn-Abteilung, über den Arbeitsalltag an Wiens primärer Anlaufstelle für covidpositive Schwangere.
KURIER: Auf Covid positiv getestete Schwangere werden in Wien derzeit automatisch in die Klinik Ottakring überstellt. Wie viele dieser Patientinnen können Sie derzeit stationär betreuen und wie viele Entbindungen wöchentlich bewerkstelligen?
Barbara Maier: Es ist richtig, dass die Gyn/Geb-Abteilung der Klinik Ottakring die primäre Anlaufstelle für Geburten covidpositiver Schwangerer ist, u. a. auch weil wir uns seit dem Beginn der Pandemie dieser Aufgabe gestellt haben und somit auch die meisten Erfahrungen in der Betreuung covidpositiver Gebärender und ihrer Neugeborenen haben. Wir besitzen auch die entsprechende Frühgeburten-Kompetenz und eine sehr versierte neonatolologische Intensivstation.
Wenn bei uns die Kreißsaal-Einheiten und Quarantäne-Zimmer voll belegt sind, ist die Klinik Favoriten die Geburtshilfe, die Covid-Geburten übernimmt. Wir können bis zu zwei Covid-Gebärende gleichzeitig im Kreissaal betreuen, stationär danach bis zu fünf - auch weil im Kinderspital Wöchnerinnen nach unkomplizierter Geburt mit ihren Neugeborenen aufgenommen werden können.
Zu wessen Lasten geht diese Umverteilung von Patientinnen? Welche Behandlungen können noch oder nicht mehr durchgeführt werden?
Da eine Covid-Geburt eine sehr hohe „Personalbindung" hat (man kann nicht mal schnell in den Kreißsaal hineinschauen und wieder herauslaufen), sperren wir während Covid-Geburten in Abhängigkeit vom normalen Geburten-Aufkommen auch manchmal die Rettungszufahrten, um allen bereits anwesenden Patientinnen eine adäquate Betreuung garantieren zu können. In solchen Zeiten fahren die Rettungswägen andere Häuser des Gesundheitsverbunds an, die so mithelfen, dass es zu keinen Engpässen kommt. Wir können nach wie vor alle notwendigen Behandlungen durchführen. Wenn unsere Kreißsaal-Kapazitäten erschöpft sind, kann es sein, dass wir unkompliziert Gebärende in anderen Häusern unterbringen müssen. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.
Haben Schwangere eine erhöhte Infektionsgefahr - weisen sie Unterschiede bei der Symptomatik auf?
Schwangere sind ebenso infektionsgefährdet wie andere Menschen, müssen aber aus unserer Erfahrung heraus zur Risikogruppe gezählt werden, da in ca. zehn Prozent der Fälle schwere, intensivpflichtige Verläufe zu beobachten sind. Und das obwohl schwangere Frauen in den allermeisten Fällen junge, gesunde Menschen sind.
Mit welchen Fragen seitens der Patientinnen sind Sie derzeit am häufigsten konfrontiert?
Wie wird meine Geburt ablaufen, sollte ich covidpositiv sein? Wie eine sonstige Geburt auch. Die Gebärende trägt keine Maske, die betreuenden Geburtshelferinnen, Hebammen tragen Schutzkleidung und FFP3-Masken. Ist ein Kaiserschnitt dann nötig? Nein. Ein Kaiserschnitt ist nur dann notwendig, wenn das Kind gefährdet wäre oder auch die Mutter. Covid-Positivität als solche ist kein Grund. Nur wenn die Gebärende gravierend an Covid erkrankt ist, zum Beispiel mit schweren Atemproblemen kämpft, und ihr die spontane Geburt nicht zumutbar wäre.
In welchen Bereichen herrscht das größte Unwissen vor, wo gibt es aus Ihrer Sicht akuten Handlungsbedarf?
Man glaubt, eine Schwangere ist jung und somit seien weder sie noch ihr Neugeborenes je gefährdet. Das stimmt so nicht. Außerdem werden Geschichten über die Geburt - wie z. B. Gebärende würden Masken tragen müssen - verbreitet. Während der Geburt tragen Frauen keine Maske. Viele glauben auch, dass sie nicht ansteckend sind, wenn der Test positiv ist, aber sie selbst keine Symptome spüren. Oft kommen Symptome erst am am fünften oder sechsten Tag, und viele Schwangere haben selbst gar keine Symptome und sind für ihr Umfeld und ihr Neugeborenes trotzdem sehr ansteckend. Daher braucht es bei den Frauen, die positiv getestet wurden, Schutzmaßnahmen wie Schutzkleidung etc.
Worauf müssen sich Schwangere bei einem Krankenhaus-Besuch einstellen, was vor der Entbindung und für die Geburt bedenken?
