Autorin Arnautović: „Beim Verleugnen darf man nicht mehr mitspielen“
Die in Russland geborene Wiener Schriftstellerin Ljuba Arnautović hat sich in ihren Romanen ausführlich mit russisch-ukrainischen und österreichischen Verflechtungen befasst.
KURIER: Sie haben Kontakt zu vielen Menschen mit russischen Wurzeln, Freunde, Bekannte Verwandte, die in Österreich leben. Wie beschreiben Sie die Stimmungslage?
Ljuba Arnautović: Was ich atmosphärisch am stärksten spüre, ist ein Verdrängen, die Weigerung, darüber zu reden, es ja nicht zum Thema zu machen. Es gibt so eine Vermeidungsstrategie, um gute Freundschaften nicht zu gefährden. Darunter Leute, die Putin verteidigen. Andere befinden sich in Starre, empfinden große Scham für das, was da gerade passiert. Kontakt pflege ich auch mit einigen österreichisch-russischen Paaren. Teils mit unterschiedlichen Ansichten. Ein Ehepaar hat eine fünfköpfige ukrainische Familie aufgenommen. Sie ist Österreicherin, er ist Russe.
Über ein Jahr dauert der Krieg. Ein Jahr ist auch seit unserem letzten Gespräch vergangen. Hat sich die Kommunikation mit ihren Verwandten in Russland verändert?
Die Verwandten mütterlicherseits haben mich eingeladen, ich solle nach Kursk kommen, weil es so schön ist. Ich habe ihnen geschrieben, „das geht nicht, bei euch herrscht Krieg“. Seither herrscht Schweigen. Vor einem Jahr war ich noch sehr vorsichtig, mit der vorgegebenen Diktion, die ja das Wort Krieg nicht beinhalten durfte. Ich wollte niemanden gefährden. Dann wurde mir immer klarer, dass man bei diesem Verleugnen nicht mehr mitspielen darf.
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