Russische Gefühlswelten in Österreich: Scham, Schweigen, Protest

Russische Gefühlswelten in Österreich: Scham, Schweigen, Protest
In Wien leben viele Menschen, die in Russland ihre Wurzeln haben. Wie sie mit ihrer Geschichte, ukrainischen Mitbürgern und Putins Aggression umgehen.

Verlockend bunt ist das Angebot im lückenlos gefüllten Regal. Buchweizen, schachtelweise importiert, „weil es diese Sorten in Österreich nicht gibt“, sagt Olessia. Besserer Wodka, Kaviar für den festlichen Anlass, Gurken im Glas oder Pralinen, alles „nach unserem Geschmack.“ Ihre Kundschaft ist russischer, nicht selten ukrainischer Herkunft. Ausgewanderte, Geflüchtete, Menschen, die hiergeblieben sind, aus privaten oder beruflichen Gründen, auch „Österreicher, die einfach unsere Kultur lieben gelernt haben.“

In der Auslage erfüllen schmunzelnde Matrjoschka-Puppen die folkloristische Erwartung. Doch von der Aufschrift Russische Spezialitäten hat ein schwarzes Klebeband nur noch ... Spezialitäten übrig gelassen. Hinter Glas ist ein Zettel angebracht. Kein Offert, eher ein Ausdruck der Verzweiflung, und doch ein klares Statement: „NO WAR“.

Russische Gefühlswelten in Österreich: Scham, Schweigen, Protest

Ob es nicht viel Mut und noch mehr Widerstandskraft verlange, solche Aussagen offen zur Schau zu stellen? Ihrem Gesichtsausdruck der Verwunderung entspricht Olessias Antwort: „Es ist doch normal, gegen den Krieg zu sein. Wie er ausgebrochen ist, habe ich das auch auf Facebook gepostet. Daraufhin wurde ich von einer Frau, die hier in der Nähe wohnt, aufgefordert, mein Geschäft zu schließen. Ich habe sie gefragt, warum sie eigentlich nicht in Russland lebt, wenn sie so eine Patriotin und für Putin ist.“ Verlogen sei das.

Russische Gefühlswelten in Österreich: Scham, Schweigen, Protest

Olessias Angebot entspricht den russischen Geschmäckern.

Kommentare