Schwangere sollten besonders vorsichtig sein, um sich nicht anzustecken, dasselbe gilt für alle anderen Personen, die im selben Haushalt wohnen. Schwangere, die in der Klinik Ottakring stationär aufgenommen werden oder am Geburtstermin zu einer ambulanten Kontrolle kommen, werden auf Corona getestet. Wenn die Frau zum Zeitpunkt der Entbindung positiv ist oder unter Quarantäne steht, weil sie z. B. Kontaktperson ist, muss die Geburt in einem Quarantäne-Kreißsaal stattfinden. Wenn die Geburt nicht unmittelbar bevorsteht, dürfen auch Schwangere in Heimquarantäne sein, für ambulante Kontrollen im Spital müssen sie dann aber mit einem speziellen Infektionstransport gebracht werden und dürfen nicht einfach selbständig ins Spital kommen. Wenn Schwangere sehr schwer erkranken, kann es manchmal notwendig sein, das Kind früher zu entbinden, dann ist aufgrund des schlechten Zustands der Mutter ein Kaiserschnitt in Vollnarkose notwendig.
Dürfen covidpositive Frauen mit ihren Neugeborenen zusammen sein? Dürfen sie stillen?
Ja, wenn sie das möchten. Wöchnerinnen können mit ihren Neugeborenen zusammen untergebracht werden, wenn sie das, nach eingehender Aufklärung über die Risiken für das Neugeborene und die damit notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, wollen. Sie werden von Kinderärzten, Krankenschwestern etc. unterstützt. Stillen ist für covidpositive Mütter selbstverständlich möglich - ebenfalls mit den entsprechenden Hygiene-Maßnahmen. Natürlich gibt es immer wieder Patientinnen, die so schwer erkranken, dass dies nicht möglich ist, weil sie intensivpflichtig geworden sind. Dann übernehmen Kinderärzte die Versorgung der Neugeborenen.
Das Gesundheitspersonal - vom Arzt bis zu Hebamme und Pfleger - arbeitet seit März unter außerordentlichen Bedingungen. Welche Schutzmaßnahmen- und -kleidung gehören mittlerweile zum Arbeitsalltag?
Schutzkleidung und FFP3-Masken bei der Betreuung von covidpositiven Patientinnen. FFP2-Masken tragen wir alle während all unserer Tätigkeiten - als Ärztinnen, Hebammen, Pflegepersonen.
Kann das ständige Tragen von FFP2-Masken auch zu körperlichen Belastungen führen?
Ja, das Arbeiten mit FFP2-Masken ist mühsamer, anstrengender, sie sind daher zum Beispiel für Schwangere nicht zugelassen. Wir sind alle am Abend viel müder als sonst, erst recht nach einem 25-Stunden-Dienst. Gerüchte, man würde dadurch zu viel CO2 einatmen oder Ähnliches, sind jedoch Unsinn.
Bekommt das Team Ihres oder anderer Krankenhäuser psychologische Betreuung?
Ja, bei Bedarf ist das möglich. Die beste psychische Stärkung ist ein gut eingespieltes interdisziplinäres Team, das das Miteinander praktiziert und sich wechselseitig unterstützt. Glücklicherweise ist das Arbeiten an der Klinik Ottakring davon geprägt und so können wir auch in der Covid-Pandemie gut funktionstüchtig bleiben. Allerdings wäre es auch sehr wünschenswert, wenn in solchen Zeiten nicht nur für das Team, sondern auch für die betroffenen Frauen eine unmittelbare psychologische Betreuung vor Ort installiert werden könnte.
Eine Kennzahl für das Funktionieren des Gesundheitssystems ist die Zahl der Intensivbetten. Gibt es Statistiken darüber, wie viele Frauen mit gynäkologischen Erkrankungen, Schwangere und frisch Entbundene eines Intensivbettes bedürfen?
Das kommt darauf an, wir machen Perinatalzentrums-Medizin auf höchstem Niveau - so ist es immer wieder möglich, dass wir ein Intensivbett für unsere Gebärenden benötigen. Für an Covid erkrankte Schwangere ist das Risiko eine intensivmedizinische Behandlung zu benötigen deutlich höher als für andere Schwangere und liegt in internationalen Studien meist zwischen sieben und zehn Prozent. Das bestätigen auch unsere Daten. Wir beschäftigen uns auch wissenschaftlich mit Covid-Geburten und führen diesbezüglich auch ein Register. Bisher haben 41 covidpositive Schwangere an der Klinik Ottakring entbunden, wir haben über 60 covidpositive Schwangere seit März 2020 an der Klinik Ottakring betreut - einige auch auf unserer Intensivstation mit gutem Ergebnis, weil wir sehr gut und unkompliziert zusammenarbeiten.
Befürchten Sie angesichts der steigenden Infektionszahlen von der Triage Gebrauch machen zu müssen?
Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, für eine Gebärende in einer geburtshilflichen Notsituation kein Intensivbett bekommen zu können. Bislang war eine solche Situation undenkbar. Aus heutiger Sicht sind wir von diesbezüglichen Überlegungen zum Glück (noch) nicht betroffen. Ich möchte gerade auch an Schwangere und ihr Umfeld appellieren, ihre Kontakte zu reduzieren und sich den vorgegebenen Maßnahmen entsprechend verantwortungsbewusst zu verhalten.
Tun Sie sich und Ihren Mitmenschen, tun Sie uns in den Krankenhäusern durch nachlässiges Verhalten solche Engpässe nicht an!
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