Wenn Ärzte über das Sterben entscheiden müssen
Wen lasse ich sterben?
Am Ende ist es diese einfache, moralisch so unendlich schwierige Frage, der sich Ärzte in der Corona-Krise möglicherweise zu stellen haben.
In Italien ist es längst so. „Wie im Krieg entscheiden wir nach Alter und Gesundheitszustand über die Therapie eines Patienten“, erzählt Christian Salaroli, ein Anästhesist aus dem Spital Johannes XXIII. in Bergamo dem „Corriere della Sera“.
Kommt es dazu auch in Österreich? Und wenn ja, nach welchen Vorgaben entscheiden die Ärzte?
Anton Kepka ist Notfallarzt und Leiter einer Intensivstation im Wiener Krankenhaus Hietzing. Und als solcher bereitet er sich und seine Kollegen in diesen Tagen auch auf die Frage mit dem Sterbenlassen vor.
„In normalen Zeiten wird jeder Patienten so lange behandelt, so lange die Ressourcen vorhanden sind“, sagt er.
Was aber, wenn Betten und/oder Beatmungsgeräte nicht mehr für alle reichen?
In Österreich sind Katastrophen, bei denen die Zahl der Schwerverletzten die Zahl der Intensivbetten übersteigt, nie vorgekommen. „Katastrophen wie ein Flugzeugabsturz, wo man gleichzeitig hunderte Schwerstverletzte hat, gab es nicht. Jetzt müssen wir mit dieser Situation zumindest rechnen“, sagt Kepka.
Das bedeutet freilich nicht, dass die „Triage“, also das Reihen von Patienten nach Dringlichkeit, nie vorkommt. „Auch jetzt müssen wir bei einem großen Verkehrsunfall mit mehreren Schwerstverletzten Entscheidungen treffen, die die Überlebenschancen beeinflussen.“ Es seien Fragen wie: Wie weit ist der Weg bis ins Spital, wer fliegt mit dem Hubschrauber, wer fährt im Notarztwagen, etc.
Wovon hängt das ab? „Eine Triage ist immer im Fluss“, sagt Kepka. „Ich muss im Augenblick entscheiden, wer die beste Chance auf eine Verbesserung seines Zustandes hat. Bei Corona wissen wir vieles noch nicht, da können Alter, Vorerkrankungen und vieles mehr eine Rolle spielen.“
Der rechtliche Rahmen für die Ärzte ist groß und widersprüchlich. Auf der einen Seite müssen Mediziner allen Menschen die „bestmögliche Therapie“ bieten. „Das ist unsere Verpflichtung, und für uns ist jeder Patient natürlich gleich viel wert“, sagt Kepka.
Dem stehe gegenüber, dass man rechtlich auch verpflichtet sei, mit den Ressourcen des Gesundheitssystems sparsam umzugehen. In der Praxis bedeutet das: Die Ärzte entscheiden im Team, welcher Patient die besten Überlebenschancen hat. „Und diese Entscheidungen“, sagt Kepka, „sind nicht nur schwierig, sondern passieren auch im Wissen, dass wir viele Monate später auch dafür geklagt werden können.“
